Zwischen Jubel und sorgenvollen Zweifeln changierte die Stimmung im Technischen und Umweltausschuss (TUA). Warum es ging? Um den Lärmaktionsplan Stufe 3. Ein sperriger Begriff, der konkret bedeutet: Wenn die bisher vorliegenden Planungen umgesetzt werden, gibt es bald nur noch sehr wenige Strecken in Konstanz, auf denen mit mehr als 30 Kilometern pro Stunde gefahren werden darf. Dies hätte aber auch negative Folgen, wie Feuerwehrkommandant Bernd Roth deutlich macht.

Fast flächendeckend Tempo 30

Die Stadt ist aufgrund EU-Richtlinie gehalten, Lärmaktionspläne zu erstellen. Über diese Pflichtkartierung hinaus, hat die Stadtverwaltung zusätzliche Straßen berücksichtigt. Das Ziel sei, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts möglichst flächendeckend auf Tempo 30 zu begrenzen, erläutert Sebastian Nadj vom Amt für Stadtplanung und Umwelt (ASU). Das Straßenverkehrsrecht setzte dem allerdings bislang enge Grenzen. Aber: „Der Lärmaktionsplan ist das Vehikel“, Tempo 30 auszuweiten, so Nadj.

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„Endlich, endlich, endlich wird umgesetzt“, jubelt Anne Mühlhäußer (FGL). Viele Bürger sehnten das Tempolimit herbei, da ihre Gesundheit unter dem Lärm litte, schildert sie. Mit Tempo 30 gebe es weniger Abrieb, weniger Feinstaub und es sei „ein Teil unserer großen Klimaschutzstrategie“, so Mühlhäußer.

Mühlhäußer wünscht sich allerdings, dass es keinen Flickenteppich mehr gebe, der die Verkehrsteilnehmer nur verwirre; dann würde Konstanz eine „entschleunigte, lärmärmere Stadt“.

„Endlich! Es gibt viele Bürger, die Tempo 30 herbeisehnen“, sagt Anne Mühlhäußer (FGL).
„Endlich! Es gibt viele Bürger, die Tempo 30 herbeisehnen“, sagt Anne Mühlhäußer (FGL). | Bild: Hanser, Oliver | SK-Archiv

„Wir freuen uns auf die dritte Stufe“, bekennt Verena Vögt (Junges Forum). Sie bedauerte jedoch, dass es keine Grundlage gebe, für die Schwaketenstraße Tempo 30 auszuweisen.

Es gibt auch Bedenken

Eine Entlastung von Verkehrslärm für die Anwohner ist wünschenswert, finden auch andere Stadträte. Aber es gibt Bedenken, was die Folgen insbesondere für die Leistungsfähigkeit der Blaulichtorganisationen und Busbetriebe anbelangt. „Ich habe mich sehr geärgert“, sagt Achim Schächtle (FDP) rundheraus.

„Busse können dann die Umlaufzeiten nicht halten. Es bräuchte dann mehr Busse und Fahrer“, merkt Achim Schächtle (FDP) an.
„Busse können dann die Umlaufzeiten nicht halten. Es bräuchte dann mehr Busse und Fahrer“, merkt Achim Schächtle (FDP) an. | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

Statt Lärmaktionsplan „hätte man flächendeckend Tempo 30 titeln können“. Die Geschwindigkeitsreduzierung auf Hauptverkehrsachsen ist für ihn ebenso unvorstellbar wie für Christian Kossmehl (Freie Wähler) und Heinrich Fuchs (CDU), der „Schluckbeschwerden hat“, wenn er die Stellungnahmen von Polizei und Feuerwehr lese.

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Folgen für Busse und Blaulichtorganisationen

Schächtle und Alfred Reichle (SPD) weisen darauf hin, dass auch die Busbetriebe der Stadtwerke sich negativ äußerten, denn verlängerte Fahrzeiten wären die Folge. Umläufe könnten somit nicht mehr gehalten werden. „Es bräuchte dann mehr Busse und Fahrer“, meint Achim Schächtle.

