Andrea Rohde aus Dettingen hat beim Blick auf ihre Stromrechnung große Augen gemacht. Sie bezahlte 2020 noch knapp 300 Euro für den Ökostrom der Stadtwerke Konstanz, im Jahr darauf waren es 423 Euro. Und für dieses Jahr hat sich ihr monatlicher Abschlag erneut erhöht. Die selbständige Texterin hat aber Verständnis für die Preiserhöhung. „Irgendwie muss die Energiewende ja finanziert werden“, sagt sie.
Energie wird teurer, die Gründe dafür sind vielseitig: weniger Strom durch eine Windflaute in der Nordsee, leere Gasspeicher in Europa, eine erhöhte Nachfrage durch die wirtschaftliche Erholung in der Pandemie oder auch die Unsicherheiten der Gaspipeline Nord Stream 2.
Kunden müssen Preiserhöhungen bei Strom und Gas jedoch nicht einfach hinnehmen. In der Regel beinhalten Verträge im Falle einer Veränderung wie beispielsweise einer Preiserhöhung ein Sonderkündigungsrecht, wie ein Sprecher der Verbraucherschutzzentrale dem SÜDKURIER mitteilt. Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn im Vertrag eine sogenannte „separierte Preisanpassungsklausel“ vereinbart wurde und wenn die Preiserhöhung durch höhere Steuern oder EEG-Umlagen zustande kommt. In jedem Fall müssen Energieversorger ihre Kunden mindestens einen Monat im Voraus über die anstehende Erhöhung informieren.
Wie ist die Preispolitik der Konstanzer Stadtwerke?
So haben sich die Preise der Stadtwerke in den vergangenen Monaten entwickelt:
- Strom: Der Bruttoverbrauchspreis, also Mehrwertsteuer inklusive, stieg zum Jahresbeginn 2022 um genau 3 Cent pro Kilowattstunde. Nun liegt der Arbeitspreis in der Grundversorgung bei 32,9 Cent/kWh. Allerdings sank zum gleichen Zeitpunkt die EEG-Umlage um 3,3 Cent/kWh. Die Preiserhöhung für den Strom wird für die Kunden somit nicht spürbar sein. Es sei denn, der Verbrauch erhöht sich. Der Grundpreis blieb stabil. Die Stadtwerke geben unter anderem erhöhte Kosten in der Stromerzeugung sowie erhöhte Preise für CO2-Zertifikate als Gründe für die Preiserhöhung an.
- Erdgas: Hier erhöhte sich der Bruttopreis pro Kilowattstunde zum 1. Oktober 2021 um 0,833 Cent. Wie viele Mehrkosten dadurch auf die Verbraucher zukommen, hängt von verschiedenen Faktoren ab: das Heizsystem, der Dämmzustand oder auch davon, ob das Warmwasser mit Gas erzeugt wird. Grob geschätzt wird die jährliche Heizkostenabrechnung dadurch für ein Einfamilienhaus zwischen 150 und 250 Euro höher ausfallen, für einen Single-Haushalt etwa 50 Euro.
- Trinkwasser: Beim Trinkwasser erhöhten die Stadtwerke den Arbeitspreis um 11 Cent pro Kubikmeter auf 2,28 €/m³. Ein Single-Haushalt, der im Schnitt pro Jahr etwa 46 Kubikmeter (46.000 Liter) verbraucht, muss nun etwa fünf Euro mehr bezahlen. Ein vierköpfiger Haushalt (circa 170 Kubikmeter Jahresverbrauch) muss mit Mehrkosten von etwa 19 Euro rechnen. Die Wasser-Grundpreise blieben hingegen zuletzt unverändert.
- Bus: Zum Jahreswechsel stiegen die Preise zweier Tarife um jeweils fünf Cent. Nun zahlt ein Erwachsener für ein Einzelticket 2,60 Euro (statt vorher 2,55 Euro) und ein Kind 1,50 Euro (statt vorher 1,45 Euro). Auch hier lautet die Begründung für die Anpassung: gestiegene Kosten.
- Fähre: Kunden der Fähre zwischen Konstanz und Meersburg müssen seit dem Jahreswechsel mehr bezahlen – zumindest dann, wenn sie mit einem PKW unterwegs sind. Für alle Autos ab einer Länge von mehr als drei Metern gelten sowohl für Einzel-, Tages-, als auch Jahreskarten um 2,5 bis 3 Prozent höhere Preise. Ein gängiger PKW mit einer Länge bis zu fünf Metern zahlt demnach für eine einzelne Fahrt nun 10,10 Euro statt vorher 9,80 Euro. Eine Hin- und Rückfahrt kostet nun 24,50 Euro statt 23,90 Euro. Eine Jahreskarte gibt es jetzt für 1812,60 Euro statt 1759,80 Euro. Zudem schraubten die Stadtwerke die Taktung der Überfahrten von 15 auf 20 Minuten herunter, was in Stoßzeiten zu langen Schlangen und Unmut bei den Kunden führt.
Wie die Stadtwerke die Erhöhung begründen? „Hier haben wir das Augenmerk auf den ökologischen Aspekt gelegt und wollen vor allem Fußgänger und Fahrradfahrer entlasten, weshalb es bei diesen Gruppen keine Tariferhöhung gab“, teilt Pressesprecher Christopher Pape mit. SÜDKURIER-Recherchen haben derweil ergeben, dass aber weniger ökologische, sondern vielmehr finanzielle Gründe für die Anpassung von Tarifen und Taktung verantwortlich sind. - Internet und Telefon: Hier gab es keine Preiserhöhungen.
In nahezu allen Produkten und Dienstleistungen sind die Stadtwerke folglich teurer geworden. Damit stellen sie allerdings keine Ausnahme dar. Wie aus einer Studie des Vergleichsportals Check24 hervorgeht, haben bundesweit 439 Gasanbieter zum neuen Jahr ihre Preise erhöht, beim Strom sind es 192.
Bei der Mobilität haben die Stadtwerke Konstanz nach eigenen Angaben sogar auf eine noch deutlichere Kostensteigerung verzichtet. Pressesprecher Pape: „Aus Inflationsgründen und um das pandemie-bedingte hohe Defizit auszugleichen, hätten wir eigentlich eine höhere Tarifanpassung über alle Mobilitätssparten hinweg vornehmen müssen. Unser Ziel ist und bleibt es jedoch, unsere Vielfahrer zu entlasten und damit dem ökologischen Aspekt Rechnung zu tragen.“
Kunden wie Andrea Rohde haben angesichts der Preiserhöhungen zwei Möglichkeiten: Die Preiserhöhungen akzeptieren oder kündigen und einen günstigeren Anbieter beziehen. Andrea Rohde hat ihren Vertrag bei den Stadtwerken bereits gekündigt – weil sie wegziehen wird. In Konstanz habe sie keine bezahlbare Wohnung gefunden.