Es herrscht viel Leben in der Wohnung im Litzelstetter Rathaus, die Waschmaschine wird installiert, Ulrike und Gerd Leinenbach vom Sportverein Litzelstetten kommen vorbei, um Juliana zum Tischtennis einzuladen und abzuholen.

Vergangene Woche haben fünf Frauen und vier Kinder aus der Ukraine ihre extra eingerichtete Unterkunft im Rathaus bezogen. Nächste Woche sollen es fünf Kinder sein – eine der Frauen ist hochschwanger. Die Ukrainerinnen und ihre drei Kinder haben 14.000 Kilometer hinter sich gebracht und entflohen dem Krieg in der Ukraine – sie sehen alle erschöpft aus, sind noch nicht ganz angekommen.
Ihor Melnyk, ein Ukrainer, der schon seit 22 Jahren in Litzelstetten wohnt, kannte Hallena Matsko, eine der ukrainischen Frauen, bereits vor vielen Jahren aus der katholischen Gemeinde in Lemberg. Petra Leising sorgte für die Unterkunft der Frauen und Kinder. Auch Ihor Melnyk unterstützte tatkräftig, er spricht Ukrainisch und Deutsch und war in vielen Angelegenheiten, auch beim Treffen mit dem SÜDKURIER, unentgeltlich als Dolmetscher dabei.
Petra Leising sagt: „Die Litzelstetter kamen echt in Scharen, ich habe es angestoßen und dann ist das gerollt“. Die Geflüchteten haben jetzt fast alles, was sie brauchen – durch das große Engagement der Nachbarn, des Teams der Verwaltung und der Ortschaftsräte.
Von Betten und Möbeln über Essen, für die Kinder Spielzeuge und Kinderwagen, bis hin zur Waschmaschine brachten Litzelstetter vorbei, was gebraucht wurde. Die Frauen müssen jetzt erstmal kaum einkaufen gehen, sie haben einen Tisch voller Lebensmittel. Sie zeigen sich sehr dankbar und überwältigt ob der großen Hilfsbereitschaft vieler Menschen.

Dankbar sind sie auch für die Unterstützung bei vielen Behördengängen, Registrierungen und Formularen: Ortschaftsrätin Dorothea Meier-Zepf half bei der Beantragung einer Krankenversicherung, damit das Kind der schwangeren Christina Matsko nächste Woche im Krankenhaus auf die Welt kommen kann und beide rundum versorgt werden können.
Die Ortschaftsrätin organisierte auch, dass die Kinder gleich neben dem Rathaus zur Grundschule gehen können – was für die Mütter sehr wichtig ist. Auch Fahrräder und Roller wurden der großen Patchwork-Familie geschenkt.
Diese besteht aus Müttern, Töchtern, Schwägerinnen und Enkelkindern: Hallena Matsko mit ihren zwei Töchtern Juliana, 19 Jahre alt, und Veronika, 14 Jahre alt, und ihre Schwiegertochter, die hochschwangere Christina Matsko. Christina ist die Tochter von Maria Mekh.
Maria hat eine zweite Tochter: Sofia – sie ist neun Jahre alt und freute sich, als die Zusage kam, dass sie nebenan in die Grundschule Litzelstetten gehen darf. Veronika geht in die Geschwister-Scholl-Schule. Auch Olha Mekh ist dabei, sie ist die Schwiegertochter von Maria Mekh und hat einen Sohn, Ihor, er ist eineinhalb Jahre alt.

Die Entscheidung zur Flucht fiel nicht leicht
Alle fünf Frauen hätten nach und nach entschieden, aus Lemberg zu flüchten, zuerst Hallena Matsko mit ihren Töchtern, nachdem ein Gebäude auf dem Gelände des Atomkraftwerks Tschernobyl beschossen worden war. Die anderen zögerten erst, kamen dann aber nach, nachdem auch die Entbindungsstation des Krankenhauses beschossen worden war – erst dann entschlossen sie sich, den langen Weg zurückzulegen. Das sei keine einfache Entscheidung gewesen, sagt Maria Mekh, vor allem, weil Christina hochschwanger ist.
Die ukrainischen Frauen haben alle ihre Söhne, Väter und auch den Großvater, der bleiben wollte, zurückgelassen und hoffen, dass der Krieg so bald wie möglich aufhört, damit sie zurückkehren und wieder mit ihren Familien zusammenkommen können. Hallena Matsko sagt: „Der Luftalarm ging jede Nacht, auch tagsüber mussten wir uns immer wieder in Sicherheit bringen. Wenn man das nicht früher schon mal erlebt hat, ist das wie das Ende der Welt.“

