Es vergeht kaum ein Auftritt im Bodenseestadion, bei dem die Künstler nicht auch ein paar gute Worte sagen. Dass die Besucherinnen und Besucher aufeinander aufpassen sollen. Dass Übergriffe hier keinen Platz haben. Und dass sie so dankbar sind, hier auftreten und ihren eigenen Festival-Sommer eröffnen zu dürfen. Manchmal wird es auch geradezu emotional. Der junge Sänger Edwin Rosen erzählt, wie er zwei Jahre zuvor auf der kleinen Bühne am Waldrand spielen konnte und jetzt auf der großen vor fast allen der 25.000 Besucher steht. Sehnsüchtig singt er: „Komm, wir verschwenden unsere Zeit zusammen“.
Achtsamer Umgang – in der Festival-Kultur hat sich etwas geändert
Es könnte das Leitmotiv für dieses Campus-Festival sein, nur: Die Gäste verschwenden ihre Zeit nicht, sie genießen sie. Für sie mag es auch eine Flucht aus einem Alltag sein, vor allem aber ein Fest des Miteinanders. Wenn jemand seine Brille verliert – sofort bildet sich auf der dicht gepackten Fläche vor der Bühne ein Kreis, Handy-Taschenlampen werden eingeschaltet, alle suchen gemeinsam. Als Paula Hartmann, Höhepunkt im Programm und Abschluss des zweiten Festival-Tags, ihre Ballade „Nie verliebt“ anstimmt, wird es fast ein bisschen andächtig.

Das sind Szenen, die die Besucherinnen und Besucher nach einem Wochenende mitnehmen, an dem sie fröhlich das Leben und ihre Musik gefeiert haben. Sie haben ganz junge Künstlerinnen und Künstler erlebt wie Carla Ahad aus Berlin, Kili aus Konstanz oder die Band Jassin, die noch wirkt wie eine Schüler-Combo und doch schon so professionell aufritt, wie die Großen bei diesem Festival – Culcha Candela bringen die Menge ins Schwitzen, Soho Bani zum Staunen, Blümchen zum Raven, KIZ zum Toben.

Und zwischendrin immer diese besonderen Momente, wie sie nur auf einem Festival entstehen. Tiefe Blicke in die Augen eines Unbekannten, die Aussicht auf den See rechts hinter der kleinen Bühne, die eine Textzeile, die lange in Erinnerung bleiben wird.
Am Samstagmorgen zwängen sich die Festivalgäste mit heißen Köpfen in den Shuttlebus. Innen kühlt Merle Schiering sich und ihre Freundinnen mit einem Ventilator. Sie ist Influencerin und auch hier, um Content aufzunehmen, Bilder für ihren Kanal. „Es ist Festival und Urlaub in einem. Wir waren heute Morgen schon im Strandbad am Rhein und haben da geduscht.“ Die Nähe zu den Künstlerinnen und Künstlern bis ins Publikum hinein gefällt ihr und ihren Freundinnen Katrin Kostev und Pauline Kytmannow besonders, zum Beispiel hat der Stuttgarter Sänger Edwin Rosen mitten in der Menschenmenge mitgefeiert.

Wer schwermütig an die Anfänge des Festivals zurückdenkt, findet an der Bühne Klimbim und Firlefanz eine Oase: Im Schatten großer Bäume sitzen Leute wie zum Picknick auf dem Rasen, die Luft ist frisch und kühl, durch die Zweige blitzt der Bodensee. Auf der Wiese nebenan öffnet sich der Panoramablick auf Meersburg, hier kommt der Spieltrieb raus: Mit Schwimmnudeln fechten, auf der Hüpfburg springen, sich mit Glitzer- bepinseln oder ganz konzentriert ein Armband als Andenken zusammenfädeln: Das Setting fühlt sich handgemacht und persönlich an, so muss es in den ersten Jahren auch gewesen sein.
Neue Talente und lokale Bands zu fördern, war von Anfang an ein Anliegen des CampusFestivals. Kili aus Konstanz haben am Samstag die Hauptbühne eröffnet und vor Tausenden Menschen Musik gemacht. „Das war echt krass, ich kenne das von anderen Festivals, dass die Leute sich in der ersten Reihe bunkern und darauf warten, dass ihre Lieblingsband drankommt. Aber hier hatten alle Bock, alle haben mitgemacht.“ erzählen Kim und Lia, die Köpfe hinter Kili.

In der vierten Auflage im Bodenseestadion ist das Campus-Festival am neuen Ort vollends angekommen. Mitten unter den jungen Leuten steht Ulrich Rüdiger. Er hat, als Rektor der Universität Konstanz, dieses Festival 2015 mit aus der Taufe gehoben. Dass daraus einmal etwas so Großes werden würde, hat er sich selbst nicht vorstellen können, sagt er. Und genießt die zwei Tage in Konstanz genauso wie diejenigen, die zum allerersten Mal dabei sind.
25.000 Menschen im Stadion – und mehr geht auch nicht
Mit 25.000 Gästen ist das zweitägige Ereignis ausverkauft, und es wird auch deutlich, dass die Kapazitätsgrenze im Stadion damit erreicht ist. Noch in der Nacht zum zweiten Veranstaltungstag bessern die Verantwortlichen nach – der Einlass geht am Samstag schon schneller, das bargeldlose Bezahlen an den Verpflegungsständen funktioniert besser. Es bleibt bei einer einzigen Situation, bei der es am Einlass zum vordersten Bereich an der Bühne eng wird – zum Auftritt des Rappers Disastar gibt es ein unschönes Gedränge, die Polizei steht parat, aber nach ein paar Minuten ist die Lage geklärt.

Zu weiteren größeren Einsätzen wird es nicht kommen. Am Samstagabend schauen die Beamten genauer hin, wie es mit dem Rückweg läuft: Bis weit nach Mitternacht müssen die letzten Gäste warten, bis sie einen der Busse zurück in die Stadt oder vom Campingbereich auf dem Flugplatz besteigen können.
Die Polizei sagt Danke: „Reibungslose Zusammenarbeit“, „störungsfreier Verlauf“
Ansonsten zieht das Konstanzer Präsidium ein überaus positives Fazit: „Dank des Verkehrskonzepts, der Sicherheitskonzepte des Veranstalters und der reibungslosen Zusammenarbeit mit dem Veranstalter und allen beteiligten Organisationen und Behörden verlief die Veranstaltung an beiden Tagen störungsfrei und ohne besondere Vorkommnisse“, heißt es in einer ersten Bilanz.

An beiden Tagen zusammen, so die Polizei weiter, seien lediglich elf Straftaten registriert worden, darunter Hausfriedensbruch, einfache Körperverletzungen und Urkundenfälschungen, das sei „im Hinblick auf die hohe Besucherzahl und die ausgelassene Feierstimmung positiv.“ Und noch etwas ist den Beamten aufgefallen – auch sie haben viel Respekt erlebt. „Das Polizeipräsidium Konstanz bedankt sich ausdrücklich für das freundliche Verhalten aller Festivalbesucherinnen und -besucher gegenüber den Einsatzkräften. Die polizeiliche Präsenz wurde vielfach begrüßt“, heißt es in der Mitteilung aus der Nacht zum Sonntag wörtlich. Dem können sich auch die Veranstalter anschließen.

Xhavit Hyseni und seinen Mitstreitern ist auch noch etwas anderes wichtig: „Wir danken ausdrücklich auch den Anwohnern und allen anderen, die an diesen zwei Tagen viel Toleranz für die jungen Menschen gezeigt haben.“