Theo Nägele und Jarid Zimmermann kämpfen sich durch Äste hindurch und stapfen über dornige Brombeerhecken, bis sie ihr Ziel erreichen: einen kleinen Weiher, umgeben von einem Schilfgürtel sowie lebenden und toten Bäumen. Dieser Weiher und die Landschaft darum herum sind ein wertvolles Biotop. Mitten in Konstanz – und doch ziemlich versteckt.

Dass das rund fünf Hektar große Areal zwischen Hermann-von-Vicari-Straße und Lorettowald vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht bekannt ist, liegt auch daran, dass es immer wieder zuwächst. Zu viel Stickstoff in der Luft, unter anderem durch Abgase und Düngung, lässt Brombeerhecken wuchern. Lange wurde das Gebiet außerdem pflegerisch vernachlässigt, wie die Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad (BAS) wiederholt kritisierte.

Theo Nägele (Landschaftserhaltungsverband Konstanz) und Jarid Zimmermann (BUND Konstanz) müssen über weit verbreitetes Brombeergestrüpp ...
Theo Nägele (Landschaftserhaltungsverband Konstanz) und Jarid Zimmermann (BUND Konstanz) müssen über weit verbreitetes Brombeergestrüpp laufen, bevor sie an den Weiher kommen. Dieses Gebiet ist eine Heimat für Amphibien, Insekten und Reptilien. | Bild: Kirsten Astor

Jarid Zimmermann, Geschäftsführer des Konstanzer BUND-Ortsverbands, und Theo Nägele vom Landschaftserhaltungsverband (LEV) Konstanz wollen das ändern. Denn sie wissen, wie wertvoll dieses unscheinbare Stück Land für viele Tierarten ist. „Das Turbenried ist eines der wenigen Feuchtgebiete innerhalb der Stadt und ein Biotop von lokaler Bedeutung, da der Teich das einzige Amphibienlaichgewässer der näheren Umgebung ist“, sagt Zimmermann.

„Das Turbenried ist eines der wenigen Feuchtgebiete innerhalb der Stadt und ein Biotop von lokaler Bedeutung“, sagt Jarid Zimmermann, ...
„Das Turbenried ist eines der wenigen Feuchtgebiete innerhalb der Stadt und ein Biotop von lokaler Bedeutung“, sagt Jarid Zimmermann, Geschäftsführer des Konstanzer BUND-Ortsvereins. | Bild: Kirsten Astor

Theo Nägele findet das Areal auch deshalb spannend, weil es auf recht kleiner Fläche ein Mosaik aus verschiedenen Lebensräumen wie Wald, Schilfgürtel, Hochstaudenflure, Röhricht und Grünland bietet. Er ergänzt: „Im Turbenried leben Amphibien wie Erdkröten und potenziell verschiedene weitere Froscharten und Bergmolche, außerdem Reptilien und viele Insektenarten. Ab und zu nutzen auch Fledermäuse das Gebiet zur Nahrungssuche.“

„Auf Karten von vor 100 Jahren war alles Sumpffläche. Von Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1939 wurde hier Torf abgebaut“, sagt Theo ...
„Auf Karten von vor 100 Jahren war alles Sumpffläche. Von Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1939 wurde hier Torf abgebaut“, sagt Theo Nägele vom Landschaftserhaltungsverband Konstanz. | Bild: Kirsten Astor

Ried sollte zu Großparkplatz werden

Dieser ökologische Wert wurde lange nicht erkannt. „Früher war hier alles Mögliche geplant, unter anderem ein Parkplatz mit 350 Plätzen sowie ein großes Sportgelände“, erzählt Jarid Zimmermann.

Tatsächlich schreibt der ehemalige FGL-Statrat Werner Allweiss im Allmannsdorfer „Blättle“ 1985: „Noch bis zur kurzem drohte dem Turbenried höchste Gefahr, denn die DJK wollte unmittelbar südlich neben der Riedfläche über alle Widerstände hinweg ein großes Sportgeläde anlegen.“ Und die Pressestelle der Stadt Konstanz weiß: „Das Turbenried wurde bis 1974 als Deponie für Erdaushub, Hausmüll und Bauschutt genutzt. Daher ist die Fläche leider sehr gestört.“

Blick von der Hermann-von-Vicari-Straße in Allmannsdorf auf den Beginn des flächenhaften Naturdenkmals Turbenried.
Blick von der Hermann-von-Vicari-Straße in Allmannsdorf auf den Beginn des flächenhaften Naturdenkmals Turbenried. | Bild: Kirsten Astor

Doch durch das Einschreiten umweltbewusster Allmannsdorfer und der Freien Grünen Liste (FGL) im Gemeinderat wurde der Bereich laut Landratsamt Konstanz am 28. Mai 1986 als flächenhaftes Naturdenkmal zum Schutz der Amphibienlaichvorkommen ausgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt war das Areal von einer offenen Riedlandschaft umgeben. „Im nördlichen Bereich, rund um den Weiher, handelt es sich um den Rest eines Niedermoors“, so das Landratsamt.

