Gar nicht so einfach, jemanden im Musikerviertel zu finden, der da schon immer wohnt. Fündig werden wir in der Hinterhauser Straße 11. „Obwohl wir hier eigentlich gar nicht zum Musikerviertel gehören“, nimmt Rudi Klevenz es ganz genau. Südlich der Eichhornstraße gebe es nur einen Komponisten als Straße, den Mozart, die andern tummeln sich oben Richtung Lorettowald. Offiziell also eher Petershausen Ost.

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Sei‘s drum. Claudia Klevenz bewohnt hier mit ihrem Mann das Elternhaus, das 1957 bezogen worden war. Ein Jahr zuvor wurde das Grundstück gekauft. 1250 Quadratmeter für 15 Mark pro Quadratmeter. „Mein Vater baute sich damals eine Kanzlei für Steuerrecht auf, war aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt“, erinnert sich Klevenz. „Er wollte eigentlich nur die Hälfte des Grundstücks. Aber die Stadt sagte: Ganz oder gar nicht.“

Durch den Garten zog sich ein Bächlein und führte weiter durch (unbebaute) Streuobstwiesen. Heute würde man für den Kaufpreis nicht einmal die Hofeinfahrt bekommen. „Aber damals war das trotzdem viel Geld.“ 1959 wurde dann die Tochter geboren. Und ein Kirschbaum gepflanzt, das Claudia-Bäumle. Im am Ast baumelnden Nistkasten ziehen gerade Kohlmeisen fünf Junge groß.

Claudia Klevenz: „15 Mark für den Quadratmeter war 1956 viel Geld.“
Claudia Klevenz: „15 Mark für den Quadratmeter war 1956 viel Geld.“ | Bild: Michael Buchmüller

Da ihr Grundstück zur Straße hin keine Hecke hat, gewährt es Einblicke. „Jeder dritte Passant bleibt stehen, schaut auf das Klingelschild, wer da wohnt.“ Teilweise neidvolle Blicke, die zu ihrer fast 15 Meter entfernten Terrasse geschickt werden. „Aber da ich ein kommunikativer Mensch bin, gab es auch nette Begebenheiten.“ Claudia Klevenz ist leidenschaftliche Hobbyköchin. Einmal habe da ein chinesischer Professor mit fünf Studenten vor dem Tor gestanden. „Die habe ich kurzerhand hereingebeten und bekocht.“

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Und dann die drei Studenten, die immer wieder vorbeiradelten. Hätten herübergeschaut und laut über das Haus gesprochen. „Die habe ich dann mal zurückgepfiffen und auf ein Bier eingeladen.“ Es wurde ein netter Abend. Alle würden erwarten, dass die Bewohner hier abweisend sein müssten, fasst ihr Mann Rudi diese Erlebnisse zusammen. „Aber so sind wir nicht.“

Da Essen kochen und gut Essengehen ihr Hobby ist, kennen sie auch den Chef-Koch des Zwei-Sterne-Restaurants Ophelia, Dirk Hoberg. „Der bekommt aus unserem Garten die Feigen und die Williams-Birnen.“ Ist ja nur einige hundert Meter entfernt. Für ein Foto im Garten wirft sich die Dame des Hauses dann noch schnell in Schale: Grün die Schuhe, grünes Tiger-Kleid, dazu aus ihrer Hüte-Sammlung ein großer schwarzer.

Fototermin im Garten: Das Ehepaar Klevenz auf seinem 1250 Quadratmeter großen Anwesen mit dem elterlichen Haus.
Fototermin im Garten: Das Ehepaar Klevenz auf seinem 1250 Quadratmeter großen Anwesen mit dem elterlichen Haus. | Bild: Michael Buchmüller

Gleich zu Beginn der Neuhauser Straße, gegenüber dem Suso-Gymnasium, also auch im südlichen Teil des Quartiers, befindet sich ein verwunschen wirkendes Haus. Villa Elfen steht an der gelben Fassade neben dem Türmchen, in dem man zu einem schlafenden Dornröschen hinaufsteigen möchte. Die Besitzer Helmut Fend und Ida Fend-Richter sind sich einig: „Dieses Haus hat einen ganz eigenen Zauber.“ Ein Rittmeister hat es 1901 erbauen lassen.