Auf der Flucht hätten sie viele Menschen gesehen, die aus den Bussen zehn Kilometer vor der Grenze herausgelassen wurden und den Rest des Weges zu Fuß gehen mussten, ein Kind mit Krücken, eine Mutter, die mit ihrem kleinen Kind auf dem Arm ihre Tasche zurückgelassen hätte, weil Kind und Tasche zusammen zu schwer waren. Zudem hätten sich unzählige Autos gestaut.
Nicht nur die Menschen leiden unter dem Krieg
Viele Flüchtlinge hätten auch Haustiere auf dem Arm getragen, erzählt Olha Mekh – die Transportboxen für das Tier hätten sie oft unterwegs stehengelassen, um Gewicht loszuwerden. Die Ukrainerinnen bestätigen, dass in der Ukraine fast jeder Haushalt ein oder mehrere Haustiere habe, sie würden wie Kinder geliebt werden.
Die Haustiere sind meistens für die Kinder gedacht. Olha Mekh musste ihre zwei Hunde in der Ukraine lassen, sie werden von ihrem Ehemann versorgt, der dort geblieben ist, um die Heimat zu schützen – freiwillig in der regionalen Wehr.
Als die Frauen die Grenze zu Polen übertreten hatten, seien sie überrascht gewesen, wie gut alles organisiert sei, erzählen sie. So viele Helfer und Freiwillige hätten sie unterstützt. Vor der Grenze sei alles chaotisch gewesen, jenseits der Grenze sei dann alles sehr gut gelaufen.

Olha Mekh erzählt, so viele Menschen seien an der Grenze, es sei nicht möglich gewesen, dass alle gleichzeitig rübergehen, deshalb hätten viele lange draußen auf dem Boden sitzen und warten und auch im Sitzen schlafen müssen.
Die Nachbarn hätten gesehen, dass Christina schwanger war und gefragt, ob sie etwas brauche, erzählen die ukrainischen Frauen dankbar. Für Ihor, der eineinhalb Jahre alt ist und eine Laktoseallergie hat, haben sie geholfen, die richtige Milch zu finden.
Hallena Matsko erzählt von Unbekannten, die klingeln und dann weitergehen – und auf der Treppe dann jeden Tag Blumen und Lebensmittel hinterlassen. Sie erzählt auch begeistert von einer Nachbarin, die ihnen einfach ihren Schlüssel gegeben hat, damit sie rübergehen und Kleidung waschen könnten.
„Jede Hilfe trägt dazu bei, den Krieg zu beenden“
Die Ukrainerinnen betonen, dass sie sich bei den Litzelstettern bedanken wollten. Und dass diese Hilfeleistungen dazu beitrügen, den Krieg in der Ukraine zu stoppen. Ihre Männer in der Ukraine hätten so weniger Sorgen und wüssten, dass ihre Frauen und Kinder in Sicherheit sind und könnten und sich mit klaren Köpfen der Verteidigung widmen. Auch Ihor Melnyk betont, dass sie den Lesern gern ausrichten lassen würden: „Jede Hilfe trägt dazu bei, den Krieg zu beenden“.
Melnyk sagt auch, den Frauen gehe es zwar gut, aber sie lachen nicht wirklich und sind traurig. Die Frauen hoffen alle, bald wieder zurückzukehren und machen sich derzeit erst einmal Gedanken darüber, wie sie sich beruflich betätigen, sollte der Krieg länger dauern. „Erstmal müssen wir Deutsch lernen“, stellt Hallena Matsko fest.
Sie werden Sprachkurse der Organisation Save Me besuchen. Sie erklärt auch: „Ich hoffe, dass der Krieg so schnell wie möglich zu Ende geht, es ist ein Traum von uns allen, wieder zurückzukehren.“ Auch die 19-jährige Juliana sagt: „Ich will nach Hause“. Maria Mekh hofft, „dass Christina ihr Kind gesund zur Welt bringt, sich hier erstmal erholt und dass wir dann alle zusammen glücklich in die Ukraine zurück können“.