Droht ein Kind an Mangelernährung zu leiden, wenn es in der Schulmensa nur an einem von vier Tagen ein Fleisch- oder Fischgericht isst und ansonsten vegetarisches oder veganes Essen auf den Tisch kommt? So sehen es jedenfalls die Eltern eines Konstanzer Mädchens und reichen am 23. März 2025 einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht (VG) Freiburg ein.
Dieser sollte bezwecken, dass die Ganztagsgrundschülerin künftig wieder an allen vier Tagen, an denen die Mensa geöffnet hat, ein Fleisch- oder Fischgericht serviert bekommt. Doch das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab. Es liege nicht einmal eine Eilbedürftigkeit vor, entschieden die Juristinnen.
Keine Gefahr der Mangelernährung
Auf SÜDKURIER-Nachfrage erläutert Klaus Döll, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht und dessen Pressesprecher: „Die Entscheidung wurde ohne vorherige Verhandlung nach Aktenlage durch drei Berufsrichterinnen getroffen.“ Diese sehen durch überwiegend vegetarische Ernährung in der Schule keine Gefahr für eine Mangelernährung.
„Das Gericht führte im Wesentlichen aus, der Vortrag der Antragsteller, dass ihrer Tochter ein Ernährungsmangel drohe, sei fernliegend, zumal sie im Rahmen der von der Schule nicht abgedeckten Mahlzeiten selbst für ein fleischhaltiges Nahrungsmittelangebot sorgen und im Übrigen ihrer Tochter vorbereitetes Essen mitgeben könnten“, schreibt das Verwaltungsgericht.

Die Eltern gaben auch an, dass ihr Kind an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit leide, doch auch hier sehen die Richterinnen keinen Grund, ihrem Eilantrag stattzugeben. Schließlich bestehe keine Pflicht, die Schulkantine zu besuchen. Außerdem könne der Essensanbieter bei Allergien oder Unverträglichkeiten ein individuelles Essen kochen.
Der Schulträger habe zudem einen Spielraum, wie er die Verpflegung an den Schulen ausgestalte, so die Richterinnen. Genau diesen nutzte die Stadt Konstanz als in diesem Fall zuständige Kommune. Denn die Stadt schrieb die Belieferung einiger Mensen neu aus. Seit dem Schuljahr 2024/25 gibt es an fünf weiterführenden Schulen und einer Grundschule mehr saisonales und regionales Essen, einen erhöhten Bio-Anteil und weniger Fleisch und Fisch.
Nur noch einmal die Woche Fleisch – manchmal Fisch
Seitdem steht nur noch einmal pro Woche 80 Gramm Fleisch oder manchmal Fisch auf dem Plan. Dafür wurde das Salat- und Obst-Angebot ausgeweitet. Aufgrund des Eilantrags der Eltern musste die Stadt Konstanz ihre Entscheidung für diese Ausrichtung nochmals begründen, wie Klaus Döll sagt: „Die Stadt wurde nach Eingang des Antrags beim Gericht angehört und hat schriftlich Stellung genommen.“
Dabei decken sich die Argumente der Konstanzer Verwaltung mit denen der Richterinnen. So sagte Philipp Baumgartner, Leiter des Amts für Klimaschutz, schon kurz vor der Einführung des überwiegend vegetarischen Essens: „Konstanz hat den Klimanotstand ausgerufen und wir sind dadurch in der Verantwortung, auch die Ernährung umzustellen. Sie spielt beim CO2-Ausstoß eine große Rolle.“

Das neue Angebot orientiere sich an den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Diese empfiehlt im Rahmen der Schulverpflegung, höchstens einmal pro Woche Fleisch und mindestens einmal Fisch anzubieten. „Ernährungsstudien belegen einen zu hohen Fleisch- bzw. Wurstkonsum bei Kindern und Jugendlichen“, schreibt die DGE in ihrem Leitfaden „Verpflegung in Schulen“.
„Damit ist eine erhöhte Aufnahme an Energie und tierischen Proteinen verbunden. Es besteht deshalb für das Angebot von Fleisch oder Wurst eine Begrenzung der Einsatzhäufigkeit auf maximal einmal in fünf Verpflegungstagen.“
„Endlich haben Vegetarier auch eine Auswahl“
Pauline Hippert vom Konstanzer Amt für Klimaschutz sieht, im Gegensatz zu den Antragstellern des Eilantrags, sogar Vorteile bei hauptsächlich auf pflanzenbasierter Ernährung: „Endlich haben auch Vegetarier eine Auswahl.“ Die Schulmensen sollen darüber hinaus eine Vorbildfunktion haben, so Baumgartner: „Das Ziel der Stadt ist es, unsere Kinder gut und gesund zu ernähren. Aus der Forschung weiß man, dass Gewohnheiten früh geprägt werden.“

Sprich: Selbst wenn Kinder zu Hause lieber Pizza, Pommes und Nudeln essen, sollen sie wenigstens in den Schulen eine gesunde Alternative kennenlernen – und die kommt aus Sicht der Stadt Konstanz eben ohne viel Fleisch und Fisch aus. Dass viele Schülerinnen und Schüler sich nach der Umstellung erstmal an den neuen, teils exotischen Speiseplan gewöhnen mussten, steht auf einem anderen Blatt.
Dessen ist sich die Stadt bewusst. Frank Schädler, Leiter des Amts für Bildung und Sport, erklärt dazu: „Uns als Schulträger liegt natürlich daran, dass das Mittagessen von den Schülerinnen und Schülern auch angenommen wird. Deshalb sind wir in regelmäßigem Austausch mit den Schulen, den Eltern und dem Caterer, zum Beispiel in Form einer kürzlich durchgeführten Umfrage, und schauen, ob wir das Angebot weiterhin optimieren können.“
Eltern können noch Beschwerde einlegen
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts zum Eilantrag der Konstanzer Eltern ist noch nicht rechtskräftig. Die Antragsteller können innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung Beschwerde einlegen, darüber müsste dann der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entscheiden. „Aufgrund der Zustellung des Beschlusses an die Antragsteller am 20. Mai 2025 läuft die zweiwöchige Beschwerdefrist am 3. Juni 2025 aus“, teilt Klaus Döll auf Nachfrage mit.
Die Eltern hätten diese Möglichkeit bislang nicht genutzt, so der Pressesprecher. Auch eine Klage sei nicht anhängig. „Das ist eine ungewöhnliche Fallkonstellation“, so Döll. Denn meist sind Eilverfahren dazu da, den juristischen Schwebezustand zu regeln, bis im Hauptverfahren eine Entscheidung getroffen wird – weil das Abwarten einer Hauptsache-Entscheidung nicht zugemutet werden kann.
Beispiel: Ein Geflüchteter stellt Antrag auf Asyl, doch das Verfahren zieht sich durch Entscheidungen und Einsprüche dagegen in die Länge. Um zu klären, was mit dem Geflüchteten in der Zwischenzeit passiert, kann ein Eilverfahren angestrengt werden, das vorläufigen Rechtsschutz gewährt.
Im Fall des Mensaessens ist eben kein Klageverfahren eingereicht worden, sondern nur der Eilantrag. „Wenn das Kind noch mehrere Jahre an der Schule ist, könnte sich eine Klage aus Sicht der Eltern aber vielleicht noch lohnen“, sagt Klaus Döll.