Der 7. Oktober hat die Welt erschüttert und bis zum jetzigen Zeitpunkt nachhaltig verändert: An diesem Tag drangen Kämpfer der Terrormiliz Hamas nach Israel ein, töteten wahllos Zivilisten und entführten 240 Personen aus Kibbuzim, von einem Musik-Festival, von der Straße, um sie nach Gaza zu verschleppen und dort festzuhalten.
Wochen später erreicht ein Nachhall des seither heftig entbrannten Konflikts zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen auch Konstanz: Am Radweg, der an der Seehas-Linie entlang aus Konstanz-Petershausen Richtung Wollmatingen verläuft, lenken Plakate im DIN-A4-Format etwa an jedem dritten Laternenpfahl den Blick der Radfahrer auf sich.
Flugblätter, in Klarsichthülle gehüllt, zeichnen steckbriefartig das Schicksal der israelischen Geiseln, die am 7. Oktober von der Hamas entführt wurden, nach. Als Urheber der Aktion ist #kidnappedfromIsrael zu finden, dazu ein QR-Code und ein Foto der jeweiligen vermissten Geisel, Name, Staatsangehörigkeit und Alter. Was hat es damit auf sich?
Konstanzer Synagogengemeinde hat damit nichts zu tun
Eine Nachfrage bei der Synagogengemeinde Konstanz bringt wenig Konkretes zutage: Die Flugblätter habe er bislang noch nicht gesehen, sagt Gabriel Albilia, stellvertretender Vorsitzender der Synagogengemeinde, auf Nachfrage des SÜDKURIER. „Ich finde eine solche Aktion eigentlich gut. Aber wir haben nichts damit zu tun. Nicht, dass ich wüsste.“
Auch Ruth Frenk, Vertreterin der liberalen jüdischen Gemeinde in Konstanz, die als Verein organisiert ist, weiß von nichts. Aber auch sie reagiert positiv auf die Aktion, die Unbekannte angestoßen haben. „Das ist ja eigentlich schön, dass uns jemand mal unterstützt.“

Insofern bleibt vorerst unklar, wer die Plakate in Konstanz aufgehängt hat. Die Flugblätter sind Teil einer globalen Aktion, die die beiden israelischen Künstler Nitzan Minz und Dede Bandaid in New York bereits am 8. Oktober 2023 ins Leben gerufen haben, wie der Schweizer Tagesanzeiger berichtet. Als sie von ihren Eltern hörten, was in Israel geschehen war, wollten sie nicht hilflos ihrem Alltag in den USA nachgehen, Tausende Kilometer vom Horror in ihrer Heimat entfernt.
Als Künstler griffen sie die Idee der Vermisstenanzeige auf, sprachen in den Folgetagen mit Hunderten Angehörigen und entwarfen die jetzt überall verbreiteten Flugblätter. Zu Beginn platzierten sie sie lediglich in New York und versahen sie mit dem Hashtag. In kürzester Zeit wurde die Aktion über alle sozialen Medien geteilt, verbreitete sich in den USA, kam nach Europa, wo die Vermisstenanzeigen nun auch in deutschen Städten zu finden sind.
Seit wenigen Tagen flankieren sie nun also den Radweg an der Bahnlinie in Konstanz. Abzuwarten bleibt, ob sie unbehelligt bleiben, in vielen Städten wurden Flugblätter dieser Art abgerissen und wieder neu aufgehängt.
Stadt Konstanz startet Kampagne gegen Antisemitismus
Gleichzeitig arbeitet die Stadt Konstanz weiterhin an ihrer eigenen Strategie, mit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel und dessen Folgen umzugehen. In einer Pressemitteilung erläutert die Stadtverwaltung, warum sie vom Hissen einer Israel-Flagge absieht. Oberbürgermeister Uli Burchardt sehe dies aktuell „als kein geeignetes Zeichen an“.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung: „Wir sind kein Staat, wir sind eine Stadtverwaltung.“ Statt eine Flagge aufzuziehen, habe sich die Konstanzer Verwaltung der Erklärung des deutschen Städtetags angeschlossen, die ihre Solidarität mit Israel und allen Jüdinnen und Juden in Deutschland ausdrücke. Mit dieser Haltung reihe man sich in das Vorgehen vieler deutscher Städte ein. Gelebte Solidarität sei keine Frage einer gehissten Flagge.
Stattdessen will die Stadtverwaltung nun eine Kampagne gegen Antisemitismus starten. Es gelte zu verhindern, dass unterschiedliche Sichtweisen zum Nahostkonflikt die Konstanzer Gesellschaft spalteten, wird Uli Burchardt in der Presseinformation zitiert.
In den kommenden Tage will die Stadtverwaltung eine Social-Media-Kampagne starten, wie Pressesprecherin Anja Fuchs auf Anfrage ankündigt. Die Kampagne werde im Moment noch abgestimmt, unter anderem mit der jüdischen Gemeinde. Alle Konstanzer seien jedoch sehr bald eingeladen, sich daran zu beteiligen, auch die Konstanzer Unternehmen und Institutionen.