Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn ging das Kompliment runter wie Öl. Nicole Razavi, ihres Zeichens in der neuen Landesregierung von Winfried Kretschmann zuständig für den Bereich Stadtentwicklung und Wohnen, begründete ihre Tour durchs Ländle mit der Suche nach Best-Praxis-Beispielen, wobei für sie die Vermeidung von Flächenfraß und Leerständen zwei wichtige Maßstäbe darstellen.
Gleichzeitig gehe es darum, den Wohnungsbau mit Konzepten für Wohnqualität zu verbinden – und da stecke die Stadt Konstanz voller Ideen. Die Beispiele, die die Ministerin bei ihrer Tour sammelt, könnten als Muster dienen, so dass das Rad in anderen Städten und Gemeinden nicht jedes Mal erneut erfunden werden müsse.

Und das heißt konkret: Was in Konstanz in den Abteilungen Stadtentwicklung und Wohnungsbau planerisch zuwege gebracht wird, hat Chancen für die künftige Ausrichtung der Landespolitik bei den Förderprogrammen.
Dass der Draht zwischen Stuttgart und Konstanz schon jetzt gut funktioniert, ging dabei aus der Einordnung von Karl Langensteiner-Schönborn zu den bisherigen Richtlinien des Landes hervor. Er gab das Kompliment zurück, die Stadt Konstanz habe bei ihren Konzeptionen stets auf die Unterstützung des Landes setzen können.
Im Fokus steht dabei allein wegen der Größenordnung das Baugebiet Hafner mit einer Fläche von rund 105 Hektar und rund 3100 Wohnungen – eine vergleichbare Planung gibt es derzeit in Baden-Württemberg nur in Freiburg. Karl Langensteiner-Schönborn nutzte aber zugleich für die Anpreisung des Vorhabens am Horn (früher Christiani-Wiesen genannt).
Es ist mit 140 geplanten Wohneinheiten für zirka 300 Menschen auf einer Fläche von zwei Hektar im Vergleich zum Hafner nicht mehr als ein Bonsai-Projekt, hat unterdessen den Vorteil, dass es im Zusammenspiel von Wohnungsbau und qualitativer Quartiersausrichtung durchkomponiert ist. Im günstigsten Fall erfolgen Anfang nächsten Jahres die Ausschreibungen für die Baugemeinschaften.
Projekt am Horn als Hafner-Vorbild
Die längst auf der offiziellen Veröffentlichung der Stadt zum Baugebiet am Horn nachzulesende Ausrichtung des Quartiers hört sich dabei wie eine Kopie der landespolitischen Ziele für den Wohnungsbau der Zukunft an.
„Wir brauchen nachhaltige, vernetzte und lebendige Quartiere, nicht nur Wohnraum“, schreibt Karl Langensteiner-Schönborn, wobei das Neubaugebiet als Vorbild insbesondere für das Hafner-Areal dienen soll. Folgende Elemente tragen das Konzept:
- Gemeinschaftssinn: Gemäß der Idee des Car-Sharings im Verkehr soll beim Vorhaben am Horn Platz für gemeinschaftliche Nutzungen berücksichtigt werden. Gedacht ist an Flächen etwa für Werkstatt- oder gemeinschaftliche Arbeitsräume, platzsparend soll sich ferner die Reduzierung von Parkplätzen auswirken – ermöglicht durch Car- beziehungsweise Bike-Sharing. Damit sich die Mobilitätswende durchsetzen kann, soll das Quartier im Innenbereich autorfrei bleiben. Parallel dazu wird die Zahl der Stellflächen für Fahrräder bei 420 liegen. Die Ersparnis beim Flächenverbrauch liegt bei dieser Planung bei 14 Prozent im Vergleich zu Bauprojekten nach bisherigen Maßstäben. Das Quartier eignet sich damit zugleich als Terrain für eine Kommunikation, die verstärkt die Möglichkeiten der Digitalisierung des Pilot-Projekts „Smart City“ etwa durch eine Quartiers-App einbaut.
- Ökologie und Klimaschutz: Zu den Besonderheiten am Horn zählt das bevorzugte Baumaterial – das Quartier kommt in der Holzklasse daher. An etlichen Stellen wird das aber voraussichtlich nicht sichtbar sein, denn Dächer und Fassaden sollen für Begrünungen genutzt werden. Bei der Durchsicht der Planungsunterlagen fällt beispielsweise die Anlage eines Gewächshauses auf einem Baukörper auf (neudeutsch: Urban Gardening). Für das Gebiet liegt ferner ein Regenwasserkonzept vor und bei der Energiegewinnung soll auf lokale und erneuerbare Quellen gesetzt werden. Mit einer Null-Bilanz will man sich dabei nicht zufrieden geben, das Ziel am Horn ist ein Energieplus.
- Finanzierung: Extras kosten – aber sie müssen auf Dauer keine Extras bleiben. Eben deshalb sind Erweiterungen bei den Förderungen zum Beispiel bei den Sharing-Modellen vorgesehen. Dies wiederum bedeutet einen Wechsel der Gepflogenheiten, bei der es Zuschüsse auf der Grundlage der bloßen Wohnfläche gibt. Das Projekt am Horn könnte sich außerdem für die Entwicklung des Genossenschaftswesens eignen. Ganz klassisch ist außerdem die Finanzierung über den Mietwohnungsbau vorgesehen. Ziel ist kein Edelviertel für Besserverdiener, die Stadtverwaltung will am Horn bezahlbaren Wohnraum schaffen. Das ergibt sich auch aus der Rolle des Projektgebiets: Als Geschwisterchen sollte das Gebiet nicht im Widerspruch zur Intention für das viel größere Projekt im Hafner stehen.