Antonio Fernández arbeitet gern im Kinderhaus am Rhein, die Kinder wuseln um ihn herum. Sie möchten den 24-Jährigen nicht mehr missen und sind froh, dass er in Deutschland beruflich neu anfangen wollte. Denn Antonio Fernández tauschte ganz bewusst die spanische Sonne gegen das zumindest im Winter neblige Konstanz ein.
„Im Pädagogikstudium in Spanien habe ich viel über Deutschland gelernt, ein Vorbild in Sachen Erziehung“, sagt der 24-Jährige aus Sevilla. Als er die Anzeige sah, mit der spanische Fachkräfte für Konstanz gesucht wurden, bewarb er sich und bereut es nicht. „Ich bin jung und wollte die Chance nutzen“, sagt er. „Hier liegt ein ganz anderer Fokus auf den einzelnen Kindern als in spanischen Kitas.“

Auch neun weitere Spanierinnen und Spanier mit pädagogischer Ausbildung entschieden sich für den Weg nach Konstanz. Denn während die Arbeitslosenquote unter jungen Menschen in ihrer Heimat sehr hoch ist, fehlen Erzieher in Deutschland an allen Ecken und Enden.
So kamen die ersten spanischen Fachkräfte im Januar 2023 nach Konstanz, die restlichen im Mai 2023. Sie lernten Deutsch, gewöhnten sich an Land und Leute und wurden zu beliebten Kollegen in Konstanzer Kitas. Neun von zehn Spaniern blieben. „Nur eine Fachkraft ging aus persönlichen Gründen in die Heimat zurück“, sagt Rüdiger Singer, Leiter der Jugendhilfeplanung im Konstanzer Sozial- und Jugendamt.
Nach einem Jahr ließen nun die Stadt Konstanz, die Universität und die katholische Kirche als Kita-Träger das Programm Revue passieren: Was lief gut mit den Spaniern, wo sind noch Schwierigkeiten? „Wir erhalten sehr positive Rückmeldungen, die Spanier sind sehr motiviert, ihre Arbeitshaltung stimmt“, sagt Rüdiger Singer.
Sprache als große Herausforderung
Und weiter: „Wir alle ziehen unseren Hut vor ihrer Leistung. Sie haben Freunde und Familie hinter sich gelassen und mussten nicht nur eine schwierige Sprache lernen, sondern sich auch an neue pädagogische Konzepte gewöhnen.“
Gerade die Sprache sei oft eine große Herausforderung. „Die Kommunikation mit den Kindern ist nicht das Problem, aber bei schwierigen Elterngesprächen geht das Vokabular über die Alltagswörter hinaus“, sagt Singer.

Aber nicht nur für die Spanier, sondern auch für die Konstanzer Kitas ist die Eingliederung der zugewanderten Fachkräfte aufwendig. So sagt Elena Moser von der Abteilung Tagesbetreuung für Kinder bei der Stadt: „Die Kita-Leitungen und Kollegen müssen trotz Unterbesetzung viel Zeit investieren, bis die neuen Fachkräfte integriert sind. Aber jetzt sagen die ersten Leitungen, dass sie ihre spanischen Kollegen behalten möchten.“
Doch obwohl in Konstanz so viele Erzieherinnen und Erzieher fehlen und deshalb 300 vorhandene Kitaplätze nicht belegt werden können, kommen erstmal keine weiteren Spanier dazu. Das hat einen einfachen Grund, wie Rüdiger Singer erläutert: „Warum sollen wir weitere Menschen aus dem Ausland holen, wenn bereits so viele weitere Fachkräfte in Konstanz leben?“

Einige Pädagogen leben ohnehin schon in Konstanz
Vor allem Ukrainerinnen, aber auch pädagogisches Personal aus der Türkei oder Mazedonien, die ohnehin hier wohnen, belegen derzeit Sprachkurse für Pädagogenvokabular und arbeiten in Konstanzer Kitas. Wenn sie, wie auch die Spanier, noch eine schriftliche pädagogische Arbeit vorlegen, erhalten sie die Anerkennung als vollwertige Erzieherinnen.
Und doch bringt auch dieser Weg nicht genügend Fachkräfte in die Einrichtungen. „Der Bedarf an Personal steigt weiter, jetzt gehen die letzten Babyboomer in Rente“, sagt Singer und ergänzt: „Wir kochen mit allen Töpfen, um neue Leute zu gewinnen.“
Unter anderem arbeitet eine trägerübergreifende Gruppe an Ideen, wie vorhandene Erzieher in Konstanz gehalten werden können. Denn auch Fluktuation ist ein Problem. Außerdem ist die Stadt mit pädagogischen Fachschulen in Kontakt, um neue Möglichkeiten zu eruieren.
Unter anderem können Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung, die das Berufsfeld wechseln wollen, zu sozialpädagogischen Assistenten weitergebildet werden und als Zusatzkräfte in Kitas arbeiten. Außerdem beginnen zum Kitajahr 2024/25 nach derzeitigem Stand 24 PIA-Auszubildende (Praxisintegrierte Ausbildung) in Konstanzer Kitas aller Träger. In den kommenden Wochen könnten weitere folgen, so die Stadt.
Dass ein höheres Gehalt als in anderen Städten weitere Menschen anlocken würde, wissen die Verantwortlichen. Doch diesen Weg wollen sie nicht gehen. „Wir haben mit den Nachbarkommunen die Übereinkunft, dass wir uns nicht gegenseitig Personal wegnehmen“, sagt Rüdiger Singer.
Antonio Fernández jedenfalls freut sich, dass er dazu beitragen kann, den Erziehermangel ein kleines bisschen zu lindern. „In Konstanz gefällt es mir gut, ich habe Glück“, sagt er und ergänzt lachend: „Vor dem deutschen Winter habe ich ein bisschen Angst, aber auch das schaffe ich.“