Die Diskussion über Parken in der Konstanzer Innenstadt scheint so alt zu sein wie die Stadt selbst. Auf jeden Fall ist sie längst zu einer Glaubensfrage geworden. Die Menschen, die darüber entscheiden, nämlich die Mitglieder des Gemeinderats, reden sich seit Jahren die Köpfe heiß. Dabei gibt es die eine Antwort auf die Gretchenfrage gar nicht.

„Nun sag‘, wie hast du‘s mit der Religion?“, fragt Margarete im ersten Teil von Goethes Faust den Gelehrten, der der Tragödie seinen Namen gibt. Faust versucht, diese ihm unangenehm gewordene Bitte um ein Bekenntnis abzuweisen. Doch Gretchen bleibt hartnäckig und geht aufs Ganze: „Heinrich, glaubst du an Gott?“

Im Konstanzer Gemeinderat ist nun auch die Zeit gekommen, Farbe zu bekennen

Mobilpunkt Bodenseeforum mit Brückenkopf Nord, Bau Döbele-Mobilitätshaus, autofreier Stephansplatz, Sanierung Augustinergarage oder Stellplätze im Paradies – wer darf hier wann und wie lange parken? Und was soll das kosten? Sollen die 2600 linksrheinischen Bewohnerstellplätze um zehn Prozent erhöht werden? Müssten rund zehn Prozent der Plätze rechtsrheinisch verlagert werden?

Am Döbele soll ein Parkhaus entstehen. Ob nur für Anwohner oder auch für Besucher, steht noch nicht fest.
Am Döbele soll ein Parkhaus entstehen. Ob nur für Anwohner oder auch für Besucher, steht noch nicht fest. | Bild: Oliver Hanser

Die Beantwortung dieser Fragen und die Umsetzung der Beschlüsse in der Sitzung des Gemeinderats sind richtungsweisend für die Stadt Konstanz. Doch aufgrund der Komplexität des Themas und weiterer offener Fragen wurde eine eigentlich für Donnerstag, 15. Juli, im Gemeinderat anvisierte Entscheidung erneut verschoben.

Dabei ist keinem Gemeinderatsmitglied ein Vorwurf zu machen. Die Fraktionen haben ihre Ansichten und Meinungen – und die vertreten sie auch. Die Verwaltung auf der anderen Seite möchte ihr Konzept im Dialog gerne durchsetzen – ist jedoch auf mehrheitliche Zustimmung angewiesen.

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Und so debattierten die Vertreter im Technischen- und Umweltausschuss den lieben langen Dienstagabend über den Masterplan Mobilität, dessen Auswirkungen und Schlussfolgerungen sowie das „klimagerechte Parkraumanagement für eine starke und attraktive Innenstadt“, so der auf Stelzen daher kommende Titel in der Beschlussvorlage.

FGL-Stadträtin: „Döbele-Quartiersgarage nur für Bewohner“

Der städtische Verkehrsplaner Stephan Fischer sagt: „An 200 Tagen im Jahr haben wir kein Problem. 2560 Besucherparkplätze sind ausreichend, weil wir wissen: Am Bodenseeforum und am Schänzle sind noch leerstehende Plätze.“ Die Idee dahinter, die besser kommuniziert werden müsse, lautet: „Wenn die Leute wissen, dass das Parken in der Innenstadt teuer ist, dann fahren sie zum Bodenseeforum und parken dort.“ Mit dieser Aussage war die Diskussion eröffnet.

Gisela Kusche von der Freien Grünen Liste forderte: „Das konsequente Umleiten des Verkehrs auf die rechte Rheinseite ist wichtig.“ Eine Ringlinie müsse kommen, „und die geplante Döbele-Quartiersgarage darf nur für Bewohner sein“.

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Fraktionskollege Peter Müller-Neff nickte zustimmend: „Wir wollen die autofreie Innenstadt. Nach der Sommerpause werden wir diesen Antrag erneut stellen.“ Er beobachte heute noch Autos von einkaufenden Menschen in der Hofhalde oder in der Zollernstraße. In seinen Augen ein Unding.

