Es ist schon dunkel draußen, als Samira Jani die Tür zum Büro des Mahagoni-Kollektivs öffnet. In dem hell erleuchteten Raum stehen einige Sofas, ein DJ-Pult und ein großer Tisch. An der Decke hängt eine Diskokugel. Eigentlich wohnt Samira Jani zurzeit in Berlin, denn sie absolviert ein Praktikum beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Sie ist für eine Woche an den Bodensee gekommen, weil sie am Wochenende ein Seminar gibt. An der Konstanzer Uni Konstanz studiert die 24-Jährige Soziologie und Politikwissenschaften. Neben ihrem Studium engagiert sie sich im Mahagoni-Kollektiv und hat im Zuge dessen angefangen, mit einer Kollegin für das Kollektiv Awarenessarbeit zu leisten.

Das bedeutet: An sie können sich Partygäste wenden, wenn sie sich unwohl fühlen, belästigt wurden oder Hilfe brauchen. „Awareness bedeutet ja eigentlich Achtsamkeit, Bewusstsein. Ein Bewusstsein dafür, was in der eigenen Umgebung passiert. Und ein achtsamer und bewusster Umgang mit den Menschen um einen herum. Und das ist das, was wir auf unseren Veranstaltungen haben wollen.“

Ein Infoplakat des Mahagoni-Kollektivs über das Awareness-Team. Das Design stammt von Joshua Witt.
Ein Infoplakat des Mahagoni-Kollektivs über das Awareness-Team. Das Design stammt von Joshua Witt. | Bild: Isabelle Graef

Weil das so gut ankommt und auch außerhalb des Kollektivs eine hohe Nachfrage bestand, gründet Jani eine Hochschulgruppe und die Initiative Nachtlicht. „Das ist eine Initiative, die sich der Awarenessarbeit widmet. Wir leisten Bildungsarbeit, geben Schulungen und Workshops und geben Empfehlungen für Veranstaltende“, erklärt Samira Jani.

Im Kern geht es ihr darum, dass sie im Nachtleben ein Bewusstsein dafür schaffen, wann die Grenzen von Feiernden überschritten werden. Individuelle Grenzen und Bedürfnisse sollen respektvoll behandelt werden. Das zu unterstützen, dafür sind die Studentin und ihr Team auf den Veranstaltungen zuständig und stellen eine zusätzliche Instanz zwischen dem Sicherheitspersonal und den Feiernden dar.

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„Es braucht wirklich eine Instanz, die auf die anderen Leute acht gibt“

Wenn Jani vor der Gründung der Initiative feiern gegangen ist, war sie meistens mit einer größeren Gruppe Freundinnen unterwegs. Für sie war klar, dass sie aufeinander achtgeben. Vor allem, weil alle von ihnen schon Erfahrungen mit Belästigung gemacht haben. „Man musste sich die ganze Zeit irgendwie rechtfertigen dafür, dass man nicht angetanzt werden will, oder warum man nicht mit einer Person sprechen möchte.“

Sie und ihre Freundinnen trafen Abmachungen über Treffpunkte, falls man sich verliere und einigten sich darauf, ein Auge auf die anderen und deren Getränke zu haben. Dieses Gefühl von Sicherheit, was sie dadurch bekam, sorgte dafür, dass Samira Jani die Partys viel mehr genießen und unbeschwerter feiern konnte.

„Pass auf dich auf, bleib sicher, sei vorsichtig“, das steht auf Englisch auf dem kleinen Aufkleber, der in verschiedenen ...
„Pass auf dich auf, bleib sicher, sei vorsichtig“, das steht auf Englisch auf dem kleinen Aufkleber, der in verschiedenen Locations ausliegt und über die Initiative Nachtlicht informiert. | Bild: Isabelle Graef

Als es dann auf einer Veranstaltung von Mahagoni einen Vorfall mit K.o.-Tropfen gab, hat sich das Kollektiv zusammengesetzt und überlegt, wie sie gegen solche Dinge vorgehen und ihre Veranstaltungen für alle sicherer machen können. Woraufhin die Idee aufkam, eine Gruppe an Leuten auf den Veranstaltungen zu haben, die dafür zuständig sind, ein Auge auf die Feiernden zu haben.

„Wir dachten, es braucht wirklich eine Instanz, die auf die anderen Leute achtgibt. Jemanden, den man ansprechen kann. So wie ich es damals mit meinen Freundinnen hatte“, erklärt Jani. Das Ganze zu etablieren, war kein leichter Weg, berichtet die Studentin. Zunächst hatten sich Freundinnen und Freunde dazu bereit erklärt, freiwillig zu helfen. Über soziale Netzwerke, Mund-zu-Mund-Propaganda und die Hochschulgruppe ist das Team auf mittlerweile über 40 Personen angewachsen.

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Doch auch die Nachfrage im Konstanzer Nachtleben stieg stetig und immer mehr Veranstalter fragten bei Nachtlicht an. Das zeigte: Der Bedarf ist da. Während in größeren Städten, wie beispielsweise Leipzig, das Konzept bekannt und bewährt ist, sei es für das Konstanzer Partyvolk anfangs noch gewöhnungsbedürftig gewesen.

„Was macht ihr eigentlich? Wollt ihr mir jetzt den Spaß verderben?“

Es gibt auch Menschen, die das Team um Samira Jani kritisch sehen. „Es gibt schon manchmal Leute, die zu uns kommen und fragen, was macht ihr eigentlich? Wollt ihr mir jetzt den Spaß verderben? Aber wir wollen ja, dass die Leute einen schönen Abend haben und die Veranstaltung eben sicher genießen können.“

Sie seien aber auch immer wieder mit Leuten konfrontiert, die sichtlich nicht wollten, dass es jemanden gibt, der ein Auge auf die Feiernden hat: „Also manche Leute finden das nicht gut, was wir machen. Das sind halt Leute, die vielleicht auch einfach nicht beobachtet werden wollen, weil sie wissen, dass sie sich daneben benehmen.“ Dann komme es auch zu Situationen, bei denen sie verbal attackiert werden.

Auf dem Rücken der Weste ist „Awareness“ zu lesen. Das Team von Nachtlicht entschärft Situationen, ist für alle da, die sich ...
Auf dem Rücken der Weste ist „Awareness“ zu lesen. Das Team von Nachtlicht entschärft Situationen, ist für alle da, die sich unwohl fühlen und will so dazu beitragen, dass alle Feiernden eine gute Zeit haben. | Bild: Isabelle Graef

„Es gab mal den Vorfall, dass jemand zu mehreren Leuten hingegangen ist und sie belästigt hat. Als wir die Person darauf angesprochen haben, dass man so nicht mit Leuten umgeht, und erklärt haben, warum das einfach kein hinnehmbares Verhalten war, wurden wir beleidigt.“ Wenn das Awareness-Team aktiv einschreite, passiere es immer wieder, dass es mit aggressivem Verhalten konfrontiert werde. Das sei dann ein Punkt, an dem sie das Sicherheitspersonal einschalten, erklärt Samira Jani.

Die allgemeine Resonanz sei von Veranstaltung zu Veranstaltung sehr unterschiedlich, so die Studentin. An manchen Orten – wie dem Kulturladen – habe sie das Gefühl, dass die Leute schon daran gewöhnt sind, dass ein Awareness-Team vor Ort ist. Dort werde mit ihnen sehr offen und freundlich umgegangen. Und wenn sie gebraucht werden, „kommt da eine unglaubliche Wertschätzung zurück und dann weiß man, dass man was Richtiges macht“.