Vergleichbares gibt es in der Konstanzer Geschichte nicht und auch im Land lässt sich ein ähnlich ambitioniertes Vorhaben so schnell kaum finden. Die Entwicklung des „Nördlichen Hafner“ hat mit dem jüngsten Beschluss des Gemeinderats die wesentliche Hürde genommen, jetzt folgt die Umsetzungsphase.
Häuslebauer aufgepasst! Wo Grundstücke im Kreis Konstanz entstehen und wie man sich bewerben kann

Hier die Kerndaten des Bebauungsgebiets:
- Die Größe: Bei der Fläche handelt es sich um 105 Hektar. Die Zahl erscheint überschaubar, bei der Umrechnung auf Quadratmeter (ein Hektar sind 100 mal 100 Meter) ergibt sich allerdings ein weniger griffiger Wert von 1.050.000 Quadratmetern. Um sich eine Vorstellung von der Größe des Baugebiets zu machen, dient auch die Umrechnung auf Fußballfelder. Bei einer durchschnittlichen Größe von 105 mal 68 Quadratmetern ergibt sich eine Zahl von rund 160 Fußballfeldern. Das ist mehr als ein Quartier – und ist (mindestens) vergleichbar mit einem Ortsteil.
- Grund und Boden: Die Besitzverhältnisse sind entscheidend für die Umsetzung, wobei der Stadt mit 51,2 Hektar bereits jetzt rund die Hälfte der Fläche gehört. Die Eigentümer von etwa 5,3 Hektar sind nach Angaben der Stadtverwaltung zum Verkauf bereit, bei den Eigentümern von 35,4 Hektar Land geht man von einer Mitwirkungsbereitschaft aus. Bei den verbleibenden rund 14,1 Hektar Land wurde von den Eigentümern bis Mitte Juli noch keine Bereitschaft zum Verkauf beziehungsweise zur Mitwirkung bei der Umnutzung des Areals signalisiert. Es handelt sich dabei um 86 Eigentümer, mit denen die Stadt in Verhandlungen treten wird.
- Verhandlungen, Enteignung: Das Verhandlungsspektrum bei der Neunutzung von Grund und Boden reicht laut Stadtverwaltung vom Verkauf an die Stadt (zu festgelegten Preisen) bis hin zur Mitwirkung etwa in Form eigener Bautätigkeit. Sollte man nicht handelseinig werden, besteht für die Stadt die Option der Enteignung. Sie ist beim Straßenbau (insbesondere Autobahnen) ein im Sinne des Gemeinwohls gängiges Mittel, wird bei der Wohnbebauung aber selten angewandt. Allerdings handelt es sich beim Hafner nicht um ein Einzelvorhaben, sondern um eine gesamtstädtische Entwicklung – was beim Verfahren einer Enteignung mit in den Entscheidungsprozess einfließt.
- Wohnen, arbeiten, leben: Das Hauptziel der Bebauung im nördlichen Hafner ist die Beseitigung des Wohnungsmangels. Die Planung sieht den Bau von etwa 3100 Wohnungen vor, ferner sind rund 17 Hektar für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben vorgesehen – laut Schätzung der Stadtverwaltung ist davon auszugehen, dass bei Abschluss der Bebauung bis zu 3800 Menschen ihren Arbeitsplatz im Hafner haben werden. Der Bedarf an Gewerbefläche in Konstanz ist damit übrigens bei Weitem nicht gedeckt – er liegt derzeit bei 37 Hektar. Mit den Wohnungen und den Gewerbeansiedlungen ergibt sich die Notwendigkeit einer sozialen Infrastruktur. Der Stadt obliegt beispielsweise der Aufbau von Schulen, Kindergärten, Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen.
- Die Kosten: Sie werden bei rund 345 Millionen Euro veranschlagt – allein beim Grunderwerb ist mit einer Ausgabe von 140 Millionen Euro zu rechnen. Bei den Erschließungskosten gehen die Planer von etwa 90 Millionen Euro aus, allein die Finanzierungskosten summieren sich auf voraussichtlich mehr als 18 Millionen Euro. Weitere Kostenblöcke entstehen durch die Infrastruktur wie etwa den Schulbau. Auf der Einnahmeseite wird mit einem entsprechenden Betrag gerechnet, der Hauptposten besteht dabei aus den Erlösen der (erschlossenen) Grundstücke. Ein Geschäft lässt sich aus Sicht der Stadt mit dem Hafner allerdings nicht machen. Das lässt die Gesetzgebung nicht zu – und sollte am Ende doch ein Überschuss herausspringen, so muss das Plus auf die Alteigentümer verteilt werden. Davon ist aber nicht auszugehen, bei der jetzigen Kalkulation wird für das Mega-Projekt von einem Minus in Höhe von 2,3 Millionen Euro ausgegangen.
- Wer baut? Deutschland steht im Ruf der Überplanung – beim Hafner sind die Hürden allerdings ganz praktischer Natur: Wer soll das Gebiet bebauen? Anders ausgedrückt: Beim Hafner wird jeder Handwerker gebraucht. Zumal wenn‘s nach Plan läuft, gehen im nächsten Jahr die Vergaben raus, bis Ende 2023 könnten dann die Bagger anrollen. Sollte es beim derzeitigen Bedarf an Wohnungen und Gewerbeansiedlungen bleiben, könnte dann bereits bis 2035 mit dem Hafner der Schritt in Richtung 100.000-Einwohner-Stadt erfolgt sein. Diese Herausforderung ist für einen Bauherren nicht leistbar: Oberbürgermeister Uli Burchardt und der Gemeinderat sehen die städtische Wohnbaugesellschaft Wobak ebenso am Start wie die freie Bauunternehmen und private Bauherren. Und OB Burchardt sieht bei der Bauträgerschaft zusätzlich viel Freiraum für Kreativität: Er freut sich über Anfragen von in Konstanz ansässigen größeren Unternehmen zwecks des Baus von Betriebswohnungen.

- Kein Bauzwang: Und was, wenn der Markt einbricht? Die Gefahr eines planwirtschaftlichen Desasters besteht laut OB Burchardt nicht, da es keinen Automatismus zwischen Planung und Bebauung gebe. Das Hafner-Gebiet sei kein Selbstzweck, man könne die Bebauung jederzeit abbremsen. Gleiches gilt für die Details des Bebauungsplanes. Mit der Grundsatzentscheidung des Gemeinderats ist beispielsweise noch nicht der Anteil des geförderten Wohnungsbaus festgelegt. In diesem Punkt dürfte es im Gemeinderat noch zu spannenden Auseinandersetzungen kommen. Linken-Stadtrat Simon Pschorr beispielsweise möchte die Quote am liebsten bei 50 Prozent festlegen.