
Fast 5000 leerstehende Wohnungen im Kreis, davon mehr als 1000 in der Stadt Konstanz — das ist das Ergebnis des Zensus 2022. Bei der sogenannten „Gebäude- und Wohnungszählung“ mussten alle Vermieter der Republik Auskunft zum Status ihrer Wohnungen geben.
Stichtag der Erhebnung ist der 15. Mai 2022. Das ist mehr als zwei Jahre her. Laut Experten wie Winfried Kropp, Vorsitzender des Mieterschutzbundes Bodensee, hat sich die Lage seither aber nicht wesentlich verändert. Dabei ist der Leerstand in der Stadt Konstanz noch vergleichsweise klein. Eigentlich sogar zu klein.
Hat Konstanz wirklich ein Problem mit Leerstand?
2,3 Prozent — in ganz Baden-Württemberg gibt es nur neun Gemeinden, in denen im Vergleich weniger Wohnungen leerstehen als in Konstanz. Diese Orte hören auf Namen wie Wittau, Reute oder Mahlberg und haben meist weniger als 2000 Einwohner. Wo ist also das Problem, dass in der Konzilstadt jede 43. Wohnung leersteht?
Die niedrige Quote sei ein Indikator, „wie katatstrophal die Wohnungssituation in unserer Stadt ist“, sagt Winfried Kropp. Als Vorsitzender des Mieterschutzbundes vertritt er die Interessen der Mieter. Es klingt paradox, aber Städte wie Konstanz mit ihrer Wohnungsnot und damit einhergehenden überteuerten Mietpreisen brauchen eigentlich mehr Leerstand als sie haben. Kropp nennt das „Fluktuationsreserve“. Gemeint sind damit vor allem Wohnungen, die kurzzeitig leerstehen und bezugsbereit sind.
Es stehen nicht genug Wohnungen leer
Dahinter steckt der Umstand, dass Menschen umziehen. Solche Wohnungswechsel sind die beste Gelegenheit, um Schönheitsreparaturen zu erledigen oder Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen. Stehen zu wenige Wohnungen frei, stoße ein lückenloser Übergang von einer Wohnung in die nächste „auf erhebliche praktische Schwierigkeiten“, sagt Kropp.
In Konstanz sind solche Probleme an der Tagesordnung: Menschen wollen umziehen, weil sich ihre Lebenssituation ändert. Sie können aber nicht, weil sie entweder überhaupt keine Wohnung finden oder nur solche, die sie sich nicht leisten können.
Matthias Günther, Vorsitzender des Pestel-Instituts, das sich der Wohnungsmarktanalyse verschrieben hat, stimmt zu: „Rund drei Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können.“
Es stehen die falschen Wohnungen leer
Auf den Kreis bezogen liegt die Leerstandsquote bei 3,2 Prozent und damit über der notwendigen Fluktuationsreserve. Allerdings schwankt sie stark von Gemeinde zu Gemeinde. In der Exklave Büsingen steht jede 15. Wohnung frei. In Aach oder Gailingen jede Zwanzigste.
In diesen Gemeinden ist „die Wohnungsnachfrage vergleichsweise geringer ist als in Konstanz oder Singen“, sagt Winfried Kropp: „Das heißt: Es stehen viele Wohnungen leer, aber nicht in den Orten, in denen sie gebraucht werden.“
Neubau ist nötig
Die Wohnungsnot in Konstanz ist akut. Insofern sieht Kropp trotz nötiger Fluktuationsreserve keine andere Möglichkeit, als weiter gegen den Leerstand vorzugehen: „Jede leerstehende Wohnung, in die neues Leben einzieht, lindert die Wohnungsnot im Kreis, vor allem in den Brennpunkten.“
Selbst wenn alle Wohnungen der Stadt bewohnt wären, wären die Probleme aber nicht gelöst. Insbesondere Menschen mit mittleren und niedrigeren Einkommen bräuchten Neubauten, meint Kropp: „Kommunales Engeagement für sozialen Wohnungsbau bleibt daher unersetzlich.“ Und könnte vielleicht auch die Fluktuationsreserve auf drei Prozent heben.