Beate Kania hat Himmel und Hölle durchgemacht. Vor drei Jahren starb ihr Kind in der 31. Schwangerschaftswoche. Das Herz hatte aufgehört zu schlagen. Ein halbes Jahr später erwartete sie wieder ein Kind. Heute ist die kleine Thea fast zwei Jahre alt. Beate Kania brauchte in der Krisenzeit jemanden, mit dem sie über ihre Gefühle zwischen Trauer und Vorfreude sprechen konnte.
Dafür gibt es in Konstanz die Gruppe Schwangerschaft nach Verlust eines Kindes. Die Hebamme Ana Luca Dreßler und die betroffenen Mutter Frederike Schönberger leiten diese. Rückblickend sagt Beate Kania, dort habe sie sich aufgefangen und verstanden gefühlt. Wer nicht selbst betroffen oder vom Fach sei, könne nur schwer nachvollziehen, was sie damals bewegte.
„Die Trauer hört ja nicht auf, sie verändert sich nur.“
Beate Kania hat erlebt, wie die Umwelt auf ihre zweite Schwangerschaft reagierte. Die Rückmeldungen unter dem Strich: Jetzt ist ja alles wieder gut. Für die werdende Mutter aber war gar nichts gut. „Es ist eine ganz andere Art schwanger zu sein.“ Da war die Angst, dass wieder etwas mit dem Baby passieren könnte, da war die Frage, ob sie vielleicht Schuld hatte am Tod des ersten Kindes und da war der Schmerz über den Verlust. „Die Trauer hört ja nicht auf, sie verändert sich nur.“
Beate Kania hatte sich auf ihr erstes Kind gefreut. Die heute 36-Jährige wusste, dass es ein Mädchen werden sollte, und hatte diesem den Namen Charlotte gegeben und ihr ein Zimmer eingerichtet. Alle ärztlichen Untersuchungen zeigten gute Ergebnisse, die Schwangerschaft verlief normal. Dann, in einer Zeit, in der es eng wird im Körper der Frau, war es plötzlich ruhig im Bauch.
Anfangs dachte Beate Kania, dass das Kind vielleicht schläft. Dann hört der Frauenarzt keine Herztöne mehr. Wahrscheinlich hat die Plazenta ihren Dienst nicht getan. Es ließ sich nie ein medizinischer Grund für das Drama finden. Wenig später kommt das Kind auf natürlichem Weg auf die Welt, es hat 1,5 Kilogramm, lebt aber nicht mehr. Beate Kania hielt die Kleine in den Armen, ließ sie fotografieren. „Es bleibt einem ja nichts.“ Einmal im Monat geht die Frau ans Grab des Kindes.
Der Vater, Jan Kania, sagt rückblickend, es habe ihn belastet, dass es keinen Grund für das Ableben des Kindes gab. „Das ist wie krank sein, und keine Diagnose haben.“ Die Mutter sagt: „Ich war enttäuscht, dass es keinen Befund gab.“ Ein halbes Jahr später ist Beate Kania wieder schwanger. Doch sie traut sich kaum, eine Beziehung zum Baby aufzubauen. „Man will sich ja nicht nochmals die Finger verbrennen.“ Das Unbeschwerte war weg. Ihr Motto damals: „Das Beste hoffen und mit dem Schlimmsten rechnen.“
Und ständig die Frage: „Hey, Kleine, geht es dir gut?“
Damals hätte sie am liebsten einen gläsernen Bauch gehabt. Ständig fragte sie sich: „Hey, Kleine, geht es dir gut?“ Ärztliche Untersuchungen konnten sie kaum beruhigen. Zu sehr hatte sich die Erfahrung bei der ersten Schwangerschaft eingebrannt. Zwei Wochen nachdem beim Ultraschall noch alles in Ordnung angezeigt wurde, lebte das Kind nicht mehr.
Inzwischen sagt sie sich: Es ist so, wie es ist. Doch bis dahin habe sie einen langen Prozess durchgemacht. In der Zeit der Unsicherheit seien Stimmen aus der Gruppe anderer Betroffener und der Hebamme so wichtig gewesen. Sie hielten ihr vor Augen, dass auch nach dem Verlust eines Kindes eine Schwangerschaft ein glückliches Ende nehmen kann.
Auch der Vater, Jan Kania, besuchte die Gruppe, um den Tod des Babys aufzuarbeiten. Das andere Kind sollte nicht unter dem Verlust leiden. Beide sagen, sie wollten keine überbehütenden Helikopter-Eltern sein. Der Nachwuchs soll sich frei entwickeln können. Beate Kania hat sich bewusst gegen die frühere Tätigkeit in leitender Funktion entschieden, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Sie arbeitet jetzt als Tagesmutter. Sie sagt: „Die Familie hat einen ganz anderen Stellenwert.“
Jedem den Raum geben, der ihm wichtig ist, das will die Gruppe Schwangerschaft nach Verlust eines Kindes. „Wir geben gar nicht so viel an die Hand. Im besten Falle gehen Mütter und Väter gestärkt nach Hause“, sagt die Hebamme Ana Luca Dreßler. Wer teilnimmt, solle sich wohlfühlen.
„Wie viel Trauer lasse ich in der zweiten Schwangerschaft zu?“
Die Gruppe biete die Möglichkeit, sich über das Schicksal, Ängste und Hoffnungen auszutauschen. Teilnehmer könnten auch nur zuhören oder bald wieder gehen. Keiner müsse sich erklären. „Man ist an nichts gebunden. Man darf auch nur einmal da gewesen sein. Wir sind eine offene Gruppe.“ Mütter und Väter seien gleichermaßen angesprochen.
„Jeder muss seinen eigenen Weg finden“, sagt Frederike Schönberger. Sie war erst in der Gruppe Trauernder nach dem Verlust eines Kindes kurz vor oder nach der Geburt. Denn sie hat erlebt, wie ihre Tochter in der 26. Schwangerschaftswoche geholt werden musste und verstarb, kaum, dass sie auf der Welt war. Dann war Frederike Schönberger wieder schwanger.

Zur Trauer um die Tochter kamen neue Themen. „Ich wollte über meine Ängste sprechen.“ Damals horchte sie in ihren Körper hinein, wollte erkunden, ob es irgendetwas gibt, dass die Schwangerschaft stören könnte. Sie bewegte auch Fragen, wie: „Wie viel Trauer lasse ich in der zweiten Schwangerschaft zu?“ Inzwischen hat sie einen gesunden zwei Jahre alten Sohn und ist mit dem dritten Kind schwanger.
Dennoch stellt sie fest, der Verlust eines Kindes präge: „Man wird um die sorglose, strahlende Schwangerschaft gebracht.“ Es gehe darum, wieder Freude zu erleben und Vertrauen zu fassen. „Die meisten Schwangerschaften gehen ja gut.“