David gegen Goliath, Bürgerin gegen große Baufirma: So fühlt sich die Gemengelage für Andrea Vix an. Sie sieht sich ungerecht behandelt – nicht von der Baufirma, sondern von der Stadt, die dieser Firma Rechte einräume, die sie selbst nicht erhält.

Darum geht es: In Petershausen soll demnächst ein elfgeschossiges Hochhaus entstehen, an der Straße Am Briel (der SÜDKURIER berichtete). Direkt daneben ragen bereits zwei Hochhäuser in die Luft, der Bebauungsplan von 1970 sieht auch das dritte vor, das derzeit geplant wird. Doch zwei Anwohner legten Widerspruch dagegen ein.

Diese beiden Hochhäuser Am Briel liegen direkt neben der Baulücke, in der bald ein neues Hochhaus gebaut wird.
Diese beiden Hochhäuser Am Briel liegen direkt neben der Baulücke, in der bald ein neues Hochhaus gebaut wird. | Bild: Kirsten Astor

Gericht lehnt die Klage von Andreas Vix ab

Eine davon ist Andrea Vix. Sie wuchs in einem kleinen Haus auf, das auf einem benachbarten Grundstück steht. Das Haus ist von 1969, alt und verwinkelt, die Wohnfläche beträgt knapp 100 Quadratmeter. „Seit 2016 steht es leer“, erzählt die 56-Jährige. Geplant war, das Haus zu verkaufen, damit die neuen Besitzer es abreißen und neu bauen können. Doch dazu kam es nicht.

„Meine Bauvoranfrage für ein Mehrfamilienhaus wurde von der Stadt abgelehnt. Dann reichten wir eine Voranfrage für ein neues Einfamilienhaus ein, das nicht größer wäre als das bestehende Haus und an genau derselben Stelle stehen würde. Doch auch das wurde abgelehnt“, sagt Andrea Vix. Sie klagte gegen die Entscheidung der Stadt, doch das Verwaltungsgericht Freiburg lehnte die Klage ab.

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Zur Begründung heißt es unter anderem im Urteil: „Die Fläche auf dem Grundstück der Klägerin liegt vollständig außerhalb der ausgewiesenen Baugrenzen.“ Es gelte der Bebauungsplan für das Gebiet Schneckenburgstraße, Am Briel, Bismarcksteig und Steinstraße von 1970. Also genau derselbe Bebauungsplan, auf den sich auch die Baufirma Schendel und ihre Planer berufen, die nebenan das Hochhaus errichten möchten.

Die wollen ebenfalls Veränderungen des Bebauungsplans geltend machen – und diese werden vom Baurechts- und Denkmalamt gutgeheißen. Unter anderem soll auf ein zweigeschossiges Quergebäude parallel zur Straße verzichtet werden, das im Plan von 1970 als „zwingend“ verzeichnet ist.

Was sagt das Baurechtsamt zu den Vorwürfen?

Andrea Vix ist wütend: „Ich kann es nicht in Worte fassen, wie Fakten je nach Bedarf in der Stadt Konstanz gedreht und gewendet werden. Das eine Mal wird ein Mammutprojekt als tolle Bereicherung des Stadtviertels gepriesen. Das andere Mal wird ein kleiner Neubau auf der Grundfläche eines bestehenden Gebäudes abgelehnt – und das direkt auf dem Nachbargrundstück.“ Die für sie zentrale Frage: Warum darf eine große Baufirma vom Bebauungsplan abweichen, sie aber nicht? Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?

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Nein, sagt Andreas Napel, Leiter des Konstanzer Baurechts- und Denkmalamts. „Der Unterschied ist, dass sich das von Frau Vix geplante Bauvorhaben nahezu vollständig außerhalb der nach Bebauungsplan überbaubaren Grundstücksfläche befindet. Die Firma Schendel will hingegen auf die Überbauung eines erheblichen Teils dieser überbaubaren Grundstücksfläche (zweigeschossiger Querriegel) gerade verzichten und nur in einem kleinen Teilbereich die maßgebliche Baugrenze überschreiten.“

Weiterhin soll vom Bebauungsplan abgewichen werden, indem die auf der Ostseite geplante Tiefgarage nun auf die westliche Seite des Hochhauses verlegt werden soll. Andrea Vix ärgert sich: „Ausgerechnet auf meine Seite!“ Hierzu erklärt Andreas Napel: „Die Verlegung der Tiefgarage wird mit dem Erhalt des zwischenzeitlich entstandenen erheblichen Baumbestands auf der Ostseite begründet.“

Vix: „Diese Sicht der Dinge erstaunt mich doch sehr“

Das Grundstück, auf dem sich das Elternhaus von Andrea Vix befindet, war früher viel größer, dann wurde es geteilt. Bei der Aufstellung des Bebauungsplans 1970 habe man das Gelände neu ordnen wollen, so die Stadt. „Das bestehende Haus von Frau Vix war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über diesen Bebauungsplan bereits vorhanden und wurde zugunsten einer anderweitigen Überbauung bewusst zum Abbruch oder dem Erhalt lediglich im bestehenden Umfang vorgesehen“, schreibt Andreas Napel.

Und weiter: „Den Rechtsvorgängern des ursprünglich wesentlich größeren Grundstücks von Frau Vix war dies auch bewusst; eine seinerzeitige Grundstücksteilung, die zu einem teilweisen Verkauf, dem heutigen Zuschnitt und der dortigen Bebauung führte, war deren freiwillige Entscheidung.“

Hier in der Straße Am Briel 53/57 standen einst eine alte Tankstelle und weitere Gebäude, die im vergangenen Jahr abgerissen wurden.
Hier in der Straße Am Briel 53/57 standen einst eine alte Tankstelle und weitere Gebäude, die im vergangenen Jahr abgerissen wurden. | Bild: Kirsten Astor | SK-Archiv

Dies bezweifelt die 56-Jährige: „Diese Sicht der Dinge erstaunt mich doch sehr. Ich glaube nicht, dass meine Urgroßmutter als damalige Eigentümerin oder auch meine Großeltern als Rechtsnachfolger zugestimmt hätten, dass das Haus nur Bestandsschutz erhält.“

Was genau vor 50 Jahren besprochen wurde, kann heute zwar nicht mehr nachvollzogen werden. Doch Andrea Vix bleibt bei ihrer Meinung: „Die Stadt schreit nach Wohnungen und überall in Petershausen und Wollmatingen wird so viel gebaut. Ich glaube nicht, dass da nirgends die alten Bebauungspläne angepasst wurden.“

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So blieb ihr nach fünf nervenaufreibenden Jahren voller Anträge und juristischer Auseinandersetzungen nur Plan B: Das Haus so zu verkaufen wie es ist, ohne die Aussicht auf einen Neubau. „Klar, dass das den Wert minderte“, so Vix. Der Verkauf ging Ende Juli über die Bühne. Neuer Eigentümer ist eine Familie mit kleinem Kind, die das Haus kernsanieren möchte. „Die wissen, worauf sie sich eingelassen haben“, sagt Andrea Vix und ergänzt: „Ich hoffe, sie verbringen im Haus eine genauso glückliche Zeit wie ich damals.“