Ilse und Peter Grempels stehen auf ihrem Balkon im vierten Stock und schauen auf einen Bagger hinab. Der gräbt seine Zähne unermüdlich in den Untergrund. Vor einigen Wochen beobachtete das Rentnerpaar, wie er alte Häuser und eine ehemalige Tankstelle abriss. Denn hier, Am Briel in Petershausen, soll demnächst ein elfstöckiges Hochhaus entstehen.
„Schon schade, dass das jetzt zugebaut wird und wir unseren Blick ins Weite verlieren“, sagt Ilse Grempels. Ihr 94-jähriger Mann Peter ergänzt verschmitzt: „Naja, wir hatten den Blick 22 Jahre lang. Nochmal so lang können wir ihn eh nicht genießen.“ Aber unter anderem im vorderen Teil des zu bebauenden Grundstücks bleibe ja noch ein Grünstreifen erhalten.
Das sehen die Planungen tatsächlich vor. Denn der Bauherr möchte vom gültigen Bebauungsplan von 1970 abweichen, der an dieser Stelle – wie auch bei den Nachbarhäusern – einen zweigeschossigen Riegel parallel zur Straße vorsieht und dahinter ein zehngeschossiges Hochhaus mit einem elften, zurückgesetzten Geschoss.
Doch die Planer stellten im Konstanzer Gestaltungsbeirat eine alternative Idee vor: Sie möchten auf den zweigeschossigen Riegel verzichten und dieses Volumen lieber in das elfgeschossige Hochhaus integrieren. Zur Begründung heißt es: „Ein geschlossener Riegel wird oft aus Lärmschutzgründen an stark befahrenen Straßen zur Abschottung des Straßenlärms angeordnet. Hier verhindert dieses Konzept lediglich die optimale Durchlüftung und Belichtung des Quartiers und schließt den Grünraum von der Straße ab.“
Durch den Verzicht auf den Querriegel würde die versiegelte Fläche um ein Drittel reduziert. Außerdem könnte ein Großteil der Wohnungen in einem Querriegel nur nach Norden orientiert sein. Durch die Idee eines alleinstehenden Hochhauses dagegen hätten alle neuen Wohnungen einen freien Ausblick und Orientierung nach Osten und Westen. Auch gestalterisch sei dies die bessere Lösung, sagen die Planer.
So sehen es auch die meisten Anwohner. Laut Baurechts- und Denkmalamt (BDA) der Stadt Konstanz liegt aus der Nachbarschaft eine umfangreiche Unterschriftenliste vor, die sich deutlich für den Verzicht auf einen solchen Riegel ausspricht und die Alternativlösung sehr begrüßt. Allerdings gebe es auch Protest von zwei Anwohnern.
„Die eingereichte Bauvoranfrage wird auf der Grundlage der eingegangenen Stellungnahmen und Empfehlungen unter Beachtung der gesetzlichen Bearbeitungsfristen geprüft“, schreibt Andreas Napel, Leiter des BDA. Bei Zustimmung werde danach der Bauantrag eingereicht. „Wir streben eine Baugenehmigung noch in diesem Jahr an“, sagt Hans-Jürgen Girardelli, der mit seiner Konstanzer Immobilienfirma für Beratung und Verkauf der neuen Wohnungen zuständig ist.

Der Gestaltungsbeirat, ein Gremium aus Architekten, Stadt- und Landschaftsplanern, hatte zu den ersten Plänen vor einigen Wochen noch Kritisches anzumerken. So sei unter anderem „die Qualität der Freiflächen und deren Widmung in die Planung zu integrieren“. Der Beirat empfiehlt dazu die Zusammenarbeit mit einem Landschaftsplanungsbüro.
Außerdem seien „die Proportion des Hochhauses und die Angemessenheit des architektonischen Ausdrucks“ zu prüfen: „In der derzeitigen Planung wirkt der Hochpunkt sehr massiv. Der Beirat ist der Auffassung, dass ein besseres Einfügen des Baukörpers in die örtliche Situation sowie eine eigenständige Architektur keinen Widerspruch darstellen“.
Die Mitglieder des Gestaltungsbeirats bitten um die Entwicklung mehrerer Varianten. Dazu sagt Hans-Jürgen Girardelli: „Die Empfehlungen des Gestaltungsbeirates werden selbstverständlich beachtet und die weitere Planung mit dem Gremium und dem Baurechtsamt abgestimmt.“ Auch die Zusammenarbeit mit einem Landschaftsarchitekten sei natürlich vorgesehen.