Das alte Problem des Konstanzer Wohnraummangels wird seit Jahren immer schlimmer, auf dem Wohnungsmarkt wird es enger und enger. Kein Wunder – jedes Jahr wollen weitere Menschen in die größte Stadt am See ziehen, gleichzeitig sind Bauflächen jedoch Mangelware.
Größer werden kann die Konzilstadt aufgrund der geographischen Gegebenheiten kaum noch, eine der letzten freien Flächen wird mit dem neuen Stadtteil Hafner wohl in den kommenden Jahren noch bebaut werden. Doch warum wird in Konstanz nicht öfter in die Höhe gebaut oder zusätzliche Stockwerke auf bereits bestehende Immobilien gebaut? Und könnte dies das Problem des Wohnraummangels überhaupt lösen?
Wann gilt ein Gebäude als Hochhaus?
Grundsätzlich gilt: „Die Landesbauordnung Baden-Württemberg definiert ein Gebäude dann als Hochhaus, wenn der Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes mehr als 22 Meter über der Geländeoberfläche liegt“, teilt Walter Rügert, Pressesprecher der Stadtverwaltung Konstanz, vonseiten des Konstanzer Baudezernats mit. „Damit können mit Dachaufbauten auch Gebäudehöhen von mehr als 25 Meter resultieren.“
In Konstanz fällt hierbei beispielsweise nicht nur das über 62 Meter und 14 Stockwerke hohe Telekom-Hochhaus in Petershausen in diese Kategorie, sondern auch ältere Bauwerke wie das Konzil oder das Hohe Haus in der Zollernstraße. Darüber hinaus stehen auf dem Gelände des Businessparks weitere Hochhäuser, ebenso auf dem ehemaligen Siemensareal an der Bücklestraße.
Ein noch zu realisierendes Projekt dieser Kategorie ist das geplante Quartier auf dem Areal Brückenkopf-Nord an der Schänzlebrücke. Hierbei wurde beim Wettbewerb eine Höhe von 50 Metern als städtebaulich verträglich festgelegt. Beim Brückenquartier wird die Höhe allerdings nur punktuell mit bis zu 44 Metern erreicht, dabei habe man sich am in der Nähe befindlichen Businesspark orientiert.
In Deutschland darf grundsätzlich so hoch gebaut werden, wie es der jeweilige rechtskräftige Bebauungsplan zulässt, in dessen Geltungsbereich sich ein Bauvorhaben befindet. „Gibt es für ein Grundstück keinen Bebauungsplan oder ist darin die Höhenentwicklung nicht geregelt, so richtet sich die zulässige Höhenentwicklung im Einzelfall rein rechtlich nach den Kriterien des ‚Einfügens‘ in die Umgebung gemäß Paragraf 34 Baugesetzbuch“, sagt Walter Rügert. Die aktuellen baukulturellen Ansprüche verlangten jedoch bei Hochhäusern eine „planungsrechtliche Steuerung“.
Dabei werde vom Konstanzer Gemeinderat auf den jeweiligen Bereich eines Bebauungsplanes die Höhenbegrenzung unterschiedlich festgelegt. „Aufgrund von Topografie und Landschaftsbild sowie insbesondere der Altstadt mit ihren zahlreichen Kulturdenkmalen und ihrer von historischen Türmen gebildeten ‚Stadtkrone‘ ist stets eine differenzierte Betrachtung der Höhenentwicklung erforderlich“, stellt Rügert fest. Eine allgemeine Höhenbegrenzung für Hochhäuser gibt es in Konstanz indes jedoch nicht. Stattdessen müsse die Errichtung von Gebäuden über 25 Metern Höhe grundsätzlich mit Einzelfallbetrachtungen abgewogen werden.
Aber könnte der Neubau von weiteren Hochhäusern überhaupt das Wohnraumproblem lösen? Daran gibt es zumindest begründete Zweifel. „Mit mehrgeschossigen Blockstrukturen, wie im beliebten Stadtteil Paradies, kann viel und attraktiver Wohnraum bei hohen Dichten geschaffen werden“, so Rügert. „Das erforderliche Wohnraumangebot wird durch die schrittweise Umsetzung des Handlungsprogramms Wohnen auch künftig sichergestellt.“
Dagegen sei bezahlbarer Wohnraum mit Neubauten von Hochhäusern, die einerseits den höheren Anforderungen von Hochhausreglements unterlägen und andererseits dem lokalen Maßstab entsprechen müssten, in der Konzilstadt kaum möglich.
Hochhäuser verursachen immense Baukosten
Dem stimmt im Großen und Ganzen auch der Konstanzer Architektur-Professor Leonhard Schenk, der an der HTWG im Bereich Städtebau lehrt, zu. „Eine große Menge an Hochhäusern ist wahrscheinlich nicht die Lösung, um das Wohnungsproblem zu lösen“, ist sich Schenk sicher. „Davon bräuchten wir auch definitiv zu viele.“ Darüber hinaus kämen die immensen Baukosten, die beim Bau eines modernen Hochhauses entstehen. Laut Leonhard Schenk werde ab dem zehnten Geschoss alles deutlich teurer. Gründe dafür sind Statik, Brandschutzvorkehrungen, Sicherheitstechnik und Aufzüge. Und das für nur einen großen Vorteil: Weniger Baulandfläche.
Klar sei auch: Zwar seien einige Hochhäuser auf rechtsrheinischer Seite vorstellbar, linksrheinisch würde der Wissenschaftler dem jedoch eine Absage erteilen. Warum? Er nennt Stichworte wie die allgemeine Wahrnehmung des Stadtbilds, Stadtverträglichkeit, Blickbeziehungen zwischen Gebäuden und Versperrung von Sichtachsen. Zusätzlich nennt er weitere Probleme wie die einzuhaltenden Abstände, Störungen von Nachbarn und Überschattungen.
Als wichtiger erachte er jedoch noch etwas: Die mittelalterliche Stadtstruktur, die es außer in Konstanz nur selten gebe, gilt als hochgradig schützenswert. „Konstanz hat ein sensationelles Stadtbild, weil es im Krieg nicht zerstört worden ist“, so Schenk. Für ihn gelte es, dieses Stadtbild weiterhin zu bewahren. Moderne Hochhäuser neben Jahrhunderte alten Gebäuden würden dem entgegenstehen.
Alles in allem sei er sich deshalb sicher, dass auf rechtsrheinischer Seite das ein oder andere Hochhaus zwar vorstellbar wäre, jedoch keine größere Anzahl oder beispielsweise ganze Viertel. So oder so könnten diese Bauten ohnehin nur einen kleinen Teil zur Beseitigung der Wohnungsnot beitragen, für die große Masse bringe das jedoch kaum etwas. Dabei unterstützt Schenk eher die Meinung des Baudezernats: Neubauten mit einer hohen Dichte an Wohnraum, als Beispiel dafür nennt er das Bauprojekt Laubenhof, seien hierfür die bessere und effizientere Lösung.