
Ritsch, ratsch, ritsch, ratsch – Sven Mailänder und Hans-Jörg Feierabend geben alles. Immer wieder ziehen sie abwechselnd an einem Hebel, bis sich der schwere rote Motor des MS „Stuttgart“ Zentimeter für Zentimeter aus dem Maschinenraum nach oben bewegt. An diesem Morgen müssen die Mitarbeiter der Konstanzer Werft der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) beide Motoren der „Stuttgart“ ausbauen – eine schweißtreibende Angelegenheit.
Denn wenn Mitte Oktober die Saison vorbei ist und die Weiße Flotte im Hafen Platz nimmt, anstatt Passagiere über den See zu schippern, ist keinesfalls Winterschlaf angesagt. „Wir haben bis zu vier Schiffe gleichzeitig in der Werft“, sagt dessen Leiter Mathias Ficek. Der 50-Jährige arbeitet seit 2005 bei den BSB, seit rund zwölf Jahren ist er der Werftleiter.

Während sich in der Sommersaison sechs Mitarbeiter um die Instandhaltung der Schiffe kümmern, wird die Truppe ab Mitte Oktober bis eine Woche vor Ostern auf bis zu 30 Leute aufgestockt. „Viele arbeiten im Sommer als Teil der Mannschaft auf den Schiffen und freuen sich, dass sie während der kälteren Monate in der Werft unterstützen dürfen, da ist es ruhiger“, sagt Ficek.

Zumindest was den Kontakt zu den vielen Passagieren angeht – denn wirklich ruhig geht es auch an diesem Tag auf dem MS Stuttgart nicht zu. Laute Musik schallt aus einer Box, als die Männer damit beschäftigt sind, den 1,8 Tonnen schweren Motor auszubauen. Die Kollegen feuern Sven Mailänder und Hans-Jörg Feierabend an. „Nach den Haferflocken vorhin muss das aber laufen!“, ruft Mathias Ficek lachend. „Ohne Mampf kein Kampf“, erhält er zur Antwort.
Rund zwei Tage dauert es, bis beide Motoren der „Stuttgart“ ausgebaut sind. Das hat mehrere Gründe: „Die Luken zum Maschinenraum sind gleichzeitig das Deck, auf dem die Passagiere sonst laufen. Anders als auf den Fährschiffen haben wir hier nicht viel Platz“, erklärt der Werftleiter. „Außerdem mussten wir vor dem Ausbau jede Menge Infrastruktur lösen, unter anderem Flüssigkeiten ablassen, Elektrik und die Abgasanlage demontieren.“

Um die schweren Motoren überhaupt aus dem Schiff zu bekommen, haben die Mitarbeiter eine Traverse aufgebaut. Langsam lassen sie die ausgebauten Kraftpakete über Bord gleiten, ein Gabelstapler nimmt sie entgegen. „Die Motoren werden nach Bremen zur Revision geschickt“, sagt Mathias Ficek. „Dort werden sie komplett zerlegt und Verschleißteile ersetzt. Das ist wie eine Operation am offenen Herzen.“

Jedes Schiff kommt in die Werft
Nicht alle Wartungsarbeiten übernehmen die BSB-Mitarbeiter selbst, doch auch in der Konstanzer Werft ist immer was zu tun. „Wir erstellen einen Winter-Instandhaltungsplan“, erläutert der 50-Jährige. „Manche Arbeiten sind turnusmäßig jedes Jahr dran, andere nur alle fünf Jahre. An jedem der 16 Schiffe der Weißen Flotte wird nach der Saison irgendwas gemacht.“
Alle sicherheitsrelevanten Teile der Schiffe werden geprüft, Toilettenanlagen und Propeller gewartet, Pumpen geschmiert, die Installationen der Gastronomie überprüft. Auch neue Farbe verpassen die Werftmitarbeiter den Schiffen, allerdings nur im Innenraum. Für den Außenanstrich ist die Werft in Friedrichshafen zuständig.

„Wir reparieren auch Möbel, Türen, Schlösser und Riegel und erledigen Umbau- und Modernisierungsarbeiten“, sagt Mathias Ficek. Die Expertise dafür bringen seine Leute mit, denn alle haben einen technischen Beruf gelernt.
„In unserem Team sind Elektriker, Schreiner und Schlosser“, sagt der Werftleiter. Er selbst ist KfZ-Meister und hat auch schon als Matrose im Sommer auf den Schiffen gearbeitet. „Das war aber nichts für mich, ich bin Vollbluttechniker“, sagt er.
Im Sommer schraubt er mit, doch in der Wintersaison ist er als Logistiker gefordert. Er koordiniert die Wartungsarbeiten und kommuniziert mit den Fremdfirmen, die unter anderem die Klima- und Kältetechnik prüfen. „Wenn im Juni die Schifffahrt gerade richtig ins Laufen kommt, beginne ich schon mit ersten zarten Planungen für den Winter“, sagt Ficek.

Und wenn dann vier Schiffe gleichzeitig in der Werft liegen, klingelt sein Telefon ständig. „Das ist manchmal geistiges Froschhüpfen“, sagt er und lacht. „Gerade habe ich mich in die eine Anlage hineingedacht, da kommt eine Frage wegen einer ganz anderen Sache.“
Genau das liebt er an seinem Beruf. „Er ist total abwechslungsreich, ich weiß nie, was mich erwartet“, sagt Mathias Ficek. Und auch die Schiffe bringen ihre ganz eigenen Charakteristiken mit. Steuerung, Navigation, Ruderanlage – von rein mechanischem Gestänge bis zur voll elektrischen Ausstattung ist alles dabei.
Inzwischen ist auch der zweite Motor der „Stuttgart“ ausgebaut. Nach rund 20.000 Betriebsstunden ist dieser Schritt nötig, also rund alle zehn Jahre. „Nach der ersten Revision läuft der Motor nochmal 20.000 Stunden und dann ist meist Feierabend, das Schiff braucht einen neuen Motor“, sagt Mathias Ficek.

Und wann kommen die roten 1,8-Tonner aus Bremen an den Bodensee zurück? „Kurz vor dem Weihnachtsmarkt“, sagt Ficek. Denn die „Stuttgart“ dient in Konstanz als Weihnachtsmarktschiff und muss jederzeit fahrbereit sein. Die Operation am offenen Herzen haben die Motoren dann tapfer überstanden.