Die Zahl ist hoch: 86 Eigner haben sich nach Angaben der Konstanzer Stadtverwaltung bisher nicht bereit erklärt, ihre Grundstücke am Hafner zu verkaufen – rund dreizehn Prozent aller Eigner.

Auf dem Gebiet, das an Wollmatingen grenzt, soll ein neuer Stadtteil entstehen mit kompletter Infrastruktur inklusive Nahversorgung, Schulen, Kindertagesstätten, Ärzten oder Banken entstehen. 3300 Wohneinheiten von Wohnungen über Reihen- bis Einfamilienhäuser sind bis 2038 geplant und sollen der notorischen Konstanzer Wohnungsnot entgegen.

Bild 1: Das Schreckgespenst Enteignung schaut schon um die Ecke: 86 Eigner wollen ihre Grundstücke für das geplante Konstanzer Neubaugebiet Hafner nicht verkaufen
Bild: Aldo Gora | Quelle: KCAP/Ramboll Studio Dreiseitl

Seit 2017 informiert die Verwaltung über ihre Pläne. Am vergangenen Donnerstag wollte der Gemeinderat eigentlich den Beschluss zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme fassen. Aufgrund zahlreicher weiterer Fragen wurde dies nun auf die Sitzung am Donnerstag, 22. Juli, verschoben.

Baubürgermeister: „Wichtig, dass wir der Herr im Haus sind“

Die Eigentümer der Grundstücke am Hafner wurden laut Lukas Esper von der Stabstelle Entwicklung Hafner angeschrieben. „Wir haben viele Gespräche mit ihnen geführt“, sagt er. „Viele sind verkaufsbereit, einige aber haben sich nicht zurückgemeldet.“

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Im Herbst soll eigentlich der Bebauungsplan stehen, das Konzept im Jahr 2024. „Die Erschließungsmaßnahmen sind für 2025 und 2026 geplant, sodass 2027 erste Baumaßnahmen stattfinden können“, so Lukas Esper. „Wir haben die Pflicht, absolut transparent zu arbeiten.“

Bild 2: Das Schreckgespenst Enteignung schaut schon um die Ecke: 86 Eigner wollen ihre Grundstücke für das geplante Konstanzer Neubaugebiet Hafner nicht verkaufen
Bild: Hanser, Oliver

Baudezernent Karl Langensteiner-Schönborn legt großen Wert darauf, „dass wir der Herr im Hause sein wollen und dass es keine Grundstückspekulationen geben darf. Wir sind zuversichtlich, dass wir uns mit den übrigen Eigentümern noch einigen werden“.

„Enteignung wäre das letzte Mittel“

Und doch schwebt das Schreckgespenst Enteignung über dem Projekt. Ein Mann aus Wollmatingen, der nicht genannt werden möchte, hat angekündigt „im Notfall gerichtlich gegen eine Enteignung vorzugehen“, wie er sagt.

Laut Baugesetzbuch, das in diesem Fall Anwendung findet, ist eine Enteignung „grundsätzlich immer dann möglich, wenn sie dem Allgemeinwohl dient“. „Das wäre das letzte Mittel, das wir unbedingt verhindern wollen“, sagt Karl Langensteiner-Schönborn.

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Das Baugesetzbuch regelt, dass diese Maßnahme nur dann geeignet ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit nicht auf anderem Wege erreicht werden kann. Laut Verwaltung ist dies der Fall.

CDU-Stadtrat: „So etwas würde nur dem Vertrauen schaden“

Stadtrat Heiner Fuchs (CD) bezeichnet die Enteignung als „Ultima Ratio. So etwas würde nur dem Vertrauen in Politik und Verwaltung schaden“. Als Drohkulisse sei dieses Instrument allerdings wichtig und richtig.

Die Stadt zahl an die Eigner den derzeitigen Wert der Grundstücke als so genannte Anfangswerte: „Diese variieren 15 und 960 Euro pro Quadratmeter. Das ist natürlich eine riesige Spanne“, erklärt Lukas Esper. „Der Großteil der Eigner im Kernbereich zahlt 187 Euro. 15 Euro gelten für den Randbereich. In schon bebauten Gebieten sind es 960 Euro.“ Die Stadt erhält nach der Erschließung 210 Euro im Bereich Gewerbe, im Bereich Wohnen beträgt der Mittelwert laut Lukas Esper 1130 Euro pro Quadratmeter; der höchste Wert liegt hier bei 1780 Euro Bereich stark verdichtetes Wohnen.

„Da steckt viel dahinter“, erklärt Heinrich Fuchs. „Von den über 60 Hektar wird ja höchstens die Hälfte Wohngebiet. In dem Preis ist die komplette infrastrukturelle Erschließung inbegriffen: Schulen, Kitas, Sportstätten, die Arbeitskräfte oder die Finanzierungskosten.“ Die Stadt jedenfalls dürfte keine finanziellen Vorteile bei Kauf und Verkauf haben – auch wenn das auf den ersten Blick so aussehen mag.

Lukas Esper: „Es gilt der Grundsatz, dass die Stadt mit der Gesamtmaßnahme keine Gewinne machen darf. Sollte ein Gewinn am Ende der Maßnahme entstehen, ist dieser anteilig an die Alteigentümer auszuschütten. Ein Defizit hingegen muss aus dem städtischen Haushalt ausgeglichen werden.“

Daniel Hölzle von den Freien Wählern fordert, „die Menschen der Stadt neugierig zu machen, mitzunehmen und vieles zu erklären und klarzumachen“. Ein wichtiger Aspekt sei auch, „dass viel von dem investierten Geld in der Stadt oder zumindest im Kreis bleibt“.

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Gisela Kusche von der Freien Grünen Liste lobt, „dass die klare Trennung zwischen Infrastruktur, die eindeutig dem Quartier zugehörig ist wie zum Beispiel die Kosten für die Kita, und Investitionen für die gesamte Konstanzer Bevölkerung, wie die Erstellung von Sportanlagen, der Transparenz dient und einen klaren Überblick über Kosten und Einnahmen erlaubt“.

Noch ist nicht jeder Grundstückseigner bereit, sein Land an die Stadt zu verkaufen.
Noch ist nicht jeder Grundstückseigner bereit, sein Land an die Stadt zu verkaufen. | Bild: Hanser, Oliver

Auch erkennt sie „einen fairen Umgang mit den bisherigen Grundstücksbesitzern, so bei nachträglichen Ausgleichszahlungen für bereits verkaufte Grundstücke“.

SPD-Stadtrat Alfred Reichle fragt sich, „was passieren wird, wenn Eigentümer partout nicht verkaufen wollen? Enteignungen wären nervenaufreibend. Daran haben wir kein Interesse“. Käufer, die erst später zusagen, dürften keinesfalls einen finanziellen Vorteil haben gegenüber Käufern, die schnell verkauft haben.