Thomas Tweer findet deutliche Worte: „Die Stadtverwaltung hat eine sehr perfide Vorgehensweise! Es hat sich klar gezeigt, dass hier nur die eigenen Interessen durchgedrückt werden sollen und die berechtigten Belange der Bürger und Nachbarn keine Rolle spielen.“ Worum geht es? Tweer ist erbost, weil er sich seit Jahren nicht von der Verwaltung ernstgenommen fühlt.

Sein Haus steht unweit der Grundschule Wollmatingen, die dringend erweitert werden muss. Es fehlen Klassenzimmer, ein adäquater Besprechungsraum und mehr Räume für die Kernzeit. Auf dem Schulhof stehen Container.

Weil die Schule zu klein geworden ist für all die Kinder, die sie aufnehmen muss, stehen Container auf dem Schulhof.
Weil die Schule zu klein geworden ist für all die Kinder, die sie aufnehmen muss, stehen Container auf dem Schulhof. | Bild: Kirsten Astor

Die Stadt plant schon lange, die Grundschule Wollmatingen auszubauen. Im Jahr 2017 gab es eine erste Vorstudie, 2019 war die Entwurfsplanung fertig. Unter anderem soll das marode Pavillongebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden.

Der Gemeinderat gab grünes Licht, doch Thomas Tweer klagte gegen die Pläne. Inzwischen verzögern sich der Abriss des alten Pavillongebäudes und der Neubau um fünf Jahre. „Dadurch entstehen für die Stadt deutliche Mehrkosten“, sagte Arnold Hermann vom Hochbauamt beim Ortstermin im Oktober 2023.

„Durch die Verzögerungen entstehen für die Stadt deutliche Mehrkosten“, sagt Arnold Hermann, stellvertretender Leiter des Hochbauamts. ...
„Durch die Verzögerungen entstehen für die Stadt deutliche Mehrkosten“, sagt Arnold Hermann, stellvertretender Leiter des Hochbauamts. Schon im Oktober 2023 waren die geschätzten Baukosten von ursprünglich 4,75 Millionen Euro auf 8,3 Millionen Euro (inklusive Einrichtung und Außenanlagen) angewachsen. Weitere Prognosen wollte er nicht abgeben. | Bild: Timm Lechler

Darum dreht sich der Streit

Grund für die Auseinandersetzung ist ein Bebauungsplan aus den 1960er-Jahren und die Absicht der Stadt, diesen zu ändern. Denn bei einer zwischenzeitlich erfolgten Grundstücksumwidmung wurde das Baufeld nicht angepasst. Bei der alten Version müsste die Stadt den Neubau sehr nah an das eine Nachbarhaus bauen und ziemlich weit weg von Thomas Tweer. Arnold Hermann erläuterte damals: „Wir möchten das Gebäude in die Mitte setzen, das ist gerechter.“

Thomas Tweer will aber nicht, dass der Neubau acht Meter weiter an seine Grundstücksgrenze heranrückt als das bestehende Gebäude. Vor allem aber fühlte er sich im Verfahren nicht gehört und reichte eine Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ein, um gegen die Aufhebung des Bebauungsplans zu klagen.

(Archivbild) Innerhalb der lila Linie liegen die grauen Gebäude der Grundschule Wollmatingen. Das rote Haus ist das Kernzeithaus, der ...
(Archivbild) Innerhalb der lila Linie liegen die grauen Gebäude der Grundschule Wollmatingen. Das rote Haus ist das Kernzeithaus, der gezackte Bau stellt das Pavillongebäude dar. Dieses soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Wo der ungefähr geplant ist, hat der betroffene Anwohner mit Kugelschreiber eingezeichnet. | Bild: Kirsten Astor

Tatsächlich entschied der Verwaltungsgerichtshof im vergangenen Jahr, dass die Stadt seine Belange nicht ausreichend gewürdigt habe. Die Verwaltung muss kritisierte Punkte am Bebauungsplan korrigieren. Soweit die Vorgeschichte.

Nach dieser gerichtlichen Auseinandersetzung standen die Zeichen zunächst auf Einigung: Im Oktober 2023 waren beide Seiten bereit, Kompromisse zu finden. Doch jetzt, ein Jahr später, sind die Fronten erneut verhärtet.

Denn wieder fühlt sich der 60-jährige Anwohner übergangen. Dieses Mal dreht sich der Streit um Lärm- und Sichtschutz, den Thomas Tweer als Abgrenzung zur Schule wünscht. Bei einem Gespräch im November 2023 habe die Stadt zugesagt, Möglichkeiten prüfen zu wollen. Zwei Monate später habe der Architekt bei einem Vor-Ort-Termin eine Lärm- und Sichtschutzwand in entsprechender Höhe auf dem Grundstück der Schule als Lösung vorgeschlagen.

