Als die Stadt 2014 das Handlungsprogramm Wohnen beschlossen hat, lautete der Plan noch, bis 2030 über 5300 neue Wohnungen zu schaffen. Vier Jahre später hob der Gemeinderat das Ziel der Wohnbaustrategie auf fast 8000 Wohnungen bis 2035 an.

Ein Grund dafür war, dass sich in der Zwischenzeit neue Chancen auf Wohnungsbau ergaben. Jetzt, acht Jahre nach dem Beschluss, zeigt sich, an welchen unerwarteten Orten neuer Wohnraum hinzugekommen ist – und wo er gerade noch entsteht.

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84 bezahlbare Mietwohnungen am Pfeiferhölzle

2014 noch nicht abzusehen und trotzdem jetzt schon bewohnt sind etwa die drei Mehrfamilienhäuser am Pfeiferhölzle. Das rund 5400 Quadratmeter große, dreieckige Grundstück am Rande des Hauptfriedhofs gehört der Spitalstiftung Konstanz. Diese ermöglichte es der städtischen Baugesellschaft Wobak per Erbbaurecht, auf dem bisherigen Friedhofsparkplatz neue Wohngebäude zu errichten.

Beim Beschluss des Handlungsprogramms ahnte noch niemand, dass wenige Jahre später am Pfeiferhölzle drei Mehrfamilienhäuser stehen würden.
Beim Beschluss des Handlungsprogramms ahnte noch niemand, dass wenige Jahre später am Pfeiferhölzle drei Mehrfamilienhäuser stehen würden. | Bild: Julius Bretzel

Inzwischen stehen die Gebäude – und Konstanz ist so um 84 erschwingliche Mietwohnungen reicher. Denn 59 davon wurden mit Mitteln des Förderprogramms Wohnungsbau BW gefördert. Sie sind Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen vorbehalten. Das hohe Bauen mit jeweils sieben Geschossen spart zudem Fläche: Laut der Wobak umfassen die drei Gebäude den Rauminhalt von 48 Einfamilienhäusern.

2014 noch nicht absehbar: Unterkünfte für Geflüchtete

Doch es ist nicht nur das natürliche Wachstum der Konzilstadt, das auf den Wohnungsmarkt drückt. Eine Entwicklung konnte die Stadt in ihrer ursprünglichen Planung nicht voraussehen: 2015 und 2016 kam über eine Million Flüchtlinge, unter anderem aus Syrien, nach Deutschland. So plante auch Konstanz um.

Die Stadt musste sogenannte Anschlussunterkünfte schaffen, in welche die Menschen aus den Notunterkünften umziehen können, bevor sie langfristig eine eigene Wohnung finden. Und auch in diesem Jahr, als sich bislang knapp tausend Kriegsflüchtlinge aus der der Ukraine bei der Stadt meldeten, zeigte sich der Nutzen dieses kurzfristigen Wohnraums.

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Mit den Anschlussunterkünften am Sonnenbühl und an der Luisenstraße errichtete die Stadt 2021 zwei Wohnheime mit insgesamt 154 Plätzen – und holte so den Rückstand in der städtischen Verpflichtung auf, Geflüchtete dauerhaft unterzubringen. 31 weitere Wohnungen zu diesem Zweck schaffte die Hoffnungsträger-Stiftung der Unternehmerfamilie Merckle in zwei Häusern an der Stifterstraße und – unter langem Protest der Anwohner – am Alten Bannweg.

In Egg entstanden für Flüchtlinge außerdem 15 geförderte Drei-Zimmer-Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Und von den insgesamt 44 neu entstandenen Wohnungen im Zergle am Mühlenweg sind 18 von Geflüchteten bewohnt.

Die Anschlussunterkunft an der Schottenstraße entstand in Schnellbauweise.
Die Anschlussunterkunft an der Schottenstraße entstand in Schnellbauweise. | Bild: Julius Bretzel

Und auch kleinere bebaubare Flächen, von der Stadtverwaltung „Sommersprossengrundstücke“ genannt, sollten bei der Unterbringung geflüchteter Menschen helfen. So etwa an der Schottenstraße: Dort steht seit 2017 ein Komplex aus zwei kubischen Häuschen mit heller Holzfassade. Innerhalb weniger Wochen sind hier vier Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen entstanden, zwischen Spatenstich und Richtfest vergingen dank Schnellbauweise gerade einmal drei Monate.

Auf das ehemalige Siemensareal kommt neuer Wohnraum

Doch wo soll in den kommenden Jahren weiterer Wohnraum entstehen, der vor acht Jahren noch nicht absehbar war? Eine Chance bot sich etwa, als das Unternehmen Siemens von der Bücklestraße im Westen Petershausens auf das Campus-Gelände umzog. Damit stand plötzlich eine sieben Hektar große Fläche zur Verfügung, mit der vorher niemand gerechnet hatte.

Für mehr als 28 Millionen Euro hat das Siemensareal den Besitzer gewechselt und verwandelt sich bald in ein Quartier mit Park und rund ...
Für mehr als 28 Millionen Euro hat das Siemensareal den Besitzer gewechselt und verwandelt sich bald in ein Quartier mit Park und rund 600 Wohnungen. | Bild: Lukas Ondreka

Die i+R Dietrich Wohnbau GmbH aus Lindau kaufte das Gelände für mehr als 28 Millionen Euro und betonte, den Bücklepark in einem „konstruktiven Miteinander“ mit der Stadt Konstanz entwickeln zu wollen. So sind auch Baugemeinschaften und die Wobak als Entwickler beteiligt.