„Wir müssen uns über die Folgen unterhalten“, findet Heinrich Fuchs, der die Hilfs- und Rettungsorganisationen ins Spiel bringt, die Hilfsfristen einzuhalten hätten. Schließlich dürften die Rettungskräfte auch mit Sondersignal nicht zu sehr die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit übertreten, meint Christian Kossmehl.

„Für die Hauptverkehrsachsen sehe ich Tempo 30 nicht, denn das hat Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Hilfs- und ...
„Für die Hauptverkehrsachsen sehe ich Tempo 30 nicht, denn das hat Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Hilfs- und Rettungsorganisationen“, so Christian Kossmehl (Freie Wähler). | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

Das sieht Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn gelassen. Wenn die Hilfsfristen nicht eingehalten würden, dann könne die Feuerwehr sagen, sie hätte ihre Bedenken geäußert. Und Stefan Fischer vom ASU meint, sie „dürfen so schnell fahren, wie es sich der Fahrer zutraut“.

Mit Sondersignal ist nicht alles erlaubt

Dem tritt Feuerwehr-Kommandant Bernd Roth entschieden entgegen. In der Straßenverkehrsordnung stehe nicht, dass mit Sondersignal beliebig schnell gefahren werden dürfe. Im Gegenteil: Auch dann gelte die Sorgfaltspflicht; niemand dürfe geschädigt, belästigt oder behindert werden.

Komme es bei einer Alarmfahrt zu einem Unfall, trage der Fahrer auf jeden Fall eine Mitschuld. Klar stellt er auch: „Sonderrechte dürfen nur wahrgenommen werden, wenn Sondersignal und Martinshorn eingeschaltet sind“, sonst sei der Fahrer im Falle eines Unfalls zu 100 Prozent schuld. Deshalb blieben die Sondersignale vom Verlassen der Wache bis zur Ankunft angeschaltet.

„Die Hilfsfristen können nicht eingehalten werden. Unser Radius würde sich um die Hälfte reduzieren. Wir bräuchten eine zweite ...
„Die Hilfsfristen können nicht eingehalten werden. Unser Radius würde sich um die Hälfte reduzieren. Wir bräuchten eine zweite hauptamtliche Wache“, schildert Feuerwehr-Kommandant Bernd Roth. | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

Hilfsfristen können nicht eingehalten werden

„Wir wollen den Lärmaktionsplan nicht verhindern, aber er hat Auswirkungen auf die Hilfsorganisationen, Polizei und Feuerwehr“, stellt Roth nochmals fest. Um die Hilfsfristen auch dann noch einhalten zu können, „wird sich der Radius um die Hälfte reduzieren“, stellt Roth klar.

Dann bräuchte die Feuerwehr mehr Personal, mehr Wagen und eine zweite hauptamtliche Wache. Zum einen seien die ehrenamtlichen Feuerwehrleute tagsüber oftmals nicht in ausreichender Zahl da, um ausrücken zum können. Zum anderen müssten sie erst einmal zum Gerätehaus fahren; bei dieser Fahrt gebe es keinerlei Sonderrechte.

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Was die Feuerwehr zur Erfüllung ihrer Pflicht benötige, wenn noch mehr Tempo 30 auf Hauptachsen eingeführt werde, „wird sich im Feuerwehrbedarfsplan widerspiegeln“, stellt Bernd Roth fest. Dieser werde gerade neu erstellt. „Der Gemeinderat wird über das Sicherheitsniveau der Bürger entscheiden“, merkt Roth an.

„Wenn wir wissen, dass Rettungszeiten verunmöglicht werden, wäre der Schaden, wenn jemand zu Tode kommt, ungleich höher“, mahnt Achim Schächtle. „Noch ist nicht erwiesen, dass sie nicht eingehalten werden können“, erwidert Langensteiner-Schönborn. Der Fahrer könne auch 60 Stundenkilometer fahren. „Es ist immer eine Risikoabwägung“, so der Baubürgermeister.