(Archivbild) Der Blick aus dem Altbau zeigt: Die Grundschule Wollmatingen ist von Nachbarhäusern umgeben, der Schulhof ist recht klein.
(Archivbild) Der Blick aus dem Altbau zeigt: Die Grundschule Wollmatingen ist von Nachbarhäusern umgeben, der Schulhof ist recht klein. | Bild: Kirsten Astor

„Außerdem hatten wir über eine Hangabsicherung an der Grenze zum Schulgrundstück gesprochen, da ich seit Jahren die durch Erosion verloren gehende Erde immer wieder selbst auffüllen lasse“, sagt Tweer. Er habe dann den Vorschlag der Lärm- und Sichtschutzwand angenommen und um ein abschließendes Gespräch gebeten, um alles schriftlich festhalten zu können. „Meinerseits wäre die Angelegenheit damit erledigt gewesen. Trotz mehrfachen Angebots hat die Stadt hierauf jedoch nicht reagiert“, behauptet Tweer.

Sein Ärger war groß, als im Frühling 2024 „der Anwalt der Stadt erklärte, dass die Stadt kein Interesse daran habe, irgendwelche Änderungen zu der durch das Regierungspräsidium genehmigten Planung vorzunehmen“, sagt der Anwohner. Die Stadt habe ihm gesagt, um Lärm- und Sichtschutz müsse er sich selbst kümmern.

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Da es bei diesem wesentlichen Streitpunkt keine Lösung gab, zog Thomas Tweer erneut vor Gericht, dieses Mal vor das Verwaltungsgericht Freiburg. Dort hatte er bereits früher eine Klage gegen die Baugenehmigung eingereicht.

„Diese hatten wir zwischenzeitlich ruhen lassen in der Hoffnung, mit der Stadt eine Einigung zu finden“, so der 60-Jährige. Seit Ende Juni 2024 läuft die Klage wieder, wie Klaus Döll bestätigt. Er ist Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Freiburg und dessen Pressesprecher.

Rechtswidrige Baugenehmigung?

Thomas Tweer geht davon aus, dass die Baugenehmigung für den Schulneubau rechtswidrig ist, „da sie auf Grundlage der durch das Verwaltungsgericht Mannheim einkassierten Bebauungsplanänderung erteilt wurde“. Das Verwaltungsgericht Freiburg überprüft nun die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung und die Frage, „ob in der Zwischenzeit eingetretene Rechtsänderungen wie das Inkrafttreten eines neuen Bebauungsplans zu berücksichtigen sind“, so Richter Döll.

Im Vordergrund ist ein Spielgerät der Grundschule Wollmatingen zu sehen, rechts im Bild das Kernzeitgebäude und hinten (weiß) das alte ...
Im Vordergrund ist ein Spielgerät der Grundschule Wollmatingen zu sehen, rechts im Bild das Kernzeitgebäude und hinten (weiß) das alte Pavillongebäude, das abgerissen werden soll. | Bild: Kirsten Astor

Wann das Gericht urteilt, kann er nicht sagen. „Mit einer Entscheidung in diesem Jahr ist allerdings nicht zu rechnen, zumal die Klageerwiderung des Regierungspräsidiums noch aussteht“, sagt Döll. Auch die Stadt geht davon aus, „dass mit einer Einigung mit dem Kläger und somit auch mit einem Baubeginn nicht vor Sommer 2025 zu rechnen ist“. Laut Thomas Tweer hat das Gericht nun eine Mediation vorgeschlagen. Dabei sollen die streitenden Parteien unter Aufsicht eines Vermittlers (Mediator) gemeinsam eine Lösung finden.

Dass es nun noch länger dauert und teurer wird, bis die Grundschule Wollmatingen mehr Platz erhält, will Thomas Tweer nicht auf seine Kappe nehmen: „Die gesamten Verfahrenskosten wären nicht nötig gewesen, wenn die Verwaltung ernsthaft meine vielen Gesprächsangebote angenommen hätte, anstatt nur Zeit zu schinden.“

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Das wiederum lässt die Verwaltung nicht gelten. „Der Vorschlag der Stadt war, durch Begrünung die Sichtbeziehung zwischen Schule und Grundstück einzugrenzen und eine einfache Hangsicherung zu machen. Diese Lösung hätte längst umgesetzt sein können“, schreibt Pressesprecherin Anja Fuchs.

„Von einer Lärmschutzwand im nun gewünschten Ausmaß war nicht die Rede. Diese Forderung kam vom Nachbarn im Nachgang.“ Das Ziel der Verwaltung sei es immer gewesen, mit dem Anwohner eine Einigung zu finden, „um den benötigten Schulbau möglichst zügig realisieren zu können.“