Sie sah mit einem Augenzwinkern in die Welt. Rosemarie Banholzer war Optimistin. Sie hatte den Blick fürs Gute. Wenn sie stürzte, beklagte sie sich nicht übers Hinfallen, sondern freute sich darüber, dass nichts gebrochen war. Und sie war eine Freundin und Förderin der Mundart. Mit ihren Gedichten und Kolumnen, 14 Büchern sowie mehr als 1000 Lesungen war sie über die Region hinaus bekannt.

„Haltung, Humor und Haferflocke-Supp“

Noch zu ihrem 96. Geburtstag stellte sie fest, das Geheimnis ihres langen Lebens liege in den drei H‘s: „Haltung, Humor und Haferflocke-Supp.“ Jetzt ist die Frau, die fast bis zum Schluss Gedichte schrieb und früher für den SÜDKURIER arbeitete, mit 98 Jahren gestorben.

Die Beerdigung ist im engsten Familienkreis. Das hatte sich Rosemarie Banholzer so gewünscht, sagt Klaus Banholzer, einer ihrer Söhne. Dieser erinnert sich an den herzlichen „Familienmenschen“ Rosemarie Banholzer, die dem Nachwuchs Liebe und Geborgenheit gab. Sie hatte sechs Kinder, sechs Enkel und vier Urenkel. Auch beim schlimmsten Unfug habe sie „uns Kinder oft in Schutz genommen“, sagt Klaus Banholzer.

(Archivbild) Rosemarie Banholzer im Jahr 2020.
(Archivbild) Rosemarie Banholzer im Jahr 2020. | Bild: Steinert, Kerstin | SK-Archiv

Kinder und Enkelkinder hätten immer Vorrang gehabt. Ihre Wohnung war auch noch im hohen Alter mit Sofas und Sesseln überladen. Denn jeder Besucher sollte bei ihr Platz finden. Klaus Banholzer ergänzt: ihre Türen hätten immer offen gestanden. Er sagt weiter: Trotz zunehmender Blindheit und gesundheitlicher Probleme sei sie tapfer gewesen und habe nie geklagt.

Rosemarie Banholzer war im hohen Alter fast erblindet. Das hinderte sie nicht, auf dem Computer mit riesigen Buchstaben neue Werke zu schreiben. Bis zuletzt hatte sie ein bisschen Stress. Denn der „Fäneleclub“, also die Gemeinschaft der Fans der Mundart, stellte immer wieder Anfragen.

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Zwölf Jahre arbeitete sie beim SÜDKURIER

Der Computer, der ihr Texte vorlas, scheiterte immer an dem, was Rosemarie Banholzer so wichtig war: Mundart. Diese war für die Dichterin die Sprache des Herzens. Sie bot ihr die Möglichkeit, Kritik zu üben und Schrullen herauszustreichen, ohne zu verletzen.

Älteren Lesern dürften Rosemarie Banholzers Kolumnen „S‘Frichtle monnt“, „Siehsches“ und „Lachend in die neue Woche“ bekannt sein. Banholzer hatte zunächst beim Südverlag gearbeitet, um nach einer langen Kinderpause mit knapp 50 Jahren wieder in den Beruf einzusteigen. Sie arbeitete von 1977 bis zu ihrem Ruhestand 1989 beim SÜDKURIER als Sekretärin.

Rosemarie Banholzer damals als Sekretärin beim SÜDKURIER.
Rosemarie Banholzer damals als Sekretärin beim SÜDKURIER. | Bild: Rindt, Claudia

Für die Muetterspoch-Gsellschaft, Regionalgruppe Seealemanne, war Rosemarie Banholzer ein Aushängeschild, wie Heidi Wieland vom Vorstand feststellt. Die Frau aus Konstanz habe zu den Mitbegründerinnen dieser Abteilung gehört. Sie habe dazu beigetragen, dass die Mundart nicht vergessen wurde.

Claudia Reimann, ebenfalls von der Muettersproch-Gsellschaft, sagt: „Sie war ein umtriebiges Mitglied bei uns. Sie hat vielen Freude bereitet mit ihren Büchle und Gedichten. Sie hat viel dazu beigetragen, dass wieder Dialekt g‘schwätzt wird.“ Sie sei auch in Hamburg und München Ehrenmitglied in Vereinen gewesen, in denen sich ausgewanderte Badener organisierten.

Das wohl bewegendste Gedicht formulierte Rosemarie Banholzer im Juli 2018. Damals wurde in Konstanz ein Stolperstein für ihre Mutter Berta Amann verlegt. Rosemarie Banholzer machte das Drama ihrer Kindheit öffentlich. Nationalsozialisten ermordeten ihre Mutter am 2. April 1941 in einer Gaskammer, weil diese psychisch krank gewesen sein soll.

Die Familie aber wurde mit der Nachricht belogen, Berta Amann sei an einer Thrombose mit anschließender Lungenembolie gestorben. Erst sehr viel später erfuhr Rosemarie Banholzer die bittere Wahrheit. In ihrem Gedicht heißt es: „Die Mutter ist tot durch Euthanasie, das vergesse ich nie.“ Rosemarie Banholzer wählte die Tägermoosstraße für die Verlegung des Stolpersteins. Sie sagte: Es sei der letzte Ort gewesen, an dem sie und ihre Mutter glückliche Tage verbracht hatten.

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Ein Stolperstein erinnert an ihre Mutter

Die Mutter der Konstanzer Mundartdichterin kam aus dem Schwarzwald. Diese Wurzeln hat die Tochter nie vergessen. Auf einem Bild ist die junge Rosemarie Banholzer in einer Tracht aus diesem Landesteil zu sehen. Sie erinnerte sich gern, wie sie in den Sommerferien ihren Großvater besuchte, den Uhrenfabrikanten Winterhalder.

In einem ihrer letzten Interviews stellte sie fest: der Vater sei im Ersten und Zweiten Weltkrieg Soldat gewesen. Den habe sie kaum gesehen. „Der Krieg hat uns die Kindheit geklaut.“ Nach dem Krieg erlebte sie die Zeit des Hungerns und Hamsterns. Rosemarie Banholzer berichtete, welche Bedeutung Lebensmittel damals hatten: Als sie 1948, im Alter von 23 Jahren, heiratete, habe der Hochzeitsfotograf kein Geld gewollt – dafür aber Butter und Schnaps.

Rosemarie Banholzer als Kind in einer Schwarzwälder Tracht.
Rosemarie Banholzer als Kind in einer Schwarzwälder Tracht. | Bild: Rindt, Claudia

Obwohl das Leben nicht einfach war, habe sie immer Wert darauf gelegt, dass die Kinder Musikunterricht bekamen. Dies bestätigt ihr Sohn Klaus Banholzer: Sie sei großzügig gewesen und habe sich das anfangs oft knappe Geld vom Munde abgespart, um die Wünsche der Kinder zu erfüllen. Er hat seine Mutter in Erinnerung als: warmherzig, kontaktfreudig, liebevoll, offen, sozial denkend und handelnd.