Konstanz ist bekannt für seine historische und schöne Altstadt. Jedes Jahr finden tausende Touristen den Weg in die größte Stadt am Bodensee und auch die Konstanzer wissen, ihre historische Altstadt zu schätzen. Dabei hätte Konstanz auch anders aussehen können, wäre die Geschichte in etwas anderen Bahnen verlaufen. Denn während des zweiten Weltkriegs wurden unzählige deutsche Städte von den alliierten Streitkräften bombardiert.

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Nicht so Konstanz. Die Stadt blieb von diesen Bombardierungen verschont. Aber wie hat es die Stadt geschafft, den Krieg nahezu unversehrt zu überstehen? Zu diesem Thema hält sich unter Konstanzern hartnäckig eine Erzählung, die auch schon über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist: Konstanz wurde von den Bomben verschont, weil die Stadt das Licht an ließ. Die ankommenden Bomber sollen gedacht haben, dass Konstanz Teil der direkt angrenzenden Schweiz ist. Aber stimmt diese Geschichte?

Ja, Konstanz ließ die Lichter brennen

Der Teil mit den brennenden Lichtern stimmt, ja – sie sind aber nur ein Teil der Geschichte, die dazu führte, dass die Konzilstadt heute noch so unversehrt ist, wie Jürgen Klöckler, Leiter des Konstanzer Stadtarchiv, weiß. „Das Licht spielt natürlich eine große Rolle. Da gab es die Verdunkelungen, die mit Beginn des Zweiten Weltkriegs eingeführt wurden, die – und das ist das Entscheidende – auch in der Schweiz angewandt wurden“, so Klöckler.

Jürgen Klöckler, Leiter des Konstanzer Stadtarchivs, kennt sich mit der Geschichte der Stadt Konstanz aus und weiß, welche Geschichten ...
Jürgen Klöckler, Leiter des Konstanzer Stadtarchivs, kennt sich mit der Geschichte der Stadt Konstanz aus und weiß, welche Geschichten nur zum Teil richtig sind. | Bild: Esteban Waid

Doch das ändert sich in der zweiten Kriegshälfte. Denn auch die eigentlich neutrale Schweiz wurde ungewollt Ziel von Luftangriffen. Immer wieder fanden einzelne Bomber nicht das gewünschte Ziel und trafen so Städte wie Zürich oder Schaffhausen. Die Folge dieser Bombardierungen: die Schweiz lässt ihre Städte um 1942 wieder beleuchten, um sich so von deutschen Städten abzugrenzen.

Hier half der günstige Grenzverlauf den Konstanzern, die sich daraufhin entschieden, auch ihre Stadt erleuchten zu lassen in der Hoffnung, als Schweizer Stadt durchzugehen. Die ankommenden Bomber sollen also von einer Stadt ausgehen. Wichtig sei aber, dass nur die Altstadt beleuchtet wurde. „Petershausen und alles, was rechtsrheinisch liegt, wurde nicht beleuchtet“, erklärt Klöckler.

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Die brennenden Lichter waren in ganz Deutschland etwas besonderes. Zu diesem Zeitpunkt des Krieges gab es immer noch Tourismus innerhalb des Landes – auch durch die nationalsozialsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“. „Die kamen dann hierher auf Erholungsurlaub und haben sich ab 1943 an dieser erleuchteten Altstadt erfreut“, erzählt Klöckler. Eine beleuchtete Stadt mitten im Krieg: eine Sensation.

Die fehlende Rüstungsindustrie als Rettung

Doch wie bereits angemerkt, sind die Lichter nicht der einzige Grund, dass keine Bomben über der Konzilstadt abgeworfen wurden. „Ein anderer Punkt – und das ist mindestens genauso entscheidend – ist die Frage, wo waren denn hier am Bodensee überhaupt Rüstungswirtschaftliche interessante Ziele?“, fragt Klöckler. Das wichtigste Ziel am Bodensee war nämlich Friedrichshafen.

Die zerbombte Innenstadt von Friedrichshafen
Die zerbombte Innenstadt von Friedrichshafen | Bild: SK-Archiv

Auf der Liste der Royal Air Force mit den zu bombardierenden Zielen sei die Industriestadt auf dem zehnten Platz gewesen – besonders Flugzeuge und Panzermotoren wurden dort gefertigt. Während Konstanz also gänzlich verschont blieb, wurde die alte Stadt Friedrichshafen nahezu vollkommen zerstört. Die erste Bombardierung fand in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1943 statt. Damals starteten 60 Bomber aus dem britischen Southampton, um die Stadt am Bodensee und weitere Ziele in Italien zu bombardieren.

In Konstanz hingegen gab es hauptsächlich (Anm.d.R.: Der Artikel wurde an dieser Stelle angepasst. Zuvor stand an dieser Stelle „nur“ statt „hauptsächlich“) die Textilindustrie, die zwar auch für die Wehrmacht produzierte, diese sei aber im Vergleich zur Industrie am nördlichen Bodensee weit weniger kriegsentscheidend gewesen – zum Glück für Konstanz. Erst im Sommer 1944, als sich der Krieg dem Ende neigte, wurde die Rüstungsindustrie aus Friedrichshafen herausgezogen. Eine kritische Situation, wie Jürgen Klöckler erklärt, weil auch Konstanz als möglicher Standort in Frage kam.

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Der damalige Bürgermeister Leopold Mager, der überzeugter Nationalsozialist war, wehrte sich gegen die Ansiedlung von Rüstungsindustrie in der Stadt. Nach und nach gab es nur kleine Verlagerungen in die Konzilstadt. Bis sich diese aber rumgesprochen hätten, sei der Krieg längst vorbei gewesen, wie Klöckler erklärt.

Die fehlende Luftwaffe Frankreichs

Es waren also viele Faktoren, die am Ende dazu führten, dass keine Bomben auf Konstanz niedergingen. Ein letzter Punkt ist die Besetzung durch die Franzosen. „Das südliche Baden wurde von der ersten französischen Armee von General Jean de Lattre de Tassigny besetzt“, so Klöckler. Auch hier wird klar, wie viel Glück die Stadt am Ende hatte. Denn Frankreich verfügte über keine Luftwaffe. Es war so also ausgeschlossen, dass Konstanz noch in den letzten Zügen des Krieges bombardiert wird.

Parade der Franzosen auf der Rheinbrücke
Parade der Franzosen auf der Rheinbrücke | Bild: Stadtarchiv Konstanz [Dep. Burchardt ECPA]

Hinzu kommt, dass die Französischen Streitkräfte auch ein Interesse daran gehabt hätten, dass einige Städte unversehrt blieben, wie Klöckler erklärt. Schließlich sei der Einmarsch in eine zerstörte Stadt weit weniger ansehnlich, was dazu führte, dass die französischen Truppen Paraden in der Konstanzer Stadt abhielten und sich von den eigenen Soldaten feiern ließen.

So wurde die Altstadt schließlich doch noch Ziel der Alliierten. Allerdings eben nicht zum Bombenabwurf, sondern als Kulisse der Machtdemonstration.

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Na, sind Sie überrascht? Wenn Sie eine weitere Erzählung, eine „Urban Legend“, aus Konstanz oder der Umgebung kennen, und möglicherweise sogar Hintergründe zu der Geschichte wissen, melden Sie sich gerne per Mail an konstanz.redaktion@suedkurier.de. Wir finden dann für Sie heraus, ob sie wahr oder falsch ist.