Konzentriert beugt sich Christoph Müssig über ein großes Plakat und schreibt auf, was ihm zum Thema Kinderbetreuung durch den Kopf geht. Müssig ist stellvertretender Leiter der Kita Rebberg und einer von rund 120 Teilnehmern am Zukunftstag Konstanzer Kitas in der Wollmatinger Halle. Initiiert hatte diese Denkwerkstatt das Konstanzer Sozial- und Jugendamt.

Denn in den Einrichtungen brennt es an allen Ecken und Enden, das (zu wenige) Personal ist überlastet, Öffnungszeiten müssen reduziert werden, was arbeitende Eltern unter Druck setzt. Aber auch inhaltlich stehen viele Fragezeichen über der frühkindlichen Bildung: Welche Erwartungen haben Erzieherinnen, Kitaleitung und Elternbeirat aneinander? Läuft die Kommunikation rund? Und wo bleibt eigentlich das Kindeswohl bei bis zu 50 Wochenstunden Betreuung?
Solche und ähnliche Gedanken finden sich auf vielen Plakaten wieder, die im Lauf des Zukunftstags zu 13 Themenfeldern entstehen. Gemeinsam überlegen Kitaleitungen, Erzieherinnen und Erzieher, Tageseltern, Träger- und Elternvertreter, wie die Zukunft der Konstanzer Kitas aussehen könnte.
Dabei soll es bewusst keine Denkverbote geben. Das gefällt Christoph Müssig: „Es ist wichtig, mal etwas weiterentwickeln zu dürfen, ohne gleich zu hören, dass das nicht finanzierbar ist oder eh nicht geht.“

Alfred Kaufmann, Leiter der Konstanzer Sozial- und Jugendamts, ist begeistert von der Kreativität der Vorschläge. „Wir haben hier einen gewaltigen Steinbruch an konstruktiven Ideen. Ich habe mir einige auf einen Zettel geschrieben, die können wir schnell umsetzen, weil sie nicht an Geld gebunden sind“, sagt er.
„Anderes können wir nicht sofort oder allein lösen, aber wir möchten aus dem Krisenmodus herauskommen. Die Einrichtungen sollen nicht mehr morgens um halb acht überlegen müssen, wie sie diesen Tag nun wieder bewältigen.“
Sorge um das Kindeswohl
Vor einem der Plakate steht Bastian Remkes, Trägervertreter der evangelischen Kirche. Was nimmt er vom Zukunftstag mit? Remkes atmet erstmal tief durch. „Die vielen Eindrücke und die vielfältigen Aufgaben, die sich daraus ergeben, überrollen mich gerade“, sagt er und ergänzt: „Ich habe zum Thema alternative Betreuungsformen einige Vorschläge entdeckt, die für mich mit dem Kindeswohl kollidieren.“

Auch in vielen anderen Äußerungen wird klar: Besonders schwer wird der Spagat zwischen Quantität und Qualität. Es braucht viel mehr Kitaplätze und viel mehr Personal. Da es an Fachkräften mangelt, lautet ein Vorschlag, Eltern, Großeltern, Firmen oder Vereine als Unterstützung einzubinden – aber es schwingt die Sorge mit, dass die Kinder dann mehr betreut als gebildet werden. Auf einem Plakat notierte aber jemand die Gegenfrage: „Muss Kita perfekt sein?“
Heike Kempe vom Vorstand des Konstanzer Kita-Gesamtelternbeirats (GEB) findet es „extrem gewinnbringend, dass alle an einem Strang ziehen und niemand Lösungen sucht, die nur auf dem Rücken der Fachkräfte oder der Eltern ausgetragen werden“. Wichtig sei nur, dass jetzt nicht alles versandet.

Auch Ansgar Schäfer, Elternbeirat im Seezeit-Kinderhaus, betont: „Wir als Eltern haben eine eigene Verantwortung, uns zu überlegen, was wir konkret vor Ort umsetzen.“
Denn die große Frage, die am Ende des Tages über allem schwebt, lautet: Bleibt es bei schönen Worten oder werden gute Ideen auch wirklich realisiert? Alfred Kaufmann weiß um die Verantwortung seines Teams: „Wir müssen dranbleiben und bilden dazu Projektgruppen. Wenn das Potenzial dieses Tages versickert, zerstören wir mehr, als dass wir was gewinnen.“

Nach so viel Theorie wird es am Ende emotional. Emil Zech, Leiter des Kinderhauses Paradies, ruft ins Mikrofon: „Das war ein nettes Klassentreffen, aber wir haben ein hochpolitisches Thema, das auch in den Gemeinderat muss. Wir brauchen die gesellschaftliche Übereinkunft, dass frühkindliche Bildung wichtig ist. Unser Beruf wird nicht attraktiver, wenn man die Rahmenbedingungen immer weiter verschlechtert.“ Applaus.

Beifall gibt es auch für Marie Aziakonou, Leiterin des Kinderhauses St. Suso. Sie appelliert: „Wir an der Basis tun schon, was wir können, aber jetzt muss die Politik aufwachen, sonst können wir nicht mehr.“