Für Katzenhalter ist es der Albtraum: Wenn der geliebte Freigänger eines Tages nicht mehr auftaucht. Rund um Fürstenberg, im Postleitzahlengebiet 78467, wurden laut der Tiersuchorganisation Tasso von Dezember bis Ende März zwölf Katzen als vermisst gemeldet. Ihre Besitzerinnen sind verzweifelt – eine davon ist Diana Schiepp. Ihr Kater Mutzi verschwand am 21. Dezember 2022.
Gegen 22 Uhr ließ sie ihren getigerten Kater Mutzi in der Magdeburger Straße nach draußen. Dass es das vorerst letzte Mal sein würde, ahnte sie nicht. „Ich hatte ihn auf die Hundepfeife trainiert, wenn ich damit pfiff, kam er sofort an.“ Diesmal nicht.
Eine halbe Stunde nach dem Pfiff, sagt die Konstanzerin im Gespräch mit SÜDKURIER, wusste sie: Da muss was passiert sein. Seither sucht sie Mutzi. An Bäumen und Masten rund um Mutzis Revier in Petershausen und dem Berchengebiet flattern Suchmeldungen. Über 200 sind es, sagt sie.
Jeden Tag scrollt sie sich durch die Meldungen aus über 30 Facebook-Gruppen, die sich mit verschwundenen Katzen und Hunden befassen. In jeder ist der Suchaufruf nach Mutzi veröffentlicht. So stößt auch Petra Herrmann auf die Meldung. „Als ich das las, war ich geschockt. Ich kenne Mutzi, er strich mir jeden Tag auf dem Weg zum Seehas um die Beine“, sagt sie.
Diana Schiepp und Petra Herrmann beginnen, sich auszutauschen und ein schlimmer Verdacht wächst und wächst: Könnte ein Katzenfänger dahinterstecken?

Petra Herrmann berichtet so von einer Beobachtung an einem Morgen im Januar vor einem Jahr: Wie jeden Wochentag stieg sie am Bahnhof Petershausen in den Seehas, 4.43 Uhr, um nach Singen zu fahren, wo sie als Werkzeugmechanikerin arbeitet.
„Er behandelte die Katzen wie Gegenstände“
Die Konstanzerin liebt Katzen, sie grüßt jedes Tierchen, das ihr auf ihren Wegen durch Konstanz begegnet. Zum Beispiel Kater Mutzi, den sieht sie fast jeden Tag auf dem Weg zum Seehas. Klar, dass ihr die zwei getigerten Katzen, die in einem Korb um den Arm eines Fahrgasts hingen, sofort auffielen.
Nur: „Der Mann behandelte sie wie Gegenstände, er warf den Korb achtlos auf den Sitz, da lag auch keine Decke drin, kein Spielzeug, Leckerli oder sonst was, das man erwarten würde. Außerdem wirkte er nervös.“ Von da an sei sie ihm mehrfach begegnet, immer mit anderen Katzen, die meisten davon graugetigert, einige auch rot.
Unbekannter soll vor vier Wochen gesichtet worden sein
„Ich habe ihn zuletzt vor vier Wochen gesehen“, sagt die Werkzeugmechanikerin. Die Katzenhilfe Radolfzell, bei der sie sich wegen dem Unbekannten gemeldet hatte, gab ihr den Tipp, alles zu notieren. „Ich wollte ihn auch fotografieren, doch er bemerkte es, und ist sofort ausgestiegen.“
Könnte Mutzi eines der Tiere sein, die sich im Korb des Mannes befanden? Diana Schiepp hält das für möglich: „Er hat funktioniert wie ein Uhrwerk, er kam immer, wenn ich pfiff. Ich bin sicher, dass ihm etwas zugestoßen ist, er entführt wurde.“ Treibt ein Katzenfänger in Konstanz sein Unwesen? Mit dem Ziel, ihr Fell zu Geld zu machen?
Diana Schiepp erinnerte sich an einen Artikel im SÜDKURIER 2019: Da gab es die Vermutung schon einmal, als die bekannte Allensbacher Schriftstellerin Gaby Hauptmann nach Kater Purzel suchte. Im gleichen Zeitraum sollen in Allensbach mehrere Tiere abhandengekommen sein. Die grau-getigertes Fell hatten – wie der vermisste Purzel. „Das war sehr auffällig, ich hatte das Gefühl, da ist jemand auf das Fell scharf“, sagt die Schriftstellerin heute. Ihr Kater ist immer noch verschwunden.
Was ist dran an solchen Geschichten?
Allerdings sind Produkte aus Katzenfell seit 2008 in Europa verboten. Herstellung und Handel sind illegal. Vereinzelt werden Verstöße bekannt. Auch in oder um Konstanz? Ein Anruf bei der Polizei: „Hier ist nichts bekannt, es klingt auch eher unwahrscheinlich und spricht gegen den gesunden Menschenverstand“, meint Katrin Rosenthal vom Polizeipräsidium Konstanz.
Auch Vincent Weschenfelder vom Konstanzer Tierschutzheim hat nichts von Katzenfängern gehört. „Ich erinnere mich nicht, dass jemals in der Gegend Katzenfänger unterwegs waren“, sagt er. „Nur einmal habe ich mitbekommen, dass eine Katze entführt wurde, am Ende war es ein frustrierter älterer Herr, der sie für sich haben wollte. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass ein Katzenhasser dahinter steckt als jemand mit finanziellen Interessen.“
Manche Katzen finden nicht mehr nach Hause
Sonja Slezacek von der Tiersuchorganisation Tasso, bei der auch Kater Mutzi mit seiner Chipnummer gemeldet ist, sagt: „Katzen sind oft irgendwo eingesperrt, in Nachbars Garage zum Beispiel.“ Manche schlüpften unbemerkt in Autos oder Laster und fänden nicht mehr nach Hause. Als sie jedoch von Petra Herrmanns Beobachtung hört, der Mann im Seehas, wird sie hellhörig. „Das ist ungewöhnlich und auffällig. Sie sollte auf jeden Fall zur Polizei gehen“, empfiehlt sie.
Via Facebook stößt Diana Schiepp, Mutzis Besitzerin, auf Katzen-Vermisstenfälle ganz in der Nähe. Da wäre Bettina Hallas schwarze Katze Lola, die im selben Revier wie Mutzi lebte. Lola wurde seit dem frühen Morgen des 6. Dezembers nicht mehr gesehen. Ihre Besitzerin erzählt: „Lola war sehr anhänglich, sie ist keine Katze, die mal einen Tag oder zwei verschwunden ist, sie war immer um unser Haus herum. Ich habe nicht mehr viel Hoffnung, sie zu finden.“
Da wäre außerdem Lenny, der grau getigerte Kater von Familie Baumgartner. Sein Revier befindet sich ein paar Kilometer weiter auf dem Hügel in der Kindlebildstraße. Er fehlt seit dem frühen Morgen des 6. Januars. Auch in seiner Nähe befindet sich eine Seehas-Haltestelle.
Verschwinden auffällig Katzen entlang der Seehas-Strecke?
Laut Sonja Slezacek von der Tiersuchorganisation Tasso: Nein. Zwar fehlten zwischen Dezember 2022 und Ende März 2023 im Postleitzahlengebiet 78467 zwölf Katzen – im gleichen Zeitraum im Vorjahr nur neun. „Doch Tasso wächst auch, deshalb gehen bei mir da keine Alarmleuchten an“, sagt sie. Rund um Fürstenberg gelten 65 Katzen als vermisst, 1339 Katzen aus dem Gebiet sind insgesamt bei Tasso registriert.
Sonja Slezaceks Botschaft an die verzweifelten Halterinnen: „Bitte nicht die Hoffnung aufgeben. Es finden immer wieder Katzen teilweise nach Jahren nach Hause.“ Allein rund um Fürstenberg wurden in diesem Jahr von Tasso acht Tiere via Chipnummer zurück vermittelt. Wer sein Tier bei Tasso registrieren lassen will, muss es vorher chippen. „Das haben wir bei Lenny leider verpasst“, sagt Daniela Baumgartner.

Seit fast drei Monaten sucht nun die Familie Baumgartner ihren Kater, fahren jeder Meldung hinterher. „Der schlimmste Moment war, als wir auf der Höri ein totes Tier untersucht haben, das Gesicht war ganz steif, er schien dicker. Bis heute frag ich mich, ob es doch unser Lenny war. Wenn irgendjemand etwas gesehen hat, soll er sich bitte bei uns melden. Wir vermissen Lenny so sehr.“