Dabei soll teilweise neu gebaut werden, während fünf denkmalgeschützte oder als erhaltenswert eingestufte Siemens-Gebäude saniert und weiterhin genutzt werden. In dem Quartier sind mehr als 600 Wohnungen geplant – doch ein knappes Drittel der Fläche wird grün, als öffentlicher Park.

Luxus-Wohnungen im höchsten Gebäude von Konstanz

Beinahe als Leuchtturmprojekt könnte man eine weitere Baustelle bezeichnen. Zumindest ragt das Bauwerk schon seit einigen Jahren über die Stadt am See: das Telekom-Hochhaus in Petershausen. Mittlerweile steht von dem (mit Antenne) 90 Meter hohen Gebäude nur noch ein Gerippe da. Der Turm wird seit 2020 entkernt.

Links ein Kran, rechts ein Kran und in der Mitte das entkernte Telekom-Hochhaus. So hoch wie die Wohnungen im umgebauten Turm werden ...
Links ein Kran, rechts ein Kran und in der Mitte das entkernte Telekom-Hochhaus. So hoch wie die Wohnungen im umgebauten Turm werden wohl auch die Mieten sein. | Bild: Julius Bretzel

Die Bürozimmer sind längst draußen; dort und auf dem umliegenden Areal sollen 280 Wohnungen entstehen. Im Vergleich zum Neubau eines Hochhauses ist der Umbau deutlich teurer und aufwändiger. Doch bei einem kompletten Neubau wäre die Genehmigung für eine derartige Bauhöhe eher schwer zu bekommen gewesen.

Entsprechend klar ist: Bei einem derartigen Projekt, das die Stuttgarter Firma BPD entwickelt, wird teurer Luxus-Wohnraum entstehen. Bereits beim Umbaustart des höchsten Gebäudes von Konstanz gab der technische Projektentwickler Sven Ertinger auf Nachfrage des SÜDKURIER zu: „Die Wohnungen im Turm selbst werden sehr teuer, es ist ein exklusives Projekt. Ein Hochhaus baut man nicht alle Tage um.“

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Dennoch gilt auch für das Telekom-Areal die vom Gemeinderat festgelegte Quote, die beim Wohnungsbau einen 30-Prozent-Anteil für geförderte Wohnungen vorschreibt. Diese werden allerdings nicht im exklusiven Hochhaus selbst, sondern in näherer Umgebung auf dem Gelände entstehen.

Neuer und nachhaltiger Wohnraum in Allmannsdorf

Im Herbst 2020 beschloss der Gemeinderat zudem den Bebauungsplan Jungerhalde West. Das Planungsverfahren für das Wohnviertel am Rande von Allmannsdorf läuft derzeit. Fest steht: Die Wobak und Genossen- oder Baugemeinschaften wollen auf dem Acker 140 erschwingliche Wohnungen mit hohen ökologischen und energetischen Standards für rund 500 Menschen bauen.

Rund die Hälfte der Wohnungen soll gefördert werden und 40 Prozent im mittleren Preissegment liegen. Außerdem will die Stadt in der Jungerhalde West auf Nachhaltigkeit achten und Holzbau-Konzepte umsetzen. Doch auch diese Planung läuft – wie häufig – nicht ohne die Gegenwehr der Anwohner ab.

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Im Sierenmoos könnten schon Mitarbeiter-Wohnungen stehen

Solch eine Gegenwehr bekam auch die Spitalstiftung zu spüren. Sie möchte im Sierenmoos, zwischen Allmannsdorfer Straße und Mainaustraße, fünf Häuser mit Wohnungen für Pflegepersonal bauen. Die Fläche wurde nachträglich zur Liste vom Handlungsprogramm Wohnen hinzugefügt.

Seit fast vier Jahren liegt der Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs vor, doch gebaut wurde noch nichts. Unter anderem wegen einer Anwohner-Klage verzögerte sich bisher der Start des Elf-Millionen-Euro-Projekts.

Brückenquartier: Mobilität trifft Wohnen

Im Zeichen der Mobilität will die Stadt das Brückenquartier am nördlichen Ende der Schänzlebrücke in Petershausen entwickeln. Platz ist dort für 169 Wohnungen – zu einem Großteil in der mittleren Preislage, die in Konstanz rar ist, weil der Stadt entsprechende Förderprogramme fehlen. Außerdem soll auf der bisherigen Brachfläche ein sogenannter Mobilpunkt mit Auto- und Busstellplätzen, Fernbusbahnhof, Car- und Bikesharing entstehen.

Am Brückenkopf Nord der Konstanzer Schänzlebrücke soll bald ein gut angebundenes Neubauquartier entstehen.
Am Brückenkopf Nord der Konstanzer Schänzlebrücke soll bald ein gut angebundenes Neubauquartier entstehen. | Bild: Scherrer, Aurelia

Damit will die Stadt unter anderem die Stellplätze ausgleichen, die mit der seit Jahren beschlossenen Bebauung des Döbele-Parkplatzes wegfallen würden. Das knapp vier Hektar große Grundstück am Seerhein ist in Besitz der Stadt. Immerhin: Die Planungen des Brückenquartiers sind mittlerweile abgeschlossen, der Bau könnte also schon in naher Zukunft beginnen.

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