Bürger- und Naturschutzgruppen haben sich zur Initiative Grünes Horn zusammengeschlossen, die das Bauprojekt zwischen Konstanzer Therme, Kliniken Schmieder und Lorettowald verhindern möchte. Denn sie sehen in der geplanten Bebauung des Areals zwischen Eichhornstraße und Hermann-Hesse-Weg, das jahrzehntelang als Grünfläche ausgewiesen war, den ökologischen Sündenfall.
Dass der Eingriff nicht von Pappe ist, geht auch aus der Vorlage für den Konstanzer Gemeinderat vom 13. Januar 2022 hervor. Dort heißt es: „Die Umweltauswirkungen auf die Schutzgüter Boden, Pflanzen/Biotope und Landschaftsbild sind als erheblich einzustufen.“ Da der vollständige Ausgleich im Plangebiet nicht möglich sei, solle es auch an anderer Stelle Ersatzpflanzungen geben.
Zudem sei der Kauf von 114.000 Ökopunkten vorgesehen. Das bringt Naturschützer und einige Bürger in der Region in Rage. „Wir bitten den Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg, die Aufstellung des Bebauungsplans am Horn aufzuheben“, heißt es in ihrem Schreiben. Zu den Kritikern gehören der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Konstanz, der Naturschutzbund (Nabu), die Protestbewegung Fridays for Future und die Bürgergemeinschaften Petershausen sowie Allmannsdorf.
„Wir erwarten, dass die rote Linie nicht aufgeweicht wird“
„In Zeiten des Klimawandels und des dramatisch fortschreitenden Artensterbens darf eine Zerstörung von Lebensräumen und eine zusätzliche Versiegelung nicht mehr stattfinden“, heißt es in ihrem Papier. Und weiter: „Wir fordern daher die Einhaltung des Flächennutzungsplans 2010 und des Landschaftsplans.“ Dort sind die Christiani-Wiesen als nicht bebaubar ausgewiesen. Die Initiative fordert, am lange bewährten Grundsatz festzuhalten, nach dem seenaher Stadtraum nicht weiter verdichtet werden dürfe.
Mit Blick auf die geplanten zwei- bis fünfgeschossigen Bauten für bis zu 300 Menschen sagt Eberhard Klein, Leiter des Bodenseezentrums des Nabu: „Das ist ein Tabubruch!“ Das ökologische Potenzial der Christiani-Wiesen werde zerstört. Wenn diese Grünfläche bebaut werde, dann auch jede andere in Konstanz. Dass die Stadt das geplante Stadtviertel als Modellquartier fürs flächensparende Bauen bewirbt, betrachtet Klein nur als Köder. „Das ist Taktik. Wir erwarten, dass die rote Linie nicht aufgeweicht wird.“
Grundsätzlich sei nichts gegen ein ökologisches Wohnquartier einzuwenden, doch es stehe an der falschen Stelle. Wenn überhaupt etwas an den Christiani-Wiesen geschehen solle, dann müssten diese von der Blumen- zur Naturwiese werden. „Das wäre ökologisch.“ Der heutige Zustand sei zwar nicht ideal, aber das Areal sei nicht versiegelt und Teil des Grüngürtels zwischen Lorettowald und See. Die geplanten Wohnungen könnten am Hafner, auf dem Siemensareal oder dem Döbele stehen.
Wohnraum sei genug vorhanden – aber falsch verteilt
Auf die Frage, was er denn Menschen sage, die in Konstanz verzweifelt nach Wohnraum suchen, stellt Klein fest: Es gebe nicht zu wenig Wohnraum. Dieser sei allerdings falsch verteilt. Daran ändere sich auch nichts, wenn immer mehr Flächen zugebaut werden. Diese sehe man in Konstanz deutlich. Bisher habe das Handlungsprogramm Wohnen niemals bewirkt, dass die Mieten sinken. „Die Frage ist, können wir so weiter machen.“
Unter dem Strich gehe es um das Anspruchsdenken und die Grenzen des Wachstums. „Der Menschen muss sich ändern.“ Auch Bauland sei eine endliche Ressource, mit der man sparsam umgehen müsse. Und Klein versucht sich an einem Vergleich in Sachen Bedürfnisse: „Wenn man die Leute fragen würde, was sie gern essen würden, dann gäbe es plötzlich auch einen enormen Bedarf an Kaviar.“
Auch für seine Kollegin Julia Nestler, Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Konstanz, ist bei der geplanten Bebauung auf den Christiani-Wiesen klar: „Der Standort ist falsch.“ Die Bauten stünden wie ein Riegel vor dem Lorettowald. Von „Salamitaktik“ spricht Raimund Blödt, früherer Architekt und Sprecher der Initiative für den Erhalt des grünen Horns. Die Bebauung in Konstanz sei immer näher an den Lorettowald herangerückt. Zuletzt mit dem Quartier Büscheläcker.
Doch mit der Bebauung der Christiani-Wiesen, die seit Jahrzehnten als Grünfläche ausgewiesen waren, werde eine rote Linie überschritten. „Das ist hanebüchen.“ Er fragt sich, worin ein Mensch noch Vertrauen haben soll. Blödt fügt an, dass er sich auch einen besseren Umgang mit dem Baubestand wünschen würde. Die heute üblichen Luxussanierungen trieben die Menschen aus der Stadt.
Wohnraum für bis zu 300 Personen soll entstehen
Auf den Christiani-Wiesen sollen bis zu 140 Wohneinheiten für rund 300 Bewohner in zwei- bis fünfgeschossigen Häusern entstehen. 30 Prozent der Wohnungen errichtet die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wobak im geförderten Mietwohnungsbau. Die Bewohner sollen mit weniger Wohnfläche auskommen als bei herkömmlichen Häusern – und mit weniger Stellplätzen fürs Auto.
Dafür soll es gemeinschaftlich genutzte Flächen sowie mehr Radstellplätze und Carsharing geben. Die Petition könnte den bisherigen Zeitplan über den Haufen werfen. Bis Ende des Jahres 2023 sollte die Wobak mit dem Bau ihrer Häuser beginnen, ab 2024 die Baugemeinschaften.