Ein Hahn kräht. Der Geruch von Feuerholz liegt in der Luft. Die Turmuhr der Kirche St. Martin schlägt 17 Uhr. Kaum zu glauben, dass nur ein paar Meter entfernt eine der meist befahrenen Straßen von Wollmatingen vorbeiführt: die Radolfzeller Straße.

Kilian Stadelhofer und sein Freund Bernhard Renz sitzen in einer Gartenlaube. Neben ihnen ihre Frauen Corinna Renz und Sandra Fuchs. Sie genießen ihre Idylle in ihrem kleinen gallischen Dorf. Ist das für sie typisch Wollmatingen? Sitzen an dem kleinen Tisch, auf dem ein paar Radler und ein Aschenbecher stehen, die typischen Wollmatinger? Also vier Max und Erika Mustermänner von 6667 Wollmatingern?
Der Wollmatinger ist gerade mal 40 Jahre alt
Die Runde schaut sich an. Ja, aus ihrer Sicht sind sie die durchschnittlichen Wollmatinger. „Vielleicht ist der Durchschnitts-Wollmatinger etwas jünger“, scherzt Kilian Stadelhofer. Seine Lebensgefährtin Susanne Fuchs stimmt zu. „Hier wohnen wirklich viele junge Familien“, sagt sie.
Recht hat er mit seiner Aussage. Wirft man einen Blick in die Stadtteilprofile 2022 der Stadt Konstanz, fällt auf: Die Menschen aus Wollmatingen ist laut dieser Statistik 40,3 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt der vier Freunde liegt aber bei 50,5 Jahren – sie sind also knapp zehn Jahre älter als der Durchschnitt.
Die Bewohner von Wollmatingen sind generell recht jung – zumindest wenn man den Auswertungen der Stadt glaubt. Denn der Altersdurchschnitt für die gesamte Stadt Konstanz liegt bei 41,7 Jahren.
Und was zeichnet den Wollmatinger noch aus? Fast jeder Zweite ist verheiratet. 48,9 Prozent der Menschen (2636 der über 18-Jährigen) sollten im Besitz eines Eherings sein. Nur 35,7 Prozent gehören zu den Singles (1925 Bewohner), 8,9 Prozent (481) sind geschieden, 6,5 Prozent (350) sind verwitwet. Wollmatingen ist damit eher ein Stadtteil der Familien. Die Geburtenrate in Wollmatingen (8,1, das entspricht 54 Neugeborenen) liegt unter über den Konstanzer Durchschnitt (9,4).

Fast alles trifft hier auf die Gruppe zu. Bernhard und Corinna Renz sind schon lange verheiratet und haben zwei erwachsene Kinder. Auch Kilian Stadelhofer und Sandra Fuchs haben zwei Kinder, aber einen Trauschein besitzen sie nicht. Sie führen eine wilde Ehe – und sind glücklich.
Die vierköpfige Clique entspricht noch einem weiteren Punkt der Auswertungen der Konstanzer Stadtprofile. Sie haben alle einen Job. Bernhard Renz und Kilian Stadelhofer sind Maurer und Schlossermeister. Ihre besseren Hälften sind beide Kauffrauen. Die vier zählen sich zur Mittelschicht und können ganz gut davon leben.