CDU-Stadtrat: „Nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen“

Daniel Groß von der CDU machte sich dafür stark, „Autos mehrstöckig zu stapeln, um dadurch mehr Freiflächen zu bekommen“. Auch für Fahrräder sei dies ratsam, „denn heute sind unsere Gehwege voller Räder“. In seinen Augen sind Besucherparkplätze unbedingt notwendig, „denn von was leben wir denn in Konstanz? Vom Tourismus und von der Gewerbesteuer. Wir können doch nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen“.

In der Brauneggerstraße, hier ein Archivbild aus dem Jahr 2015, stehen zahlreiche Fahrräder. An einigen hat sich nun ein mutmaßlicher ...
In der Brauneggerstraße, hier ein Archivbild aus dem Jahr 2015, stehen zahlreiche Fahrräder. An einigen hat sich nun ein mutmaßlicher Dieb zu schaffen gemacht. | Bild: Hanser, Oliver | SK-Archiv

Daniel Hölzle von den Freien Wählern fehlt der Plan B, falls die Absicht, die Autos aus der Innenstadt umzuleiten, nicht aufgehen sollte: „Der Brückenkopf Nord funktioniert nur, wenn das Angebot attraktiv ist. Das Parkhaus am Benediktinerplatz zum Beispiel ist viel näher an der Innenstadt.“ Außerdem habe das C-Konzept ergeben, dass Parken am Döbele wichtig sei, um die City zu entlasten, „und das geht nicht, wenn dort eine reine Quartiersgarage entstünde“.

Für Nina Röckelein (FGL) war die Diskussion „ernüchternd. In der Vorlage steht ‚klimaneutral‘, und wir verwalten den Status quo und wollen Autos stapeln. Wenn wir das mit dem Klima ernst nehmen, geht es nicht mit der gleichen Anzahl von Autos und Verkehr. Warum glauben wir nicht, dass es möglich ist? Parkgebühren für Anwohner in Höhe von 360 statt 30 Euro stellen einen Kulturwandel dar, von ‚quasi umsonst‘ hin zum Preis des Parkens, der der Öffentlichkeit entsteht“.

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SPD-Stadtrat: „Kosten dürfen nur für Zugezogene gelten“

Für Sozialdemokrat Alfred Reichle passt die Bezeichnung „klimagerecht“ nicht zum Thema, „das ist eine Verschleierung. Wir müssen die Anzahl der Anwohnerparkplätze erhöhen, da wir schon welche weggenommen haben. Zum Beispiel am Webersteig“.

Man müsse Alternativen aufzeigen, auch wenn die Geld kosten würden. Und dann machte er diesen Vorschlag: „Die Kosten dürfen nicht für jetzige Anwohner gelten, sondern nur für Zugezogene.“ Außerdem sei die Entwicklung am Brückenkopf Nord abzuwarten.

Hier, am Brückenkopf Nord, entsteht bis 2024 ein Parkhaus.
Hier, am Brückenkopf Nord, entsteht bis 2024 ein Parkhaus. | Bild: Oliver Hanser

JFK-Stadträtin: „Schweizer ziehen doch oft gar keinen Parkschein“

Holger Reile von der Linken Liste fühlte sich an einen Tanz erinnert: „Wir gehen einen Schritt vor und einen halben zurück“, sagte er und erwiderte direkt auf die Vermutung von Johann Hartwich (FDP), „dass wir die Menschen nach Singen zum Einkaufen schicken, weil dort ein besseres Parksystem besteht“: „Herr Hartwich, das ist ein Totschlafargument, das immer an die Wand gepinselt wird, und hat keine schlüssige Logik“.

Verena Faustein vom Jungen Forum (JFK) ist über die Preispolitik fürs Parken gestolpert: „Schweizer stört es doch nicht, wenn das Parken nach drei Stunden teurer wird. Die ziehen doch oft gar keinen Parkschein, so lange das nicht in die Schweiz verfolgt wird“.

Die Verwaltung versprach den Räten, im Laufe der Woche weitere Informationen zu liefern, damit die Fraktionen in ihren Sitzungen am Montagabend neu diskutieren könnten. Die Entscheidung, die eigentlich am heutigen Donnerstag fallen sollte, wurde nun auf die Gemeinderatssitzung eine Woche später verschoben.