Der Morgennebel wabert durch den Mainauwald, die Sonne kämpft sich langsam durch. Kurz nach 12 Uhr ist es auf der Insel Mainau noch sehr ruhig. Außer ein paar Hinweisschildern auf ein Pressezentrum und Absperrgittern vor dem Schloss deutet wenig darauf hin, dass hier heute eine Königin erwartet wird. Doch das ändert sich bald.

Anlass des königlichen Besuchs ist die Taufe der Mentor-Rose. Ulrike und Matthias Cordt aus Düsseldorf zählen zu den ersten Gästen, die darauf warten, dass sich die Monarchin ein paar Minuten Zeit für ihre Fans nimmt. „Wir machen gerade am Bodensee Urlaub und haben im SÜDKURIER gelesen, dass die Königin kommt“, erzählt Ulrike Cordt.
Da war ein Abstecher auf die Mainau Ehrensache. Schließlich kennt das Ehepaar die königliche Familie schon lange. „Wir waren zehn bis zwölf Mal in Schweden“, sagt Matthias Cordt. „Einmal haben wir fast der ganzen Königsfamilie die Hand geschüttelt, als Victoria von Schweden auf Öland ihren Geburtstag feierte.“

Auch bei der Hochzeit von Carl Philip von Schweden waren sie als Zaungäste in Stockholm dabei und sahen Königin Silvia erneut, als sie sich in Düsseldorf ins goldene Buch der Stadt eintrug.
Matthias Cordt hat seine Kamera dabei, er möchte den großen Moment nicht verpassen. „Die Mitglieder der schwedischen Königsfamilie sind alle so normal und haben keine Allüren“, schwärmt die 69-jährige Ulrike Cordt.

Ein paar Meter weiter schwenkt Christina Hoss aus Wildberg im Schwarzwald ihr Schweden-Fähnchen. „Ich bin ein echter Silvia-Fan, seit ich 14 Jahre alt war“, erzählt die 57-Jährige. „Mich fasziniert, dass sie eine Bürgerliche ist, die zur Königin wurde. Das ist doch der Traum aller Mädchen.“ Sie selbst habe sich an Fasnacht auch gern als Prinzessin verkleidet.

Christina Hoss schrieb regelmäßig Briefe an Königin Silvia und erhielt sogar Antworten aus dem Königshaus. „Da ich Erzieherin bin, habe ich sogar nach der Geburt von Prinzessin Victoria eine Bewerbung geschrieben. Aber ich habe mich nie getraut, sie abzuschicken“, erzählt die 57-Jährige und lacht.
Dennoch kam es vor etwa 20 Jahren auf der Mainau zu einem Gespräch mit der Königin. „Sie ist so nahbar und ich finde es toll, dass sie sich für Kinder und Jugendliche einsetzt“, sagt Christina Hoss.
„Es ist einfach Voyeurismus“
Eleonore Pfäffle aus Überlingen, die mit dem Schiff auf die Mainau kam, bekennt dagegen: „Ich bin keine passionierte Fan-Reisende. Ich bin einfach neugierig, es ist Voyeurismus.“ Dennoch hält sie Königin Silvia für „eine interessante Frau, die hat Grips“.

Plötzlich kommt Bewegung in die Wartenden, die inzwischen in drei bis vier Reihen auf dem Schlosshof stehen. Ein schwarzer und ein weißer Wagen fahren vor. Bettina Gräfin Bernadotte und Königin Silvia steigen aus. Ein kurzes Raunen, dann sind die beiden auch schon im Schloss verschwunden. Mainau-Mitarbeiterin Gloria Jäck verteilt Schweden- und Mainau-Fähnchen.
Ein schweres Geschenk für Ihre Majestät
Ruth Achatz hat ein außergewöhnliches Geschenk im Gepäck. Neben der 86-Jährigen aus Friedrichshafen steht eine 40 bis 50 Jahre alte geschnitzte Madonna mit Kind, die etwa 25 Kilogramm wiegt. „Sie gehörte einst meinem Chef, doch als er starb, erhielt ich die Madonna“, erzählt Ruth Achatz. „Weil Silvia so würdevoll ist und sich um Kinder kümmert, soll sie die Figur heute bekommen. Sie wird bestimmt ein Plätzchen dafür finden.“

Auch für Elmar Körner ist dieser Tag etwas ganz Besonderes. „Ich habe 22 Jahre lang an der Einlass-Kontrolle der Mainau gearbeitet. Jetzt bin ich in Rente und habe endlich die Gelegenheit, die Königin zu sehen“, sagt der 69-Jährige begeistert.

Auch seine Frau Barbara Wolter arbeitete 27 Jahre lang im Kassenbereich der Mainau und will sich den royalen Besuch nicht entgehen lassen. „Wenn die Königin kommt, muss man dabei sein, wenn man das Mainau-Virus in sich trägt“, sagt Elmar Körner. Beide tragen Kleidung in Schweden-Farben. Sprechen sie denn Schwedisch? „Nein“, sagt Elmar Körner und lacht. „Ich kann nur Smörrebröd.“

Einer der jüngsten Gäste ist ein Dreijähriger, der mit seinen Eltern in Zürich lebt, aber gerade Urlaub in Allensbach macht. Warum ist die Familie hier? „Ich bin eine absolute Nicht-Royalistin“, sagt die Mutter. „Ich finde, die Monarchie ist total aus der Zeit gefallen. Aber im Märchen kommt so oft eine Königin vor, dass wir unserem Sohn mal eine zeigen wollten“, sagt sie und lacht.
„Gleich kommt die Queen!“
Und dann ist es 14.06 Uhr. „Gleich kommt die Queen!“, ruft ein Kind. Endlich öffnet sich die Tür und Silvia von Schweden winkt, lächelt und schüttelt Hände. Sie steuert auf Ruth Achatz zu und nimmt die Madonna entgegen. Die 86-Jährige ist selig. Auch Uwe Kußmaul aus dem Schwarzwald darf kurz mit Ihrer Majestät sprechen. Kein Wunder: Er ist weitläufig mit ihr verwandt.

Uwe Kußmaul ist der Urenkel des Prinzen Ludwig von Baden. Der wiederum war der Bruder von Viktoria von Baden, die später durch Heirat Königin von Schweden wurde. „Ich bin ein Groß-Groß-Cousin des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf und auch mit dem Haus Baden und Familie Bernadotte verwandt“, erzählt er.

Die Königin läuft langsam an der Menge vorbei in Richtung Palmenhaus. Der strenge Zeitplan drängt, schon bald wartet die nächste Veranstaltung. Doch für Ingeborg Vordermaier findet Silvia von Schweden auch noch kurz Zeit. Die 57-Jährige überreicht ihr ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „Gruß aus München“.

Sie ist extra aus der bayerischen Landeshauptstadt gekommen, um ihr Idol zum wiederholten Mal zu treffen. „Als ich ein Kind war, nahm meine Mutter mich einmal mit in die Stadt und sagte, ich könne heute eine echte Königin sehen. Seitdem bin ich ihr verfallen.“ Davon zeugt auch ein Tattoo der schwedischen Krone auf ihrem rechten Arm.
