Wer im Jahr 1971 geahnt hätte, was die Eingemeindung des Dorfes Litzelstetten zur Stadt Konstanz für fatale Folgen haben würde, der hätte entweder Hals über Kopf die Region verlassen – oder eben jene Eingemeindung auf Teufel komm raus verhindert. Heute, mehr als 50 Jahre später, müssen die Bewohner von Litzelstetten nämlich dafür zahlen, was ihre Vorfahren angerichtet haben.
Im Zuge des damaligen Prozesses wurden Wegelagerer, Herumlungerer, Tunichtgute und Tagediebe mithilfe der mutigen Menschen aus Konstanz aus dem Dorf verbannt – mehr noch: Sie wurden an Ketten gelegt, auf den Purren geschleppt und dort an Bäume gekettet. Der unerbittliche Bannstrahl traf sie mit voller Härte.
Doch nun hat sich der Wind gedreht. Die ausgemergelten Gestalten haben ihre Ketten gesprengt und möchten sich als Purrengeister an den Menschen unten im Dorf rächen. In den frühen Morgenstunden des Schmotzigen Dunschtig, 27. Februar, werden sie jeden Bürger aus dem Schlaf reißen – mit allerlei Krach, ohrenbetäubendem Gekreische und wüsten Rufen. Das machen sie an der Seite der alteingesessenen Narrenzunft Kuckuck, die bereits 1952 im damaligen Gasthaus Krone in der Ortsmitte gegründet wurde.
2022 kamen die Freunde auf diese Idee
So viel zur Legende – in der Realität stecken in den Kostümen und hinter den Masken zumeist junge Litzelstetter, die eine Alternative zum Kuckuck darstellen, „ohne aber eine Konkurrenz sein zu wollen, wir sind Freunde des Kuckuck. Doch die Purrengeister sind etwas ganz Anderes, etwas ganz Neues“, wie Niki Seger erklärt.
Die Idee dazu ist bereits ein paar Jahre alt: Als 2022 die Fasnacht aufgrund von Corona nur eingeschränkt gefeiert werden konnte, trafen sich sechs Freunde auf dem Purren. Dabei wurde die Idee geboren, etwas Eigenes erschaffen zu wollen – eine Fasnachtsfigur, die es so im Dorf noch nicht gab.

„Wir wollen an der Fasnacht Spaß haben“
Niki Seger und seine Schwägerin Anke Benz kristallisierten sich schnell aus Organisatoren heraus, sie nahmen das Geschehen in die Hand – und schon war die Idee der Purrengeister geschaffen. Benz‘ Oma übernahm das Schneidern der Kostüme, die berühmte Holzbildhauerei Stiegeler aus dem Schwarzwald erschuf die Masken – heute zählt der eingetragene Verein 15 Mitglieder, Tendenz steigend. Einen eigenen Fasnachtsruf haben die Purrengeister auch – und der soll den Litzelstettern das Fürchten lehren.
Im Dorf haben sich die Purrengeister bereits vorgestellt: Am bunten Abend der Kuckuck erhielten sie viel Applaus, in der Grundschule sowie in den Kindergärten sorgten sie zwar zunächst für erschrockene, doch später, als die Masken fielen, auch für erfreute Gesichter. „Das Feedback war durchwegs positiv“, erzählt Anke Benz. „Wir wollen wie alle anderen auch an der Fasnacht Spaß haben und für gute Laune sorgen. Mal sehen, wo uns der Weg hinführt.“
An Aschermittwoch, so viel steht bereits fest, verschwinden die Purrengeister wieder. Bis sie am 6. Januar 2026 wieder auferstehen und für allerlei Schabernack im Dorf sorgen.