Ursula Fritz ist nicht zum Lachen zumute. Tatsächlich erscheint als Irrwitz, was sich vor ihrer Haustür abzuspielen droht – doch inzwischen muss die 87-Jährige davon ausgehen, dass es der Stadtverwaltung Konstanz ernst damit ist.

Das könnte Sie auch interessieren

Ihr Haus im Pirminweg liegt in Nachbarschaft zum ersten Bauabschnitt des Neubaugebiets Hafner und in der Planung taucht ein am Haus entlang führender landwirtschaftlicher Weg nicht mehr auf. Ursula Fritz würde dadurch der Zugang zu ihrem Haus abhanden kommen. Zur Haustür und den Garten sowie zu einer Einliegerwohnung stünde ihr nur noch ein etwa 80 Zentimeter breiter Geländestreifen zur Verfügung.

Die Familie hat viele offene Fragen

Also wurde der Familienrat einberufen, der zunächst das Liegenschaftsamt über die örtlichen Verhältnisse aufklärte. Die Antwort aber fiel anders als erwünscht aus. Bei einer Besichtigung der Planer sei festgestellt worden, dass es noch einen weiteren Zugang zum Haus gebe, der nach Ansicht des Amts als Eingang genutzt werden könne.

Nicht wirklich eine Alternative: Im Haus von Ursula Fritz gibt es einen Zugang zum Heizungskeller. Er ist schmal und eignet sich nicht ...
Nicht wirklich eine Alternative: Im Haus von Ursula Fritz gibt es einen Zugang zum Heizungskeller. Er ist schmal und eignet sich nicht für die in der Einliegerwohnung lebende Frau, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist. | Bild: Hanser, Oliver

Dieser allerdings ist als Zugang zum Heizkeller erst nachträglich eingebaut worden, argumentiert die Familie. Er ist außerdem schmaler als eine übliche Türöffnung und für die auf einen Rollstuhl angewiesene Bewohnerin der Einliegerwohnung nicht nutzbar. „Was macht man in einem Notfall?“, fragt sich die Familie.

Sie macht auf weitere Probleme aufmerksam, wie den Abtransport von Gartenabfällen. Auf dem 1100 Quadratmeter großen Grundstück fällt davon einiges an, hinzu kommt das Grüngut auf einem an die Nachbarin Annegret Röhricht verpachteten Garten mit einer Fläche von 495 Quadratmetern. Entfällt der Weg, weiß die 83-Jährige nicht, wie sie ihr Grüngut wegschaffen soll.

Durch dieses Tor geht‘s vom landwirtschaftlichen Weg zum Garten von Annegret Röhricht. Wenn der Weg rückgebaut wird, kann die ...
Durch dieses Tor geht‘s vom landwirtschaftlichen Weg zum Garten von Annegret Röhricht. Wenn der Weg rückgebaut wird, kann die 83-Jährigen ihre Grünabfälle nicht mehr abtransportieren. | Bild: Hanser, Oliver

Sie ist seit vielen Jahren befreundet mit Ursula Fritz, aber mit der Schubkarre durch die Terrassentür, dann durch die Wohnung und schließlich über den Heizungskeller wieder hinaus ins Freie – beide können sich nicht vorstellen, dass dies wirklich im Sinne der Stadtplanung sein soll.

Nachdem die Kommunikation mit dem Liegenschaftsamt – teils unter anwaltlichen Beistand – zu keinem befriedigenden Ergebnis führte, änderte die Familie den Adressaten. In einem Schreiben vom 12. April wandte sie sich an Oberbürgermeister Uli Burchardt und den federführenden Planer des Baugebiets Hafner, Lukas Esper, mit der Bitte um die Suche nach einer akzeptablen Lösung.

Befürchtungen werden der Stadt mitgeteilt

„Wir können das Haus ja nicht drehen und in einer Notsituation sollte auch ein Krankenwagen vorfahren können“, so heißt in der Email – doch eine Antwort blieb aus. Als dann am 12. Mai bei einer Informationsveranstaltung zum Hafner in Wollmatingen so gut wie alle Besucher allein wegen der miserablen Tontechnik ohne Mehrwert wieder nach Hause gingen, war für die Familie die Zeit reif für einen öffentlichen Notruf beim SÜDKURIER.