Die Villa Elfen in der Neuhauser Straße.
Die Villa Elfen in der Neuhauser Straße. | Bild: Michael Buchmüller

„Da waren die Grundstücke außerhalb der Stadt sicher noch günstig für diesen Adligen“, erklärt Helmut Fend, der 20 Jahre an der Universität Konstanz Bildungsforschung betrieb und dann nach Zürich wechselte, wo er ein Lebenslaufforschungsprojekt initiierte.

Helmut Fend: „Wir wohnen in einer sozial-historischen Perle.“
Helmut Fend: „Wir wohnen in einer sozial-historischen Perle.“ | Bild: Michael Buchmüller

Ein Adliger also wohnte hier, der zwar am unteren Ende der Hierarchie angesiedelt war, aber trotzdem repräsentativ leben wollte. Die Küche im Untergeschoss mit handbetriebenem Speiseaufzug in den Speisesalon, den ein großer Kachelofen ziert. Am anderen Ende des großen Gartens ein Häuschen, in dem Pferdestall, Fuhrwerk und Kutscher untergebracht waren.

Das Kutscherhaus im Garten der Villa Elfen.
Das Kutscherhaus im Garten der Villa Elfen. | Bild: Michael Buchmüller

Für Helmut Fend war es, als er es 1998 erstmals besichtigte, „ein Traumhaus, ein Liebhaberstück“, das er unbedingt haben wollte. Und bekam. Es gab keine Konkurrenten. Alle Bekannten der Vorbesitzer hätten das Haus toll gefunden, aber niemand konnte sich so rasch entscheiden. „Wir haben es Samstag besichtigt und Montag gekauft.“

Und als Ida Fend-Richter 2005 Direktorin am Suso-Gymnasium wurde, musste sie nur noch die Straße überqueren. „Eine eigens für meine Frau beantragte Fußgängerampel hat die Stadt abgelehnt.“ Die Ironie in der Stimme ihres Ehemanns ist nicht zu überhöhen, sie geht darauf ein: „Ich habe einfach die Schule passend zum Haus gefunden.“

Ida Fend-Richter und Helmut Fend vor dem Jugendstil-Teepavillon im Garten ihrer Villa.
Ida Fend-Richter und Helmut Fend vor dem Jugendstil-Teepavillon im Garten ihrer Villa. | Bild: Michael Buchmüller

Ein zweiter Besitzer hat in den 1920er-Jahren einen japanischen Jugendstil-Teepavillon und einen Wintergarten angebaut mit den damals üblichen Doppel-Fenstern. Durch die alten handgemachten Scheiben wirft die Abendsonne Regenbogenfarben an die Wand. „Der Zauber ist mit den Jahren sogar größer geworden,“ bekennt die pensionierte Direktorin. Das Haus gebe immer wieder kleine Geheimnisse preis. Verwinkelte Ecken, die die Fantasie anregen. Der Treppenaufgang im Turm hat oben eine Luke, „in der hat die Vorgängerfamilie die Weihnachtsgeschenke versteckt.“

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Die Räume sind bezaubernd – der Garten sowieso. „Wir sind wahrscheinlich das letzte Grundstück in dieser Straße, dessen Garten nicht in zweiter Reihe bebaut ist.“ Nachverdichtung, die Parkplatzprobleme schafft. „Die einst stillen Straßen des Musikerviertels“, so Ida Fend-Richter, „werden von Langzeitparkern heimgesucht.“ Die hier ihr Auto kostenlos abstellen, da keine Anwohnerparkplätze ausgewiesen sind. Und dann für Wochen verschwinden.

Inzwischen gibt es in der näheren Umgebung große Häuser mit viel Beton und Stein, während es bei ihnen wuchert und blüht. 1995 bekam diese blühende Landschaft im Magazin „Hausgärten“ einen mehrseitigen Artikel. Und das völlig zurecht, auch wenn die Buchsstrauchreihen inzwischen von einem Pilz befallen wurden. Das Violett der blühenden Glyzinie an gelber Hauswand, die sich über das Teehaus rankende und zartrosa blühende Clematis.

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Jetzt im Frühjahr eine Oase für ihn, der viel im Garten „werkelt“, und sie, die auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Dass Renovierungen kostspielig sind (allein das Erneuern der Wintergartenfenster kostete einen fünfstelligen Betrag), dass die Isolierung nicht modernem Standard genügt – all das braucht weitere Lösungen, aber ihre Entscheidung haben sie dennoch nie bereut. Wenn man dafür eine Zaubervilla bewohnen darf, in der man sich vorstellt, eine Prinzessin wach zu küssen.