Der Abschied von der aktiven Bühne fällt ihm nicht schwer. Doch der aktiven Bühne wird es irgendwann schwer fallen, ohne ihn auszukommen.

"Etz solltet emol de Jüngere ran derfe und sich bweise", sagt Kurtle Köberlin und lächelt verschmitzt. "I werd aber scho no gucke, dasses au richtig machet."

Natürlich hat er auch bei diesen Worten den Schalk im Nacken. Natürlich meint er das nicht so, wie er es gesagt hat.

Richtig und falsch gibt es für den großen Mann der Konschtanzer Fasnacht in dieser Hinsicht nämlich nicht – nur anders. "Des is de gröscht Fehler, we ma sage dät: Früher war alles besser. Wares nämlich it."

Kurt Köberlin möchte die närrischen Tage bis Aschermittwoch in diesem Jahr besonders genießen, "danach isch nämlich tutti", wie er es in seiner eigenen Art ausdrückt.

Beim Spechessen vor wenigen Jahren mit Rudolf Schucker, früher Fanfarenzug der Niederburg.
Beim Spechessen vor wenigen Jahren mit Rudolf Schucker, früher Fanfarenzug der Niederburg. | Bild: Oliver Hanser

Am Mittwoch moderierte er zum letzten Mal den Butzenlauf, 35 Jahre stand er am Mikrofon und begeisterte die Mäschgerle mit seinem Wortwitz und seiner Schlagfertigkeit.

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Auch beim Speckessen wird er noch einmal mithelfen. Doch dann sollen auch die letzen Aktivitäten zur Ruhe kommen. Die Organisation des großen Umzuges am Sonntag hat er nach 28 Jahren bereits abgegeben.

Kurtle Köberlin neben Andreas Kaltenbach beim letzten Einsatz am Mikrofon während des Butzenlaufs. Er wirkte dort 35 Jahre lang als ...
Kurtle Köberlin neben Andreas Kaltenbach beim letzten Einsatz am Mikrofon während des Butzenlaufs. Er wirkte dort 35 Jahre lang als Moderator. | Bild: Claudia Rindt

Am Schmotzigen auf die Gass': Was könnte es Schöneres geben?

Ab 2020 möchte er mit seiner Frau Monika die Fasnacht als genießender Gast mit gewissem Abstand beobachten, Enkelin Lena an die Hand nehmen und sie in die Geheimnisse der fünften Jahreszeit einführen. Auch am Schmotzigen Dunschtig in diesem Jahr war er mit der Tochter seines Sohnes auf die Gass'. "Wa konn's Schöneres gäbe?", fragt er und liefert damit die Antwort gleich selbst mit.

Ein Kind der Niederburg

Kurtle Köberlin verkörpert die Konstanzer Seele wie kaum ein anderer. Wer in der Tulengasse geboren und aufgewachsen ist, trägt den Geist der Niederburg in sich und hat fasnächtliches Blut in seinen Adern. Vater Wilhelm hat ihn früh infiziert. 1957 wurde er Klepperle.

Kurtle mit seinem Vater Wilhelm Anfang der 50er Jahre. Wilhelm war Kanzleirat der Niederbürgler.
Kurtle mit seinem Vater Wilhelm Anfang der 50er Jahre. Wilhelm war Kanzleirat der Niederbürgler. | Bild: privat/Oliver Hanser

"Da wurdsch ja damols reglrecht zu vergattert", sagt er. "Aber da hot's ja auch schulfrei gebbe, damit mer hond übe könne. Und d'Note warred besser, wenn ma dabei waret."

Die Karriere war früh vorgezeichnet, da die Liebe zur Fasnacht mit jeder Saison inniger wurde. So zog er als Dreikäsehoch mit der Drehorgel durch die Gassen der Niederburg und sammelte für den Kinderball im St. Johann am Fasnachtsmontag.

"Und bei de Erika ihrer Weinstub hond mehr für 50 Pfennig a Weckle mit Senf druf gesse und an süaße Sprudl trunke", erinnert sich Kurtle Köberlin an seine närrischen Anfangszeit. Die örtlichen Lädele spendeten fleißig: Der Metzger 30 Paar Wienerle, der Bäcker 20 Bretzele, die Molkerei eimerweise Schlagsahne für die Waffeln und der Gemischtwarenhändler ein paar Kilo Gutzele.

"Mer hond scho a schöne Zeit ket", sagt s'Kurtle im Rückspiegel.

"Überhaupt muss i soge: Die Fasnacht hot mir viele schöne Stund bschert." Stolz ist er heute noch, dass er in seinem letzten Jahr an der Stephansschule zum Hemdglonkerkönig ernennt wurde.

Mit 14 Jahren wechselte er zum Fanfarenzug der Kamelia Paradies – wo er seither Mitglied ist. 1970 übernahm er das Amt des Narrenrats – für 42 Jahre. "Des langet auch", sagt Kurtle Köberlin lächelnd.

Kurtle Köberlin (links) mit Konrad Schatz, dem er nach seinen Worten "sehr viel zu verdanken hat".
Kurtle Köberlin (links) mit Konrad Schatz, dem er nach seinen Worten "sehr viel zu verdanken hat". | Bild: privat/Oliver Hanser

Seit mittlerweile 50 Jahren ist er der letzte aktive Narrenrat in der Vereinigung Konstanzer Narrengesellschaften, der die Seehasen, die Niederburg, die Kameler, die Elefanten sowie die Schneckenbürgler angehören. Kein Wunder, dass er Mitglieder dieser Vereinigungen als seine fasnächtlichen Ziehväter nennt: Walter Fröhlich – de Wafrö, Karl Steuer, Paul Bischof, Helmut Fasnacht, Karle Maurer, Peter Maier, Alfred Heizmann, Norbert Heizmann und Hans-Joachim Pfeffer.

Drei der Ziehväter des Kurtle Köberlin: Karle Maurer (von links), Alfred Heizmann und Walter Fröhlich, de Wafrö.
Drei der Ziehväter des Kurtle Köberlin: Karle Maurer (von links), Alfred Heizmann und Walter Fröhlich, de Wafrö. | Bild: privat/Oliver Hanser

Dem Letztgenannten hat er noch mehr zu verdanken als gelegentliche närrische Unterstützung. Kurtle Köberlin war 23 Jahre beim Papiergroßhandel der Gebrüder Hans-Joachim und Volkmar Pfeffer als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. "De Jokele hot als Präsident der Seehase immer Verständnis ket, wann i an de Fasnacht mol später kumme bin oder hon frei habe müsse", erzählt s'Kurtle lachend. "De Jokkele und i hond öfter emol morgens um fünf Uhr des Konzil abgschlosse."

Er geht regelmäßig zum Dipfele-Stammtisch und trifft hier alte Weggefährten wie Jokkele Pfeffer, Uli Blum, Konrad Schatz, Joachim Graf oder den 92-jährigen Paul Bischof. "Des sind alles wandelnde Konschtanzer Gschichtsbücher", sagt er. "Echte Urgesteine."

In diese Riege passt er perfekt hinein, der Kurtle.