Lukas Esper erklärt bei einer Info-Veranstaltung am 12. Mai die Planung für das Hafner-Quartier. In der Wollmatinger Halle ist davon ...
Lukas Esper erklärt bei einer Info-Veranstaltung am 12. Mai die Planung für das Hafner-Quartier. In der Wollmatinger Halle ist davon jedoch wegen der schlechten Tontechnik wenig zu verstehen. | Bild: Hanser, Oliver

Immerhin kann man in der Stadtverwaltung die Bedenken von Ursula Fritz und ihrer Familie nachvollziehen. Lukas Esper bemüht sich gleichzeitig, die Einwände auf die Ebene eines Kommunikationsproblems zu reduzieren. Dieses sei zunächst darauf zurückzuführen, dass „der Rahmenplan gewisse Unschärfen aufweist und erst aus der Parzellenplanung die Bebauung klarer hervorgeht“. Die Differenzen liegen nach seiner Darstellung vor allem an Unstimmigkeiten im Katasterplan. Die Planung habe allerdings „nicht das Potenzial für Konflikte, weil wir voraussichtlich noch in diesem Sommer eine Lösung finden werden“.

Künftiger Zugang muss noch geklärt werden

Jetzt schon zusagen kann Lukas Esper, dass die Bewohner des Hauses am Pirminweg nicht zugemauert werden. Er räumt allerdings ein, dass die neue Zuwegung noch nicht klar sei. Zum jetzigen Zeitpunkt könne er sich vorstellen, dass die jenseits des landwirtschaftlichen Wegs geplanten dreigeschossigen Gebäude abgerückt werden und damit die Zufahrt erhalten bleibt.

Denkbar sei auch ein Durchbruch durch die Neubauten, über den dann die Anwohner zu ihren Häusern gelangen könnten. Das angebliche Angebot der Stadtverwaltung, wonach die Hausbesitzer über einen entlang des Hauses verbleibenden etwa 80 Zentimeter breiten Trampelpfad ins Gebäude gelangen könnten, hält er im Sinne des Wortes für abwegig.

Das könnte Sie auch interessieren

„Das wird sich alles klären, sobald uns eine vertiefte Maßstabsregelung zur Verfügung steht“, gibt sich Lukas Esper zuversichtlich. Er zeigt Verständnis für die Sorgen und Befürchtungen der Anwohner, verweist dabei zugleich darauf, dass es sich bei Ursula Fritz und ihrer Familie um keinen Einzelfall handelt. Es gebe im Eingangsbereich zum neuen Quartier des Hafner rund 500 Grundstückseigentümer mit vielen Einzelinteressen. Planerisch zu berücksichtigen sei dabei auch die „gewisse Qualität im Bestand“.

Werden die Potenziale des Hafners vertan?

Diese Rücksicht übrigens kam in der Ursprungsvariante der Planung dadurch zum Ausdruck, dass das Gelände jenseits des landwirtschaftlichen Weges für eine Parkanlage vorgesehen war. Davon ist inzwischen nichts mehr zu sehen: Nach neuester Planung ist in unmittelbarer Nachbarschaft jetzt eine dreigeschossige und im weiteren hinteren Bereich eine viergeschossige Bebauung vorgesehen. Der vorgeschriebene Abstand zu den Bestandsgebäuden beträgt dabei 40 Prozent der Gebäudehöhe, wodurch nach Ansicht von Kerstin Haake die ökologischen Chancen und Qualitätspotenziale des Hafner vertan werden.

Die Tochter von Ursula Fritz hat dabei nicht nur die voraussichtliche Wertminderung der Familienimmobilie durch eine vergleichsweise klotzige Bebauung in der Nachbarschaft im Blick, sondern hielte angesichts der Größe des Hafner generell eine lockere Bebauung mit dem Erhalt von Grünflächen und Gärten für die bessere Quartiersplanung.