Es erscheint wie die wundersame Mehrung leer stehenden Wohnraums, in Wirklichkeit aber gibt es plausible Gründe für die vergleichsweise problemlose Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge in Konstanz. Aus den Erläuterungen von Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn und den Sachwaltern seines Dezernats lässt sich dies auf einen Nenner bringen: Man arbeitet zusammen und dabei fügt sich privates und gesellschaftliches Engagement mit den behördlichen Möglichkeiten.
- Wohnraum I: Die städtische Wohnbaugesellschaft (Wobak), der Spar- und Bauverein sowie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) gehören nach Angaben der Stadtverwaltung zu einer von drei Säulen bei der Beschaffung von Wohnungen. Wertvoll sind demnach nicht zuletzt die Erfahrungen aus 2016 mit der hohen Zahl von Flüchtlingen aus Syrien. Als ein Geschenk im Sinne des Wortes wird die Überlassung eines leer stehenden Gebäudes des Zolls eingestuft. Wie es in der Sitzung des zuständigen Gemeinderatsausschusses hieß, übernimmt der Zoll sogar die Kosten für die Herrichtung.
- Wohnraum II: Die Initiative Raumteiler erfüllt bei der akuten Hilfe wertvolle Dienste. Bis Mitte vergangener Woche sind hier laut Stadtverwaltung rund 120 Wohnraumangebote eingegangen, 90 Menschen konnten auf diese Weise bereits untergebracht werden. Abzuwarten allerdings bleibt nach Einschätzung des Rathauses, ob sich daraus Möglichkeiten für eine längerfristige Beherbergung von Flüchtlingen ergibt. Die Stadtverwaltung geht erst ab einer Unterkunftsdauer von sechs Monaten von einer stabilen Anschlussunterbringung aus. Dennoch sind die geschätzten Kapazitäten, über die die Initiative für die Erstaufnahme verfügt, mit 600 temporären Plätzen für die kurzfristige Entlastung enorm wichtig – zumal hiermit von privater Seite vielfach psychosoziale Dienste in die Hilfe einfließen.

- Wohnraum III: Für die dritte Säule bei der Beschaffung von Wohnraum sorgt die Stadt selbst. Dazu geht das Bauamt über den Gebäudebestand und wurde bereits 15 Mal fündig. Zurzeit werde überprüft, in welchen Fällen sich Investitionen lohnen. Laut Karl Langensteiner-Schönborn soll so vermieden werden, dass Geld für das Herrichten von Gebäuden oder Wohnungen ausgegeben wird, bei denen wenig für einen längerfristigen Erhalt spricht. Ein Beispiel ist das Gebäude in der Luisenstraße, das zunächst für die Unterbringung von Flüchtlingen aus Syrien und dann aus Afghanistan diente. Bei der Sanierung beziehungsweise der Erweiterung gab‘s von der Stadtverwaltung ein Extralob für die örtlichen Handwerksbetriebe. Das Geld, das für die Unterkünfte investiert werde, müsse rasch verbaut werden und die spontane Hilfsbereitschaft der Handwerker sei nicht selbstverständlich.
- Das Ziel: Der Baubürgermeister ist zuversichtlich, auf diese Weise bis zum Ende des Jahres zusätzlich rund 1000 dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge aus der Ukraine zur Verfügung stellen zu können. Die Bewertung dieser Zahl ergibt sich für ihn aus dem Vergleich zu den Vorjahren, in denen gerade einmal 400 Plätze geschaffen wurden. Damit gelinge bei der Wohnraumbeschaffung für Flüchtlinge aus der Ukraine voraussichtlich innerhalb eines Jahres eine Verdreifachung dessen, wofür zuvor mehrere Jahre nötig waren. Bei der tatsächlichen Zahl der Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, ist man wegen der geltenden Reisefreiheit übrigens nach wie vor auf Schätzungen angewiesen. Etwa 550 Menschen ließen sich registrieren, die Zahl liege aber bei vermutlich 1300. Dreiviertel davon finden nach Einschätzung der Stadtverwaltung bei Verwandten oder Freunden ein Dach über dem Kopf.
- Die Anschlussunterbringung: Mit der Beschaffung von Wohnraum in der genannten Größenordnung geht laut Karl Langensteiner-Schönborn ein Positionswechsel der Stadt Konstanz bei der Hilfe für Flüchtlinge einher. Deren Zuzug ist hierzulande so geregelt, dass nach einem bundesweit festgelegten Verteilungsschlüssel zunächst die Landratsämter für die Erstunterbringung zuständig sind – dazu wurden 2016 unter anderem öffentliche Hallen als Notunterkünfte genutzt. Nach spätestens sechs Monaten sind dann die Städte und Gemeinden mit der sogenannten Anschlussunterbringung am Zug. Konstanz hatte hier bislang große Probleme, inzwischen ist die Stadt nach Angaben des Baudezernenten „bei den Anschlussunterbringungen vorne dabei“.
- Weitere Potenziale: Die Diskussion im Fachausschuss verdeutlichte, dass es in der Stadt durchaus weitere Potenziale für Wohnraum gibt. Längst ein Dorn im Auge beispielsweise ist Holger Reile von der Linken Liste Konstanz (LLK) der seit rund zehn Jahren andauernde Leerstand des ehemaligen Gebäudes der Landeszentralbank an der Laube, das sich im Eigentum eines privaten Investors befinde. Nach Ansicht des LLK-Stadtrat eignete sich das Gebäude mit einer geschätzten Fläche von 500 Quadratmetern auch deshalb für die Unterbringung von Flüchtlingen, weil es in Nachbarschaft zur Stadtverwaltung mit seinem Bürgerbüro steht. Karl Langensteiner-Schönborn sieht das im Prinzip nicht anders, rät aber wegen der zur Ertüchtigung erforderlichen Investitionen dennoch von der angeregten Verwendung des Gebäudes ab. Er möchte Geld nur in Objekte stecken, bei denen die Nachhaltigkeit gewährleistet ist.