Vor acht Jahren beschloss der Konstanzer Gemeinderat das Handlungsprogramm Wohnen, um mit beinahe 8000 Wohnungen bis 2035 dem Wohnungsmangel in Konstanz Herr zu werden. Die Werkzeuge dafür sollten mehr verfügbare Flächen, klare Konzepte und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen der Stadt und den unterschiedlichen Bauträgern – städtisch, genossenschaftlich und privat – sein.

Doch wie gut ist der Aktionsplan der Stadt in den acht Jahren ins Rollen gekommen? Ist das Handlungsprogramm bislang aufgegangen? Wie entwickeln sich die Preise? Und welche Maßnahme kann den Wohnmarkt entlasten?

Der SÜDKURIER hat mit unterschiedlichsten Akteuren auf dem Immobilienmarkt gesprochen: Baugenossenschaften, Vertreter von Banken, Mietern oder Hauseigentümern. Sie alle kennen sich mit dem Wohnbau in Konstanz aus – und wissen, was gut läuft und wo es eher hakt. Sie alle haben dieselben Fragen bekommen, aber ganz unterschiedliche Antworten gegeben.

Christoph Müller: „Kurzfristig ändert sich nichts.“

Christoph Müller ist langjähriger leitender Mitarbeiter und und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bodensee.
Christoph Müller ist langjähriger leitender Mitarbeiter und und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bodensee. | Bild: Patrick Pfeiffer

Wer findet in Konstanz eine Wohnung, und wer nicht?

Es gilt generell: Je besser die Einkommensverhältnisse und Vermögensverhältnisse, desto höher sind die Chancen, eine Wohnung anmieten oder kaufen zu können. Wer aber glaubt, das Wohnungsproblem betrifft nur untere Einkommensschichten, liegt weit daneben. Davon sind auch in erheblichem Umfang die sogenannten Besserverdienenden betroffen. Ein Riesenproblem für die Wirtschaft, da der Engpass beim Wohnungsangebot auch den Fachkräftemangel verstärkt.

Was ist in den vergangenen acht Jahren seit dem Handlungsprogramm Wohnen leichter geworden, und was schwerer?

Ich empfinde als sehr positiv, dass in den Gremien der Stadtverwaltung das Thema Wohnen eine enorme Bedeutung hat. Es wird sehr viel getan, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Als Stichworte zu nennen sind etwa das Quartier Hafner, Maßnahmen zur innerstädtischen Verdichtung, sowie eine überaus agile städtische Wohnbaugesellschaft.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die große Anzahl der Akteure auf dem Immobilienmarkt aus dem Privatsektor kommen. Die öffentliche Hand hat also nur einen begrenzten Einfluss auf die aktuelle Marktsituation.

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Wie weit werden die Miet- und Kaufpreise in Konstanz noch klettern?

Die Kaufpreise sind in den letzten Jahren extrem stark gestiegen. Diese Dynamik wird wegen der zuletzt steigenden Zinsen stark nachlassen. Bei einigen Lagen werden die Preise auch zurückkommen. Aber langfristig werden die Mieten wie auch die Kaufpreise weiter steigen. Es stellt sich nur die Frage, ob dies im Gleichklang mit den Lohnzuwächsen passiert oder wie zuletzt die Lohn- und Einkommensentwicklung massiv der Baukosten- und Mietpreisentwicklung hinterherhinkt. Ich befürchte, kurzfristig ändert sich an der momentanen Situation nichts.

Was hätte in den acht Jahren anders laufen müssen?

Ich sehe keine Versäumnisse. Der Preisdruck auf den Wohnungsmarkt ist aus verschiedenen Gründen enorm hoch: Baukostensteigerungen wegen Inflation, hohe Nachfrage wegen Zuzug, steigende Wohnraumnachfrage durch massive Migrationsbewegungen, wenig verfügbare Flächen der öffentlichen Hand, aber auch stetig steigende Brandschutzanforderungen sowie energetische Anforderungen.

Wenn Sie sich eine Maßnahme für den Konstanzer Immobilienmarkt wünschen könnten, was wäre dies?

Für Konstanz sehe ich keine spezifischen Maßnahmen – vielmehr übergeordnete Themen, die angegangen werden müssten. So sollte die innerstädtische Verdichtung massiv unterstützt werden. Einspruchsprozesse müssten auf Ausgewogenheit und Prozessdauer überprüft werden. Ebenfalls müssen wir in unserer Gesellschaft zu einem ausgewogenen Interessenausgleich zwischen dem Recht auf bezahlbares Wohnen und den berechtigten Belangen von Natur und Umweltschutz kommen.

