Rund zwei Wochen lang rätselte ganz Konstanz: Warum hängen an der Alten Rheinbrücke plötzlich Flaggen mit Friedenstauben drauf, die aber mit dem Kopf nach unten zeigen, als ob sie abstürzen? Die Spurensuche war damals nicht ganz einfach: Weder die Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK), die für die Beflaggung der Rheinbrücke zuständig ist, noch die Stadtverwaltung konnten Auskunft geben.

(Archivbild) Mit den auf dem Kopf stehenden Friedenstauben wollten die Querdenker ausdrücken, dass sie derzeit den Frieden in Gefahr ...
(Archivbild) Mit den auf dem Kopf stehenden Friedenstauben wollten die Querdenker ausdrücken, dass sie derzeit den Frieden in Gefahr sehen und gegen Waffenlieferungen sind. | Bild: Hanser, Oliver

So hingen die abstürzenden Tauben von 23. Dezember 2023 bis 5. Januar 2024 an der Rheinbrücke, bis die Recherche des SÜDKURIER dazu führte, dass sie heruntergenommen wurden. Denn als Martin Schröpel, stellvertretender Leiter des Konstanzer Hauptamts, durch einen Anruf dieser Zeitung von dem Vorfall hörte, sorgte er umgehend für die Entfernung der Tauben durch die Technischen Betriebe Konstanz.

Und nun, rund fünf Monate später, bekennen sich einige Menschen zu der Aktion. Bei der Erstwählerveranstaltung des Gesamtelternbeirats wurden heimlich und ohne das Wissen oder die Erlaubnis der Organisatoren kleine Zettel auf den Toiletten verteilt, auf denen ein QR-Code abgedruckt war. Wer ihn scannt, landet bei einem zehnminütigen Video, das Fotos von den gehissten Taubenflaggen zeigt.

(Archivbild) Auch in den sozialen Netzwerken diskutierten die Nutzer Ende 2023 und Anfang 2024 eifrig, was es mit den abstürzenden ...
(Archivbild) Auch in den sozialen Netzwerken diskutierten die Nutzer Ende 2023 und Anfang 2024 eifrig, was es mit den abstürzenden Tauben auf sich haben könnte. | Bild: Hanser, Oliver | SK-Archiv

Eingeblendete Schriftzüge teilen dem Betrachter mit, welche Botschaft die Verfasser aussenden wollen. „Eine falsch herum gehisste Fahne ist ein internationales Hilfe-Ruf-Signal“, steht dort zu lesen. Im Hintergrund wird das Volkslied „Die Gedanken sind frei“ eingespielt, das seit seiner Entstehung kurz vor 1800 immer wieder Ausdruck für die Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit ist.

Mit dem Verweis auf die Werke bekannter Schriftsteller und Journalisten wie George Orwell mit seinem gesellschaftskritischen Buch „1984“ machen die Video-Ersteller deutlich, dass sie derzeit den Frieden, die Meinungsfreiheit und die Wahrheit in Gefahr sehen und gegen Waffenlieferungen sind. „Schluss mit der Kriegstreiberei!“, fordern sie im Video.

(Archivbild) Kurz, nachdem der SÜDKURIER die Stadt informiert hatte, entfernten André Lerner (Abteilungsleiter Straßenunterhaltung) und ...
(Archivbild) Kurz, nachdem der SÜDKURIER die Stadt informiert hatte, entfernten André Lerner (Abteilungsleiter Straßenunterhaltung) und Joachim Seyda (von links) von den Technischen Betrieben Konstanz die Taubenflaggen. | Bild: Martin Schröpel

Und dann erklären die Autoren noch, sie distanzierten sich ausdrücklich von Rechts- und Linksextremismus sowie religiösem Fanatismus. Als eine Art Autor wird „Die Beste-Generation“ eingeblendet. Das sei keine Gruppierung, sondern werde nur für Aktionen als Dachorganisation verwendet, damit Menschen gleicher Meinung sich zusammenschließen könnten.

Es wird zwar niemand namentlich genannt, aber deutlich wird doch, dass die Inhalte aus dem Querdenker-Lager kommen. Außerdem wird auf die Initiative Friedensee und die Friedenskette hingewiesen – Projekte des Konstanzer Querdenkers Gerry Mayr.

„Ich stehe zum Frieden und hänge keine Tauben verkehrt herum auf“, sagt Querdenker Gerry Mayr.
„Ich stehe zum Frieden und hänge keine Tauben verkehrt herum auf“, sagt Querdenker Gerry Mayr. | Bild: Felix Kästle/dpa

Mayr selbst sagt allerdings auf Anfrage: „Ich stehe zum Frieden und hänge keine Tauben verkehrt herum auf.“ Auf die Nachfrage, ob er also gar nichts mit „Die Beste-Generation“ und der Flaggen-Aktion zu tun habe, antwortete Gerry Mayr nicht.

War auch das neue Bündnis „KN Kommt“, das bei der Kommunalwahl antritt, in die Aktion involviert? Spitzenkandidat Michael Blümm sagt: „‘Konstanz Kommt‘ hat damit gar nichts zu tun!“ Ob er selbst sich daran beteiligt hat, möchte er nicht sagen, er wisse aber, wer verantwortlich war. „‘Die Beste-Generation‘ ist doch ein anonymes Bündnis. Was bringt es, wenn ich verrate, wer das war?“, fragt Blümm.

„Das war eine sehr gute Aktion. Für Frieden und gegen Waffen zu demonstrieren, ist nicht falsch“, findet Michael Blümm.
„Das war eine sehr gute Aktion. Für Frieden und gegen Waffen zu demonstrieren, ist nicht falsch“, findet Michael Blümm. | Bild: Hanser, Oliver

Immerhin verrät er, dass er das Flaggenhissen gelungen fand: „Das war eine sehr gute Aktion. Sie wissen, dass ich aus dem Querdenkerlager komme. Für Frieden und gegen Waffen zu demonstrieren, ist nicht falsch. Ich finde es schade, dass es einigen Konstanzern schwerfällt, sich mit neuen politischen Kräften auseinanderzusetzen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Die Querdenker konnten also knapp zwei Wochen lang unbehelligt ihre Friedenstauben falsch herum an der Alten Rheinbrücke flattern lassen. Was sagt die Verwaltung dazu? „Es stimmt nicht, dass die Flaggen zwei Wochen unbemerkt geblieben wären“, schreibt die städtische Pressestelle. „Die Klärung brauchte Zeit, gerade vor dem Hintergrund, dass die Flaggen kurz vor Weihnachten auftauchten. Sobald die Klärung erfolgt war, wurden die Flaggen umgehend abhängt.“

Auf die weiteren Fragen des SÜDKURIER, wie verhindert werden kann, dass sowas erneut passiert und ob die Fahnenmasten inzwischen besser gesichert seien, sodass Unbefugte keine Flaggen mehr hissen können, bleibt die Stadt eine Antwort schuldig.

„Das geht natürlich nicht“, sagte Martin Schröpel, stellvertretender Leiter des Konstanzer Hauptamts, damals zu der Flaggen-Aktion. ...
„Das geht natürlich nicht“, sagte Martin Schröpel, stellvertretender Leiter des Konstanzer Hauptamts, damals zu der Flaggen-Aktion. „Selbst wenn eine gute Absicht dahinterstecken sollte, kann nicht einfach jeder aufhängen, was er will.“ | Bild: Scherrer, Aurelia