Michael Richter beschäftigt sich seit knapp 40 Jahren mit dem Tod. Er hat ein natürliches Verhältnis zur Vergänglichkeit: Der 56-Jährige ist Bestatter. Sogar als Kind war ihm das Thema, das viele als belastend empfinden, ein alltäglicher Begleiter: Michael Richter besuchte oft den Bestattungsbetrieb seiner Eltern.
Doch im Vergleich zu früher hat sich sein Beruf gewandelt. Denn schon längst wurde die klassische Erdbestattung im Sarg von neuen Arten der Beisetzung abgelöst. „Wir Bestatter sind inzwischen auch Eventmanager“, sagt Richter. „Wir machen alles möglich, was wir können und dürfen.“

Bestattungen im Bodensee gehören allerdings nicht dazu; sie sind sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz verboten. Schließlich ist der See ein großer Trinkwasserspeicher. Doch andere verrückte Ideen wurden durchaus an Michael Richter herangetragen.
Letzte Ruhe in den Bergen, im Wasser oder als Edelstein
„Einmal war eine Zeremonie auf dem Gletscher gewünscht und ich hatte auch schon den Helikopter bestellt, der uns dort hinbringen sollte“, erzählt er. Kurz vorher sagten die Angehörigen aber wieder ab. Doch der 56-Jährige, der auch Beisetzungen in allen Weltmeeren sowie in den Schweizer Bergen anbietet, kann von anderen ungewöhnlichen Bestattungen erzählen.
„Ich habe aber mal organisiert, dass eine dänische Fliegerstaffel bei einer Seebestattung genau dann über dem Boot flog, als die Asche ins Wasser gestreut wurde“, erzählt Richter. „Und derzeit habe ich einen Verstorbenen, der zum Diamanten werden soll.“ Doch am allermeisten nachgefragt würden Urnenbeisetzungen. „Dieser Trend ist ungebrochen“, sagt Michael Richter.

Auch Daniel Hepfer, seit einem Jahr Leiter der Konstanzer Friedhofsverwaltung, bestätigt: „80 Prozent der Menschen möchten in der Urne bestattet werden, nur noch 20 Prozent im Sarg.“ Das hat verschiedene Gründe. „Zum einen wohnen die Angehörigen heute oft nicht vor Ort, sondern in Hamburg, Berlin oder anderswo auf der Welt“, sagt Hepfer. Sie können die Grabpflege nicht übernehmen.
Zum anderen sei der Wunsch nach einem Begräbnis in der Natur größer denn je. So sind auch die Ruhewälder sehr gut nachgefragt – und dort werden nur Urnen beigesetzt. Genau diese Entwicklung führt dazu, dass der Konstanzer Hauptfriedhof eine Veränderung durchgemacht hat. Denn obwohl nur wenige Branchen sich so wenig um Kunden bemühen müssen wie Friedhöfe, ist die klassische Anlage nicht mehr automatisch die erste Wahl.

„Wir haben viele neue Bestattungsmöglichkeiten geschaffen, um attraktiv für die Konstanzer Bevölkerung zu bleiben. Wir möchten, dass sie hier ihre letzte Ruhe findet“, sagt Daniel Hepfer. Besonders hoch im Kurs stünden pflegefreie Angebote.
Eine Möglichkeit sind die sehr beliebten Urnennischen. Bis zu zwei Urnen können hinter einer Steinplatte in der Wand beigesetzt werden. Ein ähnliches Konzept bietet die Urnenwand. Dabei wird die Urne aber nicht in die Wand mit den Namenstafeln gestellt, sondern im Rasenstück davor bestattet.


Naturnah geht auch auf dem Friedhof
Wer die Nähe zur Natur sucht, kann sich ein Grab im Liegesteinfeld aussuchen. Dort werden die Urnen unter großen alten Bäumen beigesetzt – dies ist sowohl auf dem Hauptfriedhof als auch in Dettingen möglich. Naturnah ist auch die Urnengemeinschaftsanlage, dessen Name Birkenhain für sich spricht. Auf dieser Fläche werden Urnen in einer Rasenfläche beigesetzt, die von vielen Birken umgeben ist.


Auch Kunst hat auf dem Friedhof ihren Platz
In den Feldern 19 und 23 des Konstanzer Hauptfriedhofs befindet sich ein schön gestalteter Stelengarten mit einer großen Steinskulptur. Künstlerisch tätig war hier Alexander Gebauer, der auch auf anderen Konstanzer Friedhöfen seine schöpferischen Spuren hinterließ. Im Stelengarten werden die Urnen im Rasen bestattet, auf Steinsäulen stehen die Namen der Verstorbenen.
Eine natürliche und pflegelose Alternative bietet darüber hinaus das Gemeinschaftsfeld mit dem Namen Lebenswege. Die Felder 10 und 12 sind mit geschlungenen Pfaden und schön bepflanzten Flächen angelegt, es gibt keine traditionellen Grabreihen.

Daniel Hepfer und sein Team denken ständig darüber nach, wie sie die Bedürfnisse der Bürger befriedigen können. Für ihn ist der Friedhof aber viel mehr als nur eine letzte Ruhestätte. „Hier begegnen sich auch Menschen, es kommen Jogger und Spaziergänger vorbei, sogar Kindergartengruppen laufen durch die Anlage. Das finde ich toll“, sagt der 37-Jährige.
Menschen planen ihre eigene Beerdigung
So beginnt die Beschäftigung mit der Endlichkeit auf ganz ungezwungene Weise. Ohnehin planen Menschen öfter als früher ihre eigene Beerdigung, sagt Bestatter Michael Richter. „Sie wollen niemandem zur Last fallen, weder organisatorisch noch finanziell. Außerdem möchten die Leute sichergehen, dass im Todesfall wirklich ihre Wünsche umgesetzt werden und die Verwandten nicht doch alles anders planen“, sagt der 56-Jährige schmunzelnd.
Er selbst hat nach so vielen Jahren als Bestatter keine Angst vor dem Tod. „Davor fürchte ich mich absolut nicht. Aber man weiß nie, wie das Sterben abläuft“, ergänzt Michael Richter. „Es ist nicht die Regel, dass man mit 85 Jahren einfach die Augen schließt, wie es sich wohl jeder wünscht.“