Dass nicht alle zur arbeitenden Bevölkerung zählen, wissen die vier. Bis vor Kurzem war Wollmatingen der Stadtteil mit der (prozentual gesehen) größten Arbeitslosenquote. 2021 lag sie bei 4,5 Prozent. Ein Jahr später hat sie sich deutlich gebessert. Jetzt liegt sie laut der Agentur für Arbeit bei 2,9 Prozent.
Aber warum ist diese Zahl so schwankend? Warum war die Anzahl der Arbeitslosen vor nicht all zu langer Zeit so hoch? Das verwundert die Gruppe doch ziemlich. Die Gruppe lässt ihre Schwarmintelligenz durch ihren Freundeskreis ziehen, fällt ihnen niemand ein, der ohne Arbeit ist. „Wir schaffen alle“, sagt Bernhard Renz.
Könnte es am Berchengebiet liegen?
Aber wie kommt dann es dann, dass in Wollmatingen über 131 Arbeitslose wohnen. Schnell kommt eine Besonderheit von Wollmatingen zu tragen. Während Kilian Stadelhofer und seine Freunde eher im alten Dorf Wollmatingen leben, gibt es auch Gebiete, die eher durch Sozialbauten geprägt ist. „In der Mannheimer Straße wohnen sicherlich einige Arbeitslose“, versucht Heinz sich diesen Umstand, zu erklären.
Die Mannheimer Straße liegt mitten im Berchengebiet. Einem Viertel, dass in Konstanz nicht den besten Ruf genießt. Das Wort Ghetto möchte keiner aussprechen. Aber es schwingt in der Luft. Erst vor einige Monaten wurde hier ein Mann festgenommen, der als Telefonbetrüger seine Kasse aufbesserte.

Dass in nicht all zu ferner Zukunft noch ein weiteres Viertel zu Wollmatingen hinzukommen könnte, das die soziale Struktur verändern könnte, davor haben viele Angst. Es geht um das Hafner-Viertel – einem Bauprojekt der Stadt. In dem Gebiet zwischen Wollmatingen und Litzelstetten soll in den kommenden Jahren ein komplett neuer Stadtteil entstehen.
Geplant sind etwa 3300 Wohneinheiten auf 60 Hektar Siedlungsfläche, mit Fokus auf bezahlbarem, klimaneutralem und möglichst spekulationsfreiem Wohnraum. „3330 Wohneinheiten. Da ziehen dort mindestens 6000 Menschen ein auf so engen Raum“, sagt Bernhard Renz. Was auf die Wollmatinger das zukomme, könne man jetzt noch nicht abschätzen.
Hoffentlich kein zweites Berchengebiet, wünschen sich alle. Das Gebiet beginnt an der Fürstenbergstraße und reicht bis zur Bahnlinie. Dort befinden sich neben der Mannheimer Straße auch die Karlsruher oder Brandenburger Straße.
Große Wohnblöcke prägen die Umgebung. Darin einige Sozialwohnungen. Für die Gruppe liegt daher der Schluss nahe: Dort wohnen sicherlich auch einige Arbeitslose, die sich eine bessere Wohngegend in Konstanz nicht leisten können.
Nicht arm, aber auch nicht wirklich reich
Vielleicht hat die Clique damit recht. Und vielleicht drückt die Arbeitslosenquote auch die Kaufkraft der Wollmatinger allgemein. Denn die Kaufkraft der dortigen Einwohner ist im Vergleich zu ganz Konstanz nicht so gut. Während in der Konzilstadt die Kaufkraft bei 100 Punkten liegt, hat sie sich in Wollmatingen bei 96,9 eingependelt. Arm sind die Einwohner dort nicht, aber zumindest gehören sie mehrheitlich wohl auch nicht zu den Besserverdienern.
Einmal Wollmatinger, immer Wollmatinger
Doch was ist nun für einen Wollmatinger typisch? „Das er seinen Stadtteil liebt“, platzt es aus Corinna Renz heraus. Ihr ganzes Leben hat sie bisher dort verbracht. Nie in einem anderem Stadtteil gelebt. „Wenn ich den Kirchturm der St.-Martins-Kirche sehe, bin ich glücklich. Eine Woche ohne den Turm, das geht grad so, aber länger nicht“, sagt sie.

Auch die anderen nicken und blicken über die Dächer zum Kirchturm hoch. Es ist kurz vor 18 Uhr. In ein paar Minuten ertönt wieder die Glocke – und alle werden selig zu ihrem Wollmatinger Wahrzeichen hochsehen.