„Skalpell, bitte!“ Ein Schnitt in die Haut des Patienten, Blut schießt heraus. „Mist, ich kann die Blutung nicht stoppen! Bitte zwei Beutel Spenderblut nachkreuzen!“ So oder so ähnlich werden Operationen im Fernsehen dargestellt, doch so blutig geht wenn überhaupt nur in der Unfallchirurgie zu. Ansonsten sind die Klinken angehalten, so blutsparend wie möglich zu operieren. Auch das Klinikum Konstanz hat auf das sogenannte Patient Blood Management umgestellt und spart Fremdblut ein, wo es nur geht.

Es wird weniger Blut gespendet

Und das aus gutem Grund: Zum einen kämpfen die Blutspendedienste auch im Kreis Konstanz seit geraumer Zeit damit, dass immer weniger Blut gespendet wird. Die Corona-Pandemie erschwerte die Spendetermine, außerdem finden sich immer weniger Ärzte, die bei diesen Aktionen Blut abnehmen wollen.

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Zum anderen birgt jede Bluttransfusion auch immer eine Gefahr für den Patienten: „Man könnte sich mit einer Krankheit anstecken, die über das Fremdblut übertragen wird“, erklärt Oberarzt Andreas Pauli, Transfusionsverantwortlicher am Konstanzer Klinikum. „Dazu kommt, dass jede Bluttransfusion gleichzeitig eine Eisentransfusion ist. Doch das Eisen im Fremdblut steht leider nicht dem Eisenspeicher des Patienten zur Verfügung, sondern lagert sich in den Organen ab.“

„Skalpell, bitte!“ Am Klinikum Konstanz operieren die Ärzte so blutarm wie möglich, damit wenige Transfusionen nötig sind.
„Skalpell, bitte!“ Am Klinikum Konstanz operieren die Ärzte so blutarm wie möglich, damit wenige Transfusionen nötig sind. | Bild: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert deshalb die Ärzte seit 2011 auf, so blutsparend wie möglich zu operieren. Dafür vernetzten sich viele Abteilungen aller Fachrichtungen, auch das ambulant behandelnde Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) ist mit eingebunden. So wird sichergestellt, dass kein Patient mehr Blut verliert als nötig.

„Früher sagte man: Der Patient ist so blass, gib ihm doch eine Einheit Fremdblut“, erzählt der Transfusionsverantwortliche. Heute wird vor, während und nach der Operation auf den ressourcensparenden Einsatz des wichtigen Lebenselixiers geachtet.

Björn Gunnar Ochs, Chefarzt der Konstanzer Klinik für Unfallchirurgie, Handchirurgie und Orthopädie Vincentius, erläutert: „Vor dem Eingriff bestimmen wir nur mittels Sensor den Hämoglobinwert des Patienten im Blut, er wird nicht mehr gepikst. Wird eine Anämie, also ein Mangel an Hämoglobin, festgestellt, wird dem Patienten Eisen zugeführt.“ Auch in der restlichen Diagnostik versuchen die Ärzte, so wenig Blut wie möglich abzunehmen. „Sonst ist schnell mehr als ein halber Liter weg“, sagt Andreas Pauli.

Patienten werden warm gehalten

In der zweiten Säule geht es um die Operation selbst. Blutsparendes Operieren, eine gewissenhafte Blutstillung und die Steuerung des Blutdrucks spielen eine große Rolle, genauso wie Wärme. „Der Patient darf nicht auskühlen, damit die Blutgerinnung nicht negativ beeinflusst wird“, so der Oberarzt.

„Der Patient darf nicht auskühlen, damit die Blutgerinnung nicht negativ beeinflusst wird“, sagt Oberarzt Andreas Pauli.
„Der Patient darf nicht auskühlen, damit die Blutgerinnung nicht negativ beeinflusst wird“, sagt Oberarzt Andreas Pauli. | Bild: Kirsten Astor

Wegen der Hygiene werde der OP-Saal auf 22 Grad Celsius gehalten, aber die Körpertemperatur beträgt 37 Grad. „Deshalb arbeiten wir mit einem warmen Untergrund auf dem OP-Tisch sowie speziellen Wärmedecken. Außerdem werden Infusionen auf 38 bis 39 Grad Celsius aufgewärmt. Das ist alles aufwändig, aber sinnvoll.“

Blut wird aufgesaugt und zurückgeführt

Besonders effektiv ist auch die Methode, Patientenblut während einer Operation aufzusaugen, in einem Behälter zu sammeln, zu spülen und nach einigen Minuten wieder in den Patienten zurückfließen zu lassen. „Früher hätte das nicht geklappt, dass jemand zwei neue Hüften bekommt und ohne Transfusion nach sieben Tagen nach Hause geht“, sagt Björn Gunnar Ochs. Auch nach dem Eingriff werde darauf geachtet, nur dann Fremdblut zu geben, wenn es unbedingt nötig ist, erläutert Robin Benkelmann, Facharzt für Innere Medizin und Onkologie am Facharztzentrum Konstanz.

„Auch nach dem Eingriff wird nur dann Fremdblut gegeben, wenn es unbedingt nötig ist“, erläutert Robin Benkelmann, Facharzt ...
„Auch nach dem Eingriff wird nur dann Fremdblut gegeben, wenn es unbedingt nötig ist“, erläutert Robin Benkelmann, Facharzt für Innere Medizin und Onkologie am Facharztzentrum Konstanz. | Bild: Kirsten Astor

Björn Gunnar Ochs ist stolz auf die vernetzte Teamleistung, denn bei rund 1800 operierten Endoprothesen im Jahr in Konstanz (davon 800 erste künstliche Hüften, 700 erste künstliche Knie und der Rest sind Eingriffe zum Wechsel abgenutzter Prothesen) macht sich das blutsparende Operieren bemerkbar.

Doch trotz aller Bemühungen um so wenig Blutvergießen wie möglich: „Wir brauchen nach wie vor Konserven in der Unfallchirurgie oder bei Leukämiepatienten, deren Körper kein eigenes Blut mehr produzieren kann“, erläutert Professor Ochs. Dass in den Krankenhäusern weniger Blutspenden ankommen als vor der Pandemie, macht sich auch in Konstanz bemerkbar. „Der Mangel ist schon sicht- und spürbar“, sagt Andreas Pauli. Dennoch sei es dadurch bislang nicht zu Ausfällen planbarer Operationen gekommen, höchstens mal zur Verschiebung.

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„Wir werden vom Klinikum Ulm mit Blutkonserven versorgt und haben immer 30 bis 40 Stück in einem Kühlschrank lagern“, sagt Pauli. „Zur Not können wir auch akut nachbestellen, dann dauert es rund zwei Stunden, bis die Beutel bei uns sind.“ Das Management der Konserven sei nicht ganz einfach, weil jederzeit von jeder Blutgruppe genügend Vorräte da sein müssen, Blut aber nur begrenzt haltbar ist. „Im vergangenen Jahr mussten wir nur zehn bis zwölf Konserven wegwerfen“, sagt der Transfusionsverantwortliche. „Wir achten darauf, mit diesem hohen Gut sorgsam umzugehen.“