Tatsächlich lohnt sich ein Blick in die Erdgeschichte: „Das Turbenried ist der Verbindungskorridor zwischen Lorettowald, Bodensee und Bodanrück und ein Überbleibsel aus der Eiszeitlandschaft“, erklärt Theo Nägele. Während der Kaltzeit schoben sich Gletscher über den Bodanrück und veränderten die Topografie. Übrig blieben Drumlins (längliche Hügel wie der Staader Berg, die Lorettohöhe oder der Fürstenberg) sowie Grund- und Endmoränen – also Geröllhügel, die von den Gletschern abgelagert wurden.

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„Vor 100 Jahren war alles Sumpffläche“

Dazwischen bildeten sich abflusslose Senken, die sich nach dem Rückzug der Gletscher auch auf dem Bodanrück mit Seeschlamm füllten. Oft wurden daraus Moore, so auch im Turbenried. „Auf Karten von vor 100 Jahren war alles Sumpffläche. Von Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1939 wurde hier Torf abgebaut“, sagt Theo Nägele. „Das Geländeniveau des ursprünglichen Rieds lag deutlich tiefer und wurde durch Auffüllungen angehoben.“

Doch obwohl 1986 erkannt wurde, dass das Gebiet geschützt werden muss, überließ man lange die Natur sich selbst. „Weiden, Brombeeren, Walnüsse und Sträucher breiten sich aus, sodass der Weiher immer weiter verlandet“, sagt Theo Nägele und deutet auf den Bewuchs um das Gewässer herum.

Diese Fläche halten die Rinder des Haettelihofs dreimal im Jahr frei. Am Rand machen sich Brombeeren breit, weil zu viel Stickstoff in ...
Diese Fläche halten die Rinder des Haettelihofs dreimal im Jahr frei. Am Rand machen sich Brombeeren breit, weil zu viel Stickstoff in der Luft ist. | Bild: Kirsten Astor

Die Beschattung schränkt den Lebensraum für viele Tierarten ein. Seit 2018 weiden zwar Rinder des Allmannsdorfer Haettelihofs zwischen April und November dreimal im Jahr im Turbenried und halten einen Teil der Fläche offen. Doch das reicht den Naturschützern und -pflegern nicht aus.

„Zwischen Oktober 2025 und Februar 2026 wollen wir das Gebiet direkt rund um den Weiher von Gebüsch und einigen Bäumen befreien“, sagt Theo Nägele. Entnommen werden Eschen und andere höhere Bäume, damit mehr sonnige Bereiche entstehen. Das begünstigt unter anderem das Laichen. Totholz wird stehen gelassen, weil es einen wertvollen Lebensraum bildet. Die Rinder sollen dann künftig bis ans Wasser fressen, damit die Landschaft nicht wieder verbuscht.

Die hier sichtbare Wasserfläche an der Hermann-von-Vicari-Straße ist nicht etwa der ökologisch wertvolle Weiher, sondern ein ...
Die hier sichtbare Wasserfläche an der Hermann-von-Vicari-Straße ist nicht etwa der ökologisch wertvolle Weiher, sondern ein Regenrückhaltebecken. Der Weiher beginnt hinter dem Schilfgürtel. | Bild: Kirsten Astor

Mancher hat schöne Erinnerungen ans Areal

Nutznießer dieses Pflegekonzepts seien beispielsweise Kammmolche, aber auch Libellenarten, für die sich die Flugschneise deutlich vergrößert, sagt Jarid Zimmermann. Er weiß, dass es der Bevölkerung oft schwer zu vermitteln ist, wenn Bäume gefällt werden, und ergänzt: „Wir stellen hier den Urzustand wieder her, denn wir möchten dem Negativtrend entgegenwirken. Auch für ehemals häufige Amphibienarten gibt es inzwischen bedeutende Rückgänge.“

Dass das Turbenried gepflegt wird, dürfte auch manch Konstanzer freuen. Einige haben vergnügliche Erinnerungen an das Areal. So berichtet eine Bürgerin, sie sei als Kind auf dem Weiher Schlittschuh gelaufen, auch wenn die Fläche dafür eigentlich zu klein war.

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Jarid Zimmermann hat auch noch eine Anekdote auf Lager: „Einer unserer Ehrenamtlichen, etwa 70 Jahre alt, erzählte uns, dass er und seine Freunde als Kinder vom Lorettoberg bis ins Turbenried Schlitten gefahren sind.“