Was für Musikerinnen und Musiker Anerkennung durch das Publikum bedeutet, mögen Hühner überhaupt nicht: Klatschen. Denn sie denken dann, dass Gefahr lauert, vielleicht ein Fuchs. Darum wurden die Gäste auf dem Hättelihof gebeten, sich hier zunächst zurückzuhalten.

Kindergartengruppen scharten sich am Morgen des 4. Juni auf Picknickdecken vor der Hühnerwiese des Stadtbauernhofs beim Hockgraben. Einige der zahlreichen Interessierten aller Altersgruppen wagten auch mal einen Gang um die Kuhweide herum, um die Reaktionen der Tiere besser beobachten zu können. Mit dem „Kuhkonzert“ eröffnete die Bodensee Philharmonie ihre vierte Exzellenzwoche „Zukunftsmusik“, an der sie an vier Tagen an ungewöhnlichen Orten konzertiert.

Die Ideen für diese außergewöhnlichen Konzerte stammen von den Musikerinnen und Musikern selbst. Beim „Kuhkonzert“ waren dies die Violinisten Johannes Grütter und Mu-Di Antonio Wu. Bei unsicherer Wetterlage waren sie mitten auf der Wiese unterm Schirm zwischen scharrenden Hühnern und weidenden Kühen platziert. Das erste von ihnen gespielte Stück war der „Mückentanz“ des ungarischen Komponisten Béla Bartók.

Bei ihrem Auftritt auf der Kuhweide des Stadtbauernhofs beim Hockgraben: Die Violinisten Johannes Grütter (links) und Mu-Di Antonio Wu ...
Bei ihrem Auftritt auf der Kuhweide des Stadtbauernhofs beim Hockgraben: Die Violinisten Johannes Grütter (links) und Mu-Di Antonio Wu spielen Stücke von Béla Bartók. Projektleiterin Andrea Hoever moderiert. | Bild: Judith Schuck

Damit schienen die Hühner noch ganz einverstanden und gackerten scheinbar zur Melodie mit. Nach und nach sorgten aber die wachenden Hähne dafür, dass eins nach dem anderen im sicheren Hühnerstall verschwand. Ob das an der anschließend gespielten „Dudelsackmusik“ lag oder an den vielen Menschen, die dem Konzert beiwohnten, das konnte an diesem Mittwochvormittag niemand mit Gewissheit feststellen.

Die beiden Kühe Emma und Augustina hingegen schienen die Geigenstücke von Béla Bartók mit wesentlich mehr Gelassenheit aufzunehmen. Sie grasten ruhig und schauten hin und wieder zu den Violinisten hinüber. Bauer Thomas Schumacher verriet, dass beim Kühe melken stets Radiomusik läuft, weil sich die Tiere dann besser entspannten.

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„Wir spielen das Lied noch mal, um zu schauen, ob die Hühner wieder rauskommen“, sagte Andrea Hoever, Musikvermittlerin und Projektleiterin der Zukunftsmusik. Doch die Hühner blieben alle im Stall. „Jetzt wissen wir, dass Hühnern keine Dudelsackmusik gefällt“, schloss Hoever aus dem Verhalten des Federviehs.

Ortswechsel: Vom Hättelihof geht‘s in die Therme

Während das Publikum am Morgen mehrheitlich mit Gummistiefeln zum Hättelihof kam, war die Konzertgarderobe am Nachmittag dann ebenso ungewöhnlich, aber völlig anders. In der Konstanzer Therme war Badekleidung angesagt. Die Blechbläser der Philharmonie empfingen ihre Zuhörerinnen und Zuhörer dort im Freibad.

Das Wetter meinte es gut mit dem Projekt. Wobei das Publikum beim Konzert „Splash“ bei Weitem nicht nur zuhörte, sondern sich im Becken nach den Anweisungen von Andrea Hoever ertüchtigte, welche nun nicht mehr die Funktion der Tierverhaltensforscherin innehatte, sondern die der Aquafitness-Trainierin. Die Musiker waren in Bademäntel gekleidet und hatten sich am Beckenrand aufgestellt.

Da staunen die Therme-Besucher: Gergely Lazog rutscht mit seiner Posaune.
Da staunen die Therme-Besucher: Gergely Lazog rutscht mit seiner Posaune. | Bild: Judith Schuck

Eröffnet wurde das partizipative Freibadkonzert mit dem Beatles-Song „Yesterday“. Damit den Menschen im Wasser nicht zu kalt wurde, brachten die Bläser mit „Yellow Submarine“, ebenfalls von den Beatles, ein bisschen mehr Schwung in die Runde. Um die Grenze zwischen Konzertbesucherinnen und Konzertbesuchern und Philharmonie-Team aufzulösen, hüpfte zunächst Musikvermittlerin Andrea Hoever ins erfrischende Nass.

Dann folgten die Bläser in Badehosen ins seichte Wasser, von wo aus sie ihr Konzert weiterspielten. Dabei ermutigte Hoever die Aquafitness- und Konzertgäste, auch mal mit den Ohren unter Wasser der Musik zu lauschen und die Unterschiede wahrzunehmen.

Ein ungewohnter Anblick: Blechbläser bei ihrem Splash-Konzert im Schwimmbecken der Konstanzer Therme.
Ein ungewohnter Anblick: Blechbläser bei ihrem Splash-Konzert im Schwimmbecken der Konstanzer Therme. | Bild: Judith Schuck

Posaunist Gergely Lazok hatte auf jeden Fall seine Freude am Auftritt in der Therme. Er erklärte, dies sei der Ort gewesen, an dem sie unbedingt hätten spielen wollen. Im Jahr 2016 gab es bereits ein Konzert im Inneren der Therme, allerdings nur mit drei Musikern, dieses Mal waren es fünf. Das Publikum war auf jeden Fall erfrischt, sowohl vom Wasser als auch vom ungewöhnlichen Konzert.

Besucherin Helin Calishan hatte nur zufällig über Instagram von der Veranstaltung erfahren und viele Freunde mobilisiert, mitzukommen: „Wir fanden es richtig toll. Wenn es so etwas mal wieder gibt, werde ich auf jeden Fall teilnehmen“, sagte die Konstanzerin, die selbst Violine spielt.