Ralph Buser & Winfried Lang: „Jeder kann eine Wohnung finden.“

Ralph Buser (links) und Winfried Lang sind im Vorstand des Spar- und Bauvereins Konstanz. Die Wohnbaugenossenschaft gehört mit mehr als ...
Ralph Buser (links) und Winfried Lang sind im Vorstand des Spar- und Bauvereins Konstanz. Die Wohnbaugenossenschaft gehört mit mehr als 1700 Wohnungen zu den größten Vermietern der Stadt. | Bild: Julius Bretzel

Wer findet in Konstanz eine Wohnung, und wer nicht?

Prinzipiell sind wir der Ansicht, dass nahezu jeder in Konstanz eine Wohnung finden kann, da es von der geförderten Wohnung bis hin zur exklusiven Neubauwohnung zumindest ein Angebot gibt. Ob es immer die „Traumwohnung“ oder „Geborgenheitsinsel“ ist ­­– auch was Lage, Ausstattung, Größe und Bezahlbarkeit angeht –, ist dies sicherlich ein schwierigeres Unterfangen. Wer mehr Geld hat und investieren will, wird tendenziell eher sein Traumdomizil finden, als derjenige, der ein geringeres Budget zur Verfügung hat. Klar ist aber leider auch: Dies ist kein rein Konstanzer Phänomen.

Was ist in den vergangenen acht Jahren seit dem Handlungsprogramm Wohnen leichter geworden, und was schwerer?

Als positiv möchten wir die Vernetzung, Kommunikation und Zusammenarbeit von Behörden, Akteuren am Immobilienmarkt, Banken und auch Entscheidungsgremien nennen. Insgesamt ist es ein enges Zusammenrücken und die Bündelung der Kräfte, um gemeinsam großgesteckte Ziele erreichen zu können.

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Wie weit werden die Miet- und Kaufpreise in Konstanz noch klettern?

Die Kaufpreise im mittleren und hochpreisigen Segment werden mindestens auf dem aktuellen Niveau bleiben, eher tendenziell weiter steigen. Im Bereich der durchschnittlichen und schlechteren Lagen werden sie verharren bis maximal leicht sinken. Gründe dafür sind die aktuellen Herausforderungen des Kapitalmarktes, insbesondere die gravierende Inflationsentwicklung von rund acht Prozent. Aber vor allem sind die gestiegenen Bau- und Grundstückspreise sowie die Finanzierungskosten genannt. Die haben sich seit Jahresbeginn verdreifacht.

Anders verhält es sich bei den Mieten. Die Kaltmieten werden aus unserer Sicht weiterhin erheblich steigen, insbesondere aufgrund der ausufernden Bau- und Grundstückskosten, aber auch wegen der Finanzierungskosten und der Renditeerwartung in Relation zur Inflation. Hinzu kommt, dass die Warmmieten sich noch erheblich weiter erhöhen werden. Das liegt an der Lohn-Preis-Spirale bei den Dienstleistungen, aber allem voran an den vervielfachten Energiekosten.

Was hätte in den acht Jahren anders laufen müssen?

Die Möglichkeiten der städtischen Behörden, die ausufernden Bau-, Sicherheits- und Bandschutzvorschriften zu verändern, sehen wir als sehr begrenzt an. Die teilweise Regelwut auf Landes- und Bundesebene im Bauwesen ist nicht innerhalb eines Mikro-Marktes zu lösen. Grundsätzlich würden wir uns die bessere Grundstücksausnutzung im Rahmen des Handlungsprogramms wünschen, besonders das Wachstum in die Höhe.

Wenn Sie sich eine Maßnahme für den Konstanzer Immobilienmarkt wünschen könnten, was wäre dies?

Die eine, alles verändernde Maßnahme gibt es aus unserer Sicht nicht. Für alle Herausforderungen in unserer heutigen Zeit gilt: schnellere Entscheidungswege, Abbau der Bürokratie und Eindämmung teilweiser nicht sinniger Regeln.

Herbert Weber & Winfried Kropp: „Projekte stecken im Planungsstau.“

Herbert Weber (links) ist langjähriger Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Bodensee, Winfried Kropp ist dort Pressesprecher. Mit ...
Herbert Weber (links) ist langjähriger Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Bodensee, Winfried Kropp ist dort Pressesprecher. Mit knapp 8000 Mitgliedern aus dem Landkreis Konstanz und dem westlichen Bodenseekreis ist der Verein einer der größten Mieterverbände in der Region. | Bild: Julius Bretzel

Wer findet in Konstanz eine Wohnung, und wer nicht?

Die Konstanzer Wohnungsknappheit betrifft nahezu alle Wohnungssuchenden gleichermaßen: Professorinnen, Erzieher, Busfahrerinnen oder Studenten. Schwer haben es vor allem Menschen ohne gute Beziehungen in der Stadt, denn günstige Wohnungen werden oft durch persönlichen Kontakt vermittelt. Dabei haben es Familien mit Kindern, aber auch Menschen mit mittleren oder niedrigen Einkommen, besonders schwer. Aber selbst höhere Einkommen machen die Suche nach einer geeigneten Wohnung nicht leichter.

Was ist in den vergangenen acht Jahren seit dem Handlungsprogramm Wohnen leichter geworden, und was schwerer?

Das Handlungsprogramm Wohnen setzt sich nicht nur das Ziel, ausreichend Wohnungen zu bauen, sondern achtet auch auf die richtige Mischung. Bei der Fortschreibung 2018 wurde das Handlungsprogramm dahingehend verbessert: Die Zahl der zu erstellenden Sozialwohnungen wurde erhöht. Das sehen wir positiv. Das Handlungsprogramm Wohnen wurde allerdings nicht so schnell umgesetzt wie erhofft. Zu viele Projekte stecken im Planungsstau. Und die Konflikte nehmen zu, wenn gut situierte Eigentümer neue Nachbarn bekämpfen.

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Wie weit werden die Miet- und Kaufpreise in Konstanz noch klettern?

Die Mieten bleiben hoch, solange die Wohnungsnachfrage hoch bleibt. Dafür sorgen die Hochschulen, der attraktive Schweizer Arbeitsmarkt, die Lage am See und nicht zuletzt die demographische Entwicklung. Wer also Bauprojekte des Handlungsprogramms Wohnen wie die Jungerhalde Nord bekämpft, will, dass die Mieten weiter steigen. Bei den Kaufpreisen könnten steigende Zinsen das Ende der hohen Wachstumsraten bedeuten.

Was hätte in den acht Jahren anders laufen müssen?

Hinterher ist man immer klüger. Nicht alle Hindernisse und Widerstände waren voraussehbar. Unseres Erachtens hätten Verwaltung und Gemeinderat die planerischen Schwerpunkte auf die Gebiete legen sollen, in denen großes Wohnungspotential liegt und wo aufgrund der Eigentumsverhältnisse schnelle Umsetzungen möglich gewesen wären. Das ist nicht immer geschehen. Bei manchen Projekten hat auch der Mut gefehlt. Aus Sorge vor Nachbarschaftseinsprüchen wurde mitunter auf eine mögliche und verträgliche höhere Bauweise vorauseilend verzichtet.

Wenn Sie sich eine Maßnahme für den Konstanzer Immobilienmarkt wünschen könnten, was wäre dies?

Uns wäre die Bebauung des Döbele wichtig. Dieses Grundstück liegt zentral, ist vollständig erschlossen und gehört zudem der Stadt. Das sind beste Voraussetzungen für ein Quartier, in dem alle Bevölkerungsschichten ein Zuhause finden können. Dieser Parkplatz ist eine planerische Schande. Und es ist ein kommunalpolitisches Versagen, dass ein Streit um die Zahl der Parkplätze das Projekt verzögert hat.

Matthias Schaubel: „Gesetzliche Vorgaben verteuern das Bauen.“

Matthias Schaubel ist seit April diesen Jahres Geschäftsführer des Eigentümerverbands Haus & Grund Konstanz. Der Verein vertritt und ...
Matthias Schaubel ist seit April diesen Jahres Geschäftsführer des Eigentümerverbands Haus & Grund Konstanz. Der Verein vertritt und berät rund 3000 Eigentümer von Wohnungen und Grundstücken rund um Konstanz. | Bild: Julius Bretzel

Wer findet in Konstanz eine Wohnung, und wer nicht?

Wir beraten unsere Mitglieder insbesondere bei Mietverträgen. Dabei bekommen wir mit, dass grundsätzlich alle Arten an Mietwohnraum angeboten und Verträge mit Mietern quer durch die Sozialschichten abgeschlossen werden. Wer konkret keine Mietwohnung erhält, können wir aus unserer Erfahrung nicht sagen.

Was ist in den vergangenen acht Jahren seit dem Handlungsprogramm Wohnen leichter geworden, und was schwerer?

Das Handlungsprogramm Wohnen ist grundsätzlich eine gute Sache. Wichtig ist, dass man ein Problem erkennt und dieses versucht zu lösen.

Wie weit werden die Miet- und Kaufpreise in Konstanz noch klettern?

Die Miet- und Kaufpreise haben sich schon immer am Markt entsprechend entwickelt und werden dies auch weiterhin tun. Die Frage ist nicht wie weit die Preise steigen, sondern eher wie schnell diese steigen werden. Dies ist aber weiterhin von Angebot und Nachfrage und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage abhängig.

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Wenn Sie sich eine Maßnahme für den Konstanzer Immobilienmarkt wünschen könnten, was wäre dies?

Der Wohnungsmarkt kann sich immer dann verbessern, wenn genügend und geeignete Flächen zur Verfügung stehen und wenn die behördlichen Verfahren deutlich beschleunigt werden. Zur Ehrenrettung der örtlichen Kommunen und zuständigen Behörden muss jedoch erwähnt werden, dass sich durch immer weitere gesetzliche Vorgaben durch Bund und Land nicht nur die behördlichen Verfahren verlängern, sondern sich auch das Bauen deutlich verteuert.