Es dauert seine Zeit, bis Marion Klose und Charlotte Biskup in der Realität ankommen. Die beiden Frauen sind federführend für das Projekt „Smart City“ der Stadt Konstanz zuständig, wofür sie sich mächtig zu abstrakten Formulierungen aufgeschwungen haben. Immerhin mit Erfolg.
Sie obsiegten beim Förderwettbewerb des Bundesinnenministeriums, mittels dessen man sich unter dem Titel „Smart Cities“ auf den Weg zu Neubestimmungen des Miteinanders in der Stadt unter Einbezug digitaler Möglichkeiten machen will. Klar, dass das Projekt auch die Ziele des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit berücksichtigen soll.
Das gute Abschneiden beim Wettbewerb, bei dem bundesweit 28 von rund 70 Teilnehmern berücksichtigt wurden, beschert der Stadt Konstanz bis 2026 einen Zuschuss von 11,375 Millionen Euro, mit dem Eigenanteil von 6,125 Millionen Euro stehen damit insgesamt 17,5 Millionen Euro für das Experiment zur Verfügung. Für diesen Batzen war man offensichtlich zu sprachlichen Währungsverlusten bereit.
Was bedeutet das aber alles für die Zukunft?
Das hört sich unter anderem wie folgt an: Für die Konstanzer Innenstadt soll bei dem Projekt durch ein Regiebuch eine „planerisch-strategische Konzeption für neue flexible Raumnutzungen zur Neuprogrammierung der Innenstadt als Erlebnisraum ausformuliert“ werden. Ziel sei es dabei, „erste Interventionen“ vorzunehmen, „die hybride Nutzungsmodelle und eine Neuvernetzung bestehender Nutzungen realisieren“.
Das verstehe wer will – der Gemeinderat jedenfalls tat‘s nicht. Dennoch unterstützte er die Bewerbung samt der Kröte des Eigenanteils, da das Projekt im weiteren Sinne auf die generelle Strategie der Stadtentwicklung mit dem Ziel des Klimaschutzes, der Nachhaltigkeit und eines zeitgemäßen urbanen Miteinanders einzahlt.
Charlotte Biskup, die im Rathaus der Abteilung Steuerungsunterstützung angehört und damit die Position einer rechten Hand von Oberbürgermeister Uli Burchardt einnimmt, zog die Stadträte in der damaligen Ratssitzung unter anderem mit dem Argument auf ihre Seite, dass man auf dem Parkett bundesweiter Wettbewerbe eben um einen bestimmten Jargon nicht herum komme. Oder anders gesagt: Die Berliner Ministerialbürokratie spricht so – und offensichtlich haben Charlotte Biskup und Marion Klose, die das Amt für Stadtplanung und Umwelt leitet, den Ton getroffen.
Jetzt aber hat das Duo ein Problem. Man hat sich zur Erläuterung des Projekt im Innenhof des Rathauses verabredet und der Mann vom SÜDKURIER will wissen, was es mit Konstanz als künftiger „Smart City“ auf sich hat. Wie wär‘s mit Beispielen? Die – so argumentiert er – sind nötig, zumal das Gelingen des Experiments von der Mitwirkung der Menschen mit ihrem ganz gewöhnlichen Alltag abhängt. Was in Otto Normalverbrauchers Namen ist unter „Neuvernetzung bestehender Nutzungen“ zu verstehen? Wo, bitte schön, soll er im Schatten von Imperia und Münster „hybride Nutzungsmodelle“ entwickeln?
Charlotte Biskup druckst herum, auch Marion Klose fällt zunächst nichts Griffiges ein. So ungefähr wie bei Corona müsse man sich das vorstellen: Da sei auch Vieles digital abgelaufen und niemand habe zuvor etwas vom flotten Wandel ins digitale Miteinander geahnt. Allmählich aber wird‘s dann doch konkret. Vereine beispielsweise könnten sich auf digitale Weise vernetzen, sagt Charlotte Biskup.
Marion Klose schwärmt davon, wie sich bequem vom Sofa aus bei einem Glas Rotwein die diversen Mobilitätsangebote von Bus, Bahn, Fahrrad oder Car-Sharing für den nächsten Tag im Sinne der smarten Vision kombinieren lassen. Klar, damit das gelinge, sei die Entwicklung eines Einverständnis über eine Datenethik erforderlich, bei der letztlich die Fäden bei der Stadtverwaltung zusammenlaufen müssten.
Schon droht erneut das Abgleiten ins Abstrakte, da hat Charlotte Biskup eine handfeste Idee für das, was mit Smart City gemeint ist: Was beispielsweise, wenn die Schwiegermutter auf die spontane Idee eines Besuchs kommt? Da wäre es doch gut, wenn man im Quartier über die Angebote an Gästezimmern Bescheid wüsste und diese im gut nachbarschaftlichen Miteinander mittels einer App nutzen könnte. Oft liege die Lösung der Übernachtungsproblematik gleich um die Ecke – und die Digitalisierung biete dabei das technische Instrument für den sparsamen Umgang mit Ressourcen.
Und was fürs Gästezimmer gilt, treffe auch für andere Ressourcen zu. Früher wurde beim Nachbarn um eine Prise Salz oder sonst ein gerade fehlendes Lebensmittel angefragt, in der smarten Welt von morgen lasse sich das aufs meist ohnehin nur alle Jubeljahre genutzte Raclette-Set oder sonstige Gegenstände des Alltags ausdehnen. Im besseren Fall entwickelt sich aus der smarten City somit ein grundsätzlich neues Miteinander mit dem Ziel der Ressourcenschonung.
Und was bei der Schwiegermutter vorstellbar ist, könnte auch bei der Waschmaschine funktionieren. Das Projekt eröffnet laut Charlotte Biskup und Marion Klose die Möglichkeit der Steuerung beim Energieverbrauch, bei dem die Trommel jenseits der Spitzenlastzeiten ihre Runden dreht. Das sorge für Gleichmaß beim Stromverbrauch mit entsprechender Schonung von Ressourcen und Finanzen.
Der Unterschied zu heute: Künftig entscheiden möglicherweise die Stadtwerke über den Zeitpunkt des Waschvorgangs, während vom Verbraucher lediglich die Angabe nötig ist, bis wann er spätestens seine Hemden und Hosen wieder aus der Waschmaschine herausholen will. Das Management von Gebäuden, die Optimierung der Straßenbeleuchtung