Die auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschobene Sanierung des Bodensee-Stadions dürfte erst der Anfang sein. Konstanz wird wohl noch viele andere Vorhaben in eine ferne Zukunft verschieben müssen, wenn die Stadt nicht sehenden Auges in den finanziellen Kollaps rennen will.
Denn noch nie in jüngerer Vergangenheit war die finanzielle Lage der Stadt so schlecht wie aktuell. Ein Schuldenstand, der die 100-Millionen-Euro-Grenze erreichen könnte, keinerlei Überschüsse für Investitionen, und die Steuerschraube ist schon bis zum Anschlag angezogen. Das ist die Lage, in der Gemeinderat und Verwaltung nun den Haushalt für 2025 und 2026 aufstellen müssen.
Nach dem Aus für das Stadion könnten weitere unpopuläre Beschlüsse folgen. Ein Beispiel: Schon einmal war das Hallenbad am Seerhein von Schließung bedroht und das Bäder-Defizit hat astronomische Dimensionen erreicht. Der Abschluss des C-Konzepts mit einem teuren Kreisverkehr am Fischmarkt dürfte erneut in die Diskussion kommen. Ebenso wie die Frage, ob es eine städtische Aufgabe ist, ein Tagungs- und Veranstaltungshaus mit über zwei Millionen Euro pro Jahr zu bezuschussen.

Den Erhalt der Werkstattbühne am Theater hatte die Kulturlobby dem Gemeinderat zuletzt abtrotzen können, aber ob das Bekenntnis zur kleinsten der drei Spielstätten hält, ist fraglich. Auch weitere Elemente der Kulturförderung scheinen keineswegs so sicher gesetzt, wie es bisher den Anschein hatte.
Konstanz bietet den Bürgern viel – zu viel?
Bäder, Kultur, Verkehr – die Liste der Grausamkeiten könnte auch länger werden. Denn Konstanz hat sich mit dem, was es den Bürgern bietet, hoffnungslos verhoben. Eine große Kleinstadt macht ihren Bürgerinnen und Bürgern seit Jahren das Angebot einer kleinen Großstadt, ohne dass dafür wirklich die Substanz da wäre. Die Menschen haben es schätzen gelernt und werden versuchen, diese Besitzstände zu verteidigen, das haben alle bisherigen Auseinandersetzungen um Theater- und Sportschüsse oder die kostenlosen Strandbäder gezeigt. Das gehört zur Politik – darf aber nicht dazu führen, dass die Leisen und Sprachlosen, die keine starken Lobbys haben, ignoriert werden.
In vielen Punkten muss die Stadt umsetzen und nicht viel gestalten
So steht der Gemeinderat vor einem Spagat. Denn in vielen Bereichen ist der Einfluss der gewählten Bürgervertreter viel geringer, als die meisten glauben. Allzu oft läuft es nach dem Prinzip „Der Bund oder das Land bestellt, und die Kommunen müssen umsetzen“ – ob bei der Flüchtlingsunterbringung oder der Kinderbetreuung. Dort, wo politische Spielräume bestehen, geht es an die besonders liebgewonnenen Annehmlichkeiten, von der Vereinsförderung bis zur Philharmonie. Doch in einer Stadt, die nachweislich ein massives Ausgabenproblem hat, darf es beim Sparen keine Tabus geben.
Ein Teil der Wahrheit ist, dass Verwaltung und Gemeinderat gleichermaßen mehr Projekte angestoßen haben, als sich überhaupt umsetzen lassen. Der Preis dafür ist nicht nur eine enorme Bugwelle, die sich auch finanziell auswirkt. Sondern auch verlorenes Vertrauen der Bürger, die nicht mehr nachvollziehen können, warum ein Döbele heute noch so aussieht wie vor 20 Jahren, warum noch immer junge Leute statt smarten Schildern den Autoverkehr regeln und warum Eltern erfolgreich das Geld für einen teuren Ausweich-Kitaplatz in der Schweiz einfordern können.
Innerhalb von zwölf Jahren verdoppelt sich der Umsatz
Und das in einer Stadt, deren Umsatz – fachlich korrekt: deren Haushaltsvolumen – sich innerhalb von zwölf Jahren auf über 370 Millionen Euro mehr als verdoppelt hat. Und wo die Verwaltung innerhalb von zehn Jahren über 300 neue Stellen dazubekommen hat, und das sind wahrlich nicht nur Erzieherinnen.
Es sollte zu denken geben, wenn der Finanzchef im Rathaus, Kämmerer Ulrich Schwarz, wörtlich sagt: „Die Ausgaben steigen schneller als die Einnahmen.“ Wenn das in einem Unternehmen geschieht, würde man von Managementversagen sprechen, denn der Weg in die Insolvenz ist in solchen Fällen meist vorgezeichnet.

Dass sich bei Gewerbe- und Einkommensteueranteil in den nächsten Jahren viel bewegt, ist angesichts der Rezession nicht zu erwarten. Und dass Bund oder Land mehr zuschießen, ist auch eher eine vage Hoffnung.
Wie wäre es mit Tabula Rasa? Einfach mal bei Null anfangen?
Vielleicht findet der Gemeinderat den Mut für einen harten Schnitt. Statt jedes irgendwann einmal beschlossene, aber noch nicht begonnene Projekt erneut zu prüfen und jede irgendwann aus gutem Grund eingerichtete Dienstleistung nochmals anzusehen, böte sich vielleicht auch der umgekehrte Weg an: Tabula Rasa. Das würde bedeuten, in vielen Bereichen bei Null anzufangen und nicht zu überlegen, wie man hier und da ein bisschen streichen kann. Sondern zu überlegen, was es unbedingt braucht, und dann auszurechnen, ob wenigstens dafür das Geld reicht.
Klimaschutz ist wichtig – aber wir dürfen den nächsten Generationen nicht nur Schulden hinterlassen
Eine Leitlinie hat dafür Oberbürgermeister Uli Burchardt vorgegeben. Klimaschutz, Wirtschaft, Zusammenhalt der Gesellschaft und Sicherheit sind für ihn die wichtigsten Handlungsfelder (man fragt sich, was davon eigentlich nicht umfasst sein soll). Eine gute Ergänzung wäre noch: Generationengerechtigkeit. Dazu gehört, heute effizient in den Klimaschutz zu investieren, um unseren Kindern und Enkeln die Kosten zu ersparen, die durch Unterlassen entstehen werden. Dazu gehört aber auch, alles nicht im Wortsinn Not-Wendige zu hinterfragen und den nächsten Generationen eine untragbare Schuldenlast zu ersparen.
Für die Haushaltsberatungen sind allen, die sich dieser mühseligen Aufgabe unterziehen, gute Nerven zu wünschen. Dazu können wir alle etwas beitragen – indem wir mit denen, die Verantwortung übernehmen, respektvoll umgehen. Schwere Entscheidungen werden nicht dadurch besser, dass man sie mit schrillen Tönen begleitet.
Realistisch gesehen: Diese Stadt lebt über ihre Verhältnisse
„Politik“, sagte einer der Gründerväter der Bundesrepublik, der legendäre SPD-Politiker Kurt Schumacher , „beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit“. Und die lautet für Konstanz, leider: Diese Stadt lebt über ihre Verhältnisse. Bisher ist sie damit irgendwie durchgekommen. Doch nun sind die fetten Jahre, in denen man mal schnell Smart Green City machen oder eine Berufsfeuerwehr aufbauen oder den Kulturetat beständig erhöhen konnte, endgültig vorbei.