Was ist denn das am Fliegengitter am Wohnzimmerfenster? Eine Fledermaus?! Die visuelle Information erreicht nur langsam das Gehirn. Eine Fledermaus am Fliegengitter ist per se nichts Ungewöhnliches. Nachts schätzen es die kleinen Insektenfresser sehr, sich wie Batman hinzuhängen und sich an dem reich gedeckten Tisch zu laben, schließlich verfangen sich immer Schnaken und kleine Fliegen an dem feinen Metallnetz.

Aber jetzt ist es sieben Uhr morgens: Schlafenszeit für kleine Fledermäuse! Bei näherer Betrachtung wird das Ereignis noch erstaunlicher. Das kleine Mäuschen, das seine Flügel sorgsam eingefaltet hat, hängt nicht außen, sondern innen am Gitter. Die Frage, wie das kleine Kerlchen das geschafft hat, wird erst einmal hintenangestellt. Wichtiger ist jetzt die Sicherung des Wildtieres.

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Ein mit Luftlöchern versehener Schuhkarton ist in diesem Haushalt eigentlich immer griffbereit, dito ein Glas mitsamt stabilem Kuvert, schließlich gibt es zuweilen auch Bienen- und Wespenbesuch, den es umgehend auszuquartieren gilt. Vom Umstieg in das Glas hält die kleine Fledermaus rein gar nichts. Naja, eigentlich auch selbsterklärend; es gibt nichts, woran sich das Kerlchen festhalten könnte.

Den Briefumschlag hingegen findet das Fledermäuschen gar nicht so schlecht. Ganz langsam greift es mit den Vorderfüßchen zu. Auch das linke Hinterbein folgt. Mit dem rechten Hinterpfötchen hält es sich jedoch weiterhin kräftig am Fliegengitter fest.

Überraschung morgens um sieben Uhr am Wohnzimmerfenster. Eine Fledermaus hängt am Fliegengitter.
Überraschung morgens um sieben Uhr am Wohnzimmerfenster. Eine Fledermaus hängt am Fliegengitter. | Bild: Scherrer, Aurelia

Was tun? Fledermäuse anfassen ist keine so gute Idee. Vor ihrem Gebiss wird stets gewarnt, schließlich knacken sie mit ihren spitzen Zähnen jeden Insekten-Chitinpanzer. Handschuhe aber sind in unerreichbarer Ferne.

Ganz behutsam und äußerst vorsichtig

Also bleibt nur der Versuch, mit dem Finger ganz vorsichtig den Fuß mit den winzigen Zehen zu berühren, der gefährliche Teil des Tieres befindet sich ja Gottlob am anderen Ende – damit rede ich mir in dieser Notsituation halt einfach mal gut zu. Endlich ergreift die Fledermaus den Finger. Vorsichtig setze ich sie mitsamt Kuvert in den Karton, Deckel zu, Tierchen gesichert.

Die kleine Fledermaus wird munter, denn in Kürze geht es zurück in die freie Wildbahn.
Die kleine Fledermaus wird munter, denn in Kürze geht es zurück in die freie Wildbahn. | Bild: Scherrer, Aurelia

Kurzes Durchatmen, und auf geht‘s zur Internet-Recherche. Auf der Homepage der AG Fledermausschutz sind Notfall-Tipps und Notfall-Telefonnummern aufgelistet. Umgehend werden die Erste-Hilfe-Maßnahmen umgesetzt.

Das Kerlchen bekommt Stoff- und Papierküchentücher, um sich reinzuknuddeln – und das Wichtigste, da Fledermäuse schnell dehydrieren, einen Deckel mit Wasser. Zusätzlich nehme ich einen Löffel mit erfrischendem Nass und biete es der kleinen, fliegenden Maus an. Tatsächlich: Sie nippt, gähnt (was für ein Gebiss!) und attackiert blitzschnell den Löffel. Wow! Fledermäuse sind definitiv nicht zu unterschätzen.

Batmans kleine Schwester Video: Aurelia Scherrer

Ich werte es als gutes Zeichen, dass der kleine Flattermann so wehrhaft ist. Trotzdem greife ich zum Telefon und wähle eine der Notfallnummern, um sicherzugehen, dass ich nichts falsch mache. Die kompetente Fledermaus-Expertin erkundigt sich genau, rät mir, das Tier bis zum Abend zu behalten und dann fliegen zu lassen. Plan B: Ich bekomme die Adresse der Fledermaus-Fachfrau, falls der Kleine nicht wegflattert. Das ist beruhigend.

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In der Dämmerung geht es hinaus auf die Terrasse, mitten ins innerstädtische Fledermaus-Revier. Hier zwischen den Bäumen und Pflanzen gehen die Fledermäuse jeden Abend auf die Jagd. Es ist noch etwas früh. Trotzdem mache ich den Deckel auf, denn jetzt ist Fotoshooting angesagt, schließlich hat sich die Fledermaus-Expertin ein Porträt-Bild des kleinen Wildfangs gewünscht.

Abflugrampe für den Weg in die Freiheit

Die Abflugrampe, wie im Internet beschrieben, will ich später platzieren. Die Fledermaus mit ihren winzigen, dunklen Knopfaugen gähnt und bewegt lauschend ihre Ohren. Die folgenden Minuten kratzt sich die kleine Fledermaus, dann folgt wieder herzhaftes Gähnen sowie Recken und Strecken. Gymnastik in Verbindung mit Morgentoilette, wie es scheint.

Dann breitet sie schon einen Flügel aus. Das filigrane, leicht transparente Gebilde ist von erstaunlicher Größe wenn man den Minikörper ins Verhältnis setzt. Urplötzlich flattert sie davon – ein Start ganz ohne Rampe. Als hätte es ein Signal gegeben, fliegen auf einmal mehrere Fledermäuse im Tiefflug über das Areal. Und die kleine Fledermaus macht jetzt wieder mit ihrer Clique den nächtlichen Flugraum unsicher.