Tatjana Jasinski aus Litzelstetten läuft geradewegs auf den Baum zu, den sie gemeinsam mit ihrer Familie für ihre vor wenigen Jahren verstorbene Mutter Waltraud ausgesucht hat: „Eigentlich wollte meine Mutter ihren Baum hier im Ruhewald St. Katharinen mit mir gemeinsam aussuchen, leider ergab es sich nie. So haben wir in der Familie im Nachhinein einen passenden Baum für sie ausgewählt. Er ist klein und eher unscheinbar, genau der hätte ihr sicherlich gefallen“, sagt sie überzeugt.
Und sie erzählt weiter von ihrer rührigen Mutter, die ihr schon lange von der Idee vorgeschwärmt hatte, mitten in der Natur die letzte Ruhestätte zu finden. Doch dann verstarb sie, mit nur 78 Jahren, zu plötzlich. Zum gemeinsamen Besuch in der Waldruh St. Katharinen war es nie gekommen. „Meine Mutter liebte die Natur“, erzählt Tochter Tatjana: „Es war nur selbstverständlich, dass wir für sie einen Baum auf dem Ruhewald-Gelände zwischen Langenrain und Dettingen ausgesucht haben.“
Tatjana Jasinski kommt immer wieder gern hierher und nutzt den Ruhewald für einen Spaziergang mit ihrem Hund. „Wann immer ich eine neue Plakette am Baum sehe, lese ich den Namen“, so Jasinski: „Ich stelle mir dann vor, dass meine Mutter erneut Gesellschaft bekommen hat. Fast wie eine Wohngemeinschaft, die immer wieder neue Leute aufnimmt. Das ist ein schöner Gedanke!“
Viele Menschen wollen zu Lebzeiten alles geregelt haben
Sabine Neufang, Geschäftsführerin der Mainau Ruhewald GmbH, hat ein ähnliches Bild für die Ruhebäume: „Viele der Menschen, die hier bestattet wurden, kannte ich selbst oder die Hinterbliebenen erzählen mir von ihnen“, denkt sie laut. „Würde man alle zu einem Kaffeeplausch einladen, ich bin mir sicher, sie würden sich gut verstehen!“
Niemand kauft sich im Ruhewald für das Urnengrab einfach einen Platz an irgendeinem Baum, ist sie sich sicher. „Jeder findet genau den richtigen Baum für sich, und diese Menschen passen dann irgendwie auch zueinander“, so Neufang.
Sie erinnert sich an eine alte Dame, die ganz gezielt auf einen Baum zuging und diesen ansprach: „Vertragen wir uns?“, wollte sie wissen, die Antwort fiel positiv aus, die Frau kaufte einen Platz an diesem Baum. „Immer mehr Menschen suchen sich zu Lebzeiten aus, wo sie gerne beigesetzt werden wollen“, so Sabine Neufang. „Sie wollen der Familie, die oft weit weg ist, nicht zur Last fallen und alles geregelt haben.“
Rat der Försterin: Die letzte Ruhe sollte kein Tabu-Thema sein
Dem stimmt auch Adina Lauer zu, die sich um die Waldruh St. Katharinen kümmert: „Es gibt eine deutliche Tendenz, dass Menschen, meist über 50 Jahre alt, selbst das Thema Bestattungsort und -art in die Hand nehmen. Obwohl das Thema Tod noch immer ein Tabuthema ist, sinkt die Hemmschwelle sich damit auseinanderzusetzen. Vor allem, wenn man hier im Wald ist. Und das ist gut so.“
Einen Grund dafür sieht die Försterin darin, dass praktisch alle Menschen den Wald mögen: „Zum Spazierengehen, Radfahren, Joggen, Picknicken – was einem zu Lebzeiten gut tut, kann nach dem Tod nichts Schlechtes sein“, lautet ihre simple Erklärung. Sabine Neufang erinnert sich an Gespräche mit Urlaubern, die ganz gezielt hier am Bodensee bei einem Baum bestattet werden wollen, weil sie mit dem Ort positive Erinnerungen verbinden.
Beide Frauen erleben in ihrem Alltag immer wieder Menschen, die bereits zu Lebzeiten mehrfach ihren zukünftigen Ruhebaum aufsuchen. „Auffällig ist, dass sich die Interessentengruppe für die letzte Ruhe in einem Wald quer durch alle Bevölkerungsschichten zieht“, ergänzt Adina Lauer.
Die alternative Form der Beisetzung stoße auf großes Interesse, bemerkt auch Sabine Neufang: „Viele finden auch die Tatsache sehr praktisch, dass im Nachgang keinerlei Grabpflege nötig ist.“ Beide Frauen sind sich in einer Sache einig: Alle Menschen fühlen sich nach der Entscheidung, sich in einem der Ruhewälder bestatten zu lassen, zu 100 Prozent erleichtert.
Adina Lauer ermutigt dazu, rechtzeitig und offen mit der Familie über die eigenen Vorstellungen zu sprechen: „Nichts ist schlimmer, als wenn die Nachkommen keine Ahnung davon haben, was der Verstorbene gewollt hätte.“ Doch selbst dann führe die friedliche Atmosphäre in den Ruhewäldern zu guten Entscheidungen. Sabine Neufang erinnert sich, dass bei einer Familie just ein Sonnenstrahl auf einen Baum zeigte, dadurch sei die Entscheidung schnell gefallen.