Unisono schütteln die Chefs der Traditions-Eisdielen in Konstanz den Kopf. Sie sind frustriert und sorgen sich um die Zukunft ihres Betriebs und um die ihrer Familie. Sie alle leben vom Verkauf von Eis, wobei die Marge ohnehin schon gering ist. Der Konstanzer Gemeinderat hat im Mai entschieden: Ab Beginn des Jahres 2025 gibt es die Verpackungssteuer. Das trifft insbesondere die Betreiber der Eiscafés ins Mark. Denn das heißt: 50 Cent für einen Pappbecher, wobei eine Kugel Eis bei 1,60 bis 1,80 Euro liegt.

Tiziano Pampanin war geschockt

„Es war ein Schock für mich, als ich das gesehen habe.“ Dem sonst allzeit gut gelaunten Tiziano Pampanin von der gleichnamigen Eisdiele in der Theodor-Heuss-Straße ist das Lachen vergangen. „Quasi über Nacht hat der Konstanzer Gemeinderat die Verpackungssteuer beschlossen. Das trifft uns Eisdielen voll in die Mitte. Alle sind sehr besorgt, geschockt und wütend.“

Seit 1938 betreibt die Familie Pampanin ihre Eisdiele in Konstanz. Auch Tiziano Pampanin hat schon viel erlebt, aber die ...
Seit 1938 betreibt die Familie Pampanin ihre Eisdiele in Konstanz. Auch Tiziano Pampanin hat schon viel erlebt, aber die Verpackungssteuer findet er „übertrieben und ungerecht“, schließlich seien die Pappbecher aus recyceltem Papier und unbeschichtet. | Bild: Scherrer, Aurelia

Nachvollziehen kann er diese Entscheidung nicht, denn: „Es sind Pappbecher aus unbeschichtetem Recyclingpapier. Seit der Verpackungsverordnung sind die schon besteuert.“ Nun lege Konstanz noch eine Steuer obendrauf. Pampanin, der den Familienbetrieb jetzt in dritter Generation führt, schüttelt resigniert den Kopf.

Die Steuersumme „ist unvorstellbar“

„Es gab ein Schreiben von der Stadt, wo wir informiert wurden über die schon beschlossene Sache“, berichtet Tiziano Pampanin. Gleichzeitig „wollte die Stadt wissen, was wir verkaufen und wie viel wir nächstes Jahr verkaufen werden.“ Er hält kurz inne. „50 Cent für einen Pappbecher. Das ist keine Realität. Das ist maßlos.“

Er hat geschätzt, wie viel Steuer er zahlen muss. „Es liegt im fünfstelligen Bereich. Die Summe ist unvorstellbar“, sagt Tiziano Pampanin tonlos und blickt traurig in seinen kleinen Betrieb, nicht wissend, wie er die Probleme lösen soll.

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Wie sieht es mit einem Pfand-System mit wiederverwendbaren Eisbechern aus? Pampanin winkt ab. „Wir bräuchten aufgrund der Hygiene eine separate Rückgabestelle und eine separate Waschanlage. Wie sollen wir so eine kleine Eisdiele noch umbauen? Und was kostet so ein Umbau?“ Die Rahmenbedingungen, die zusätzlichen Kosten und der enorme bürokratische Aufwand seien mittlerweile kaum mehr zu stemmen. „Der Druck auf die kleinen Läden steigt in die Sterne“, so Pampanin.

Alfredo Nicoletti weiß keine Lösung

Auch Alfredo Nicoletti vom Eiscafé Nicoletti auf der Marktstätte merkt man an, dass er etwas bedrückt ist. Das liegt nicht nur daran, dass der Umsatz in den ersten Monaten wegen der schlechten Witterung eingebrochen ist. „Ich bin erschrocken, als ich von der Verpackungssteuer erfuhr. Ich konnte es fast nicht glauben“, sagt er und fügt an: „Ich weiß keine Lösung.“

50 Cent Verpackungssteuer auf einen Eisbecher. Alfredo Nicoletti vom Eiscafé Nicoletti ist geschockt, denn die jährliche Steuersumme ist ...
50 Cent Verpackungssteuer auf einen Eisbecher. Alfredo Nicoletti vom Eiscafé Nicoletti ist geschockt, denn die jährliche Steuersumme ist enorm. | Bild: Scherrer, Aurelia

Ausgerechnet habe er sich nicht, wie viel Steuern er nächstes Jahr zahlen muss. „Allein der Gedanke hat mir Gänsehaut gemacht.“ Ein Pfand-System kommt für ihn ebenfalls nicht in Betracht, aus denselben Gründen, die Tiziano Pampanin angeführt hat.

Was ist mit Waffelbechern? „Auch keine Lösung“, stellt Alfredo Nicoletti fest und erläutert: „Logistisch ein Problem, weil sie viel Platz brauchen. Und nicht jeder Kunde will oder kann auf einen Pappbecher verzichten.“ Er denkt an Allergiker: „Wer Zöliakie hat, darf keine Waffel essen.“ Ein weiteres Problem: Waffeln durchweichen schnell.

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Die Steuer geht an die Existenz

„Diese Steuer geht tatsächlich an die Existenz“, stellt Alfredo Nicoletti fest und kommt auf den Preis einer Eiskugel zu sprechen. „1,60 Euro ist unsere Arbeit. So rechnen wir. Da muss alles reinkommen.“ Nicoletti zählt auf: „Waffel, Produkte für die Eissorten, darunter Eier, Milch, Zucker, dazu Strom, Wasser, Arbeitszeit, Miete, Reinigung, Mehrwertsteuer, Lohnkosten… alles in 1,60 Euro.“ Auf die Qualität der Zutaten werde geachtet, und die habe ebenfalls ihren (hohen) Preis. Ein Kilogramm Pistazienpaste koste 80 Euro, gibt er ein Beispiel. Und die Kakaopreise würden gerade explodieren.

„Die Kosten steigen immer weiter“, so Nicoletti und mit Blick auf die Marktstätte meint er: „Die Kunden sind aufgrund der Inflation zurückhaltend geworden.“ Nicht nur das. „Auch das Parken in Konstanz ist teuer geworden. Da verweilen die Leute nicht mehr lange. Das trifft wirklich extrem, und zwar alle.“ Wie soll sich das ausgehen? Er ist ratlos, denn wer werde sich wohl einen Pappbecher für 50 Cent leisten? Umsatzeinbruch sei vorprogrammiert, und das in einer Branche, wo jeder Cent zähle.

Café und Eis sind schon jetzt Luxus

„Auch die Schweizer kommen nicht mehr so wie früher. Samstags gibt es noch einen Boom, aber unter der Woche ist es tot“, sagt Ilazi Erdzan von Eiszeit in der Hussenpassage. „In Konstanz haben wir Klein-Monaco, was die Preise anbelangt. Das sagen selbst die Schweizer.“

Die Verpackungssteuer geht an die Substanz von kleinen Familienbetrieben. Ilazi Erdzan vom Eiscafé Eiszeit denkt schon darüber nach, ...
Die Verpackungssteuer geht an die Substanz von kleinen Familienbetrieben. Ilazi Erdzan vom Eiscafé Eiszeit denkt schon darüber nach, sein Geschäft abzugeben. | Bild: Scherrer, Aurelia

Erdzan ist langsam des Kämpfens müde: Sieben Jahre Baustelle vor der Eisdiele, dann die Pandemie mit Zwangsschließung, darauf die Inflation. „Man überlebt – irgendwie“, blickt zurück. „Und jetzt die Verpackungssteuer“, sagt er resigniert.

„Wir zahlen doch jetzt schon viele Steuern. Dann das noch. 8000 bis 9000 Euro müssten wir wegen der Becher an Steuern zahlen. Das ist sehr viel Geld für einen kleinen Familienbetrieb“, sagt Erdzan. „Vorher war alles gut, aber seit der Pandemie ist es nur noch bergab gegangen. Man legt uns so viele Steine in den Weg.“

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Ilazi Erdzan denkt ans Aufhören

„Café und Eis sind schon jetzt ein Luxus“, schließlich hätten die Leute aufgrund der Inflation weniger Geld im Portemonnaie. „Papa hat in den letzten Wochen auch schon gesagt, dass es sich nicht mehr lohnt, weil bei den hohen Kosten nicht mehr viel übrig bleibt. Da kann ein kleiner Familienbetrieb nicht überleben“, erzählt Ilazi Erdzan und fügt an: „Wir überlegen, ob wir den Betrieb abgeben.“

„Die Gastronomie belebt die Stadt. Aber so macht man in Konstanz die Wirtschaft kaputt. Die großen Konzerne werden es wohl schaffen, aber die kleinen Betriebe sterben langsam“, meint Erdzan. „Warten Sie, wie die Stadt in fünf Jahren aussieht.“

Und was sagen Kunden?

„Die Verpackungssteuer ist eine Märchensteuer. Ich finde sie völlig unsinnig“, sagt Rosa Kolmar aus Kreuzlingen. „Ich zum Beispiel mag überhaupt keine Waffeln. Da kleckst das Eis so schnell runter.“ Ihr ist es ein Rätsel, wie die Eisdielen, wie auch viele weitere betroffene Betriebe auch, zum Beispiel Bäckereien und Metzgereien, diese zusätzliche Bürokratie stemmen sollen, von den Kosten ganz abgesehen.

„Die Verpackungssteuer ist eine Märchensteuer. Ich finde das wirklich unsinnig. Das ist sehr schwierig für Eisdielen wie auch für viele ...
„Die Verpackungssteuer ist eine Märchensteuer. Ich finde das wirklich unsinnig. Das ist sehr schwierig für Eisdielen wie auch für viele andere Betriebe“, findet Rosa Kolmar aus Kreuzlingen. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Die Verpackungssteuer ist nicht realistisch“, findet Ursula Schmid aus Konstanz. „Man weiß gar nicht, wo eine Steuer drauf ist und wo nicht.“ Außerdem träfe die Steuer die Falschen, findet sie. „Im Supermarkt oder bei Elektrokleingeräten sind die Waren teilweise fünfmal verpackt. Wenn man Müll vermeiden will, dann sollte man da anfangen.“

„Die Verpackungssteuer ist nicht realistisch. Im Supermarkt und beispielsweise bei Elektrokleingeräten sind die Waren teilweise fünfmal ...
„Die Verpackungssteuer ist nicht realistisch. Im Supermarkt und beispielsweise bei Elektrokleingeräten sind die Waren teilweise fünfmal verpackt. Da könnte man Müll einsparen“, findet Ursula Schmid aus Konstanz. | Bild: Scherrer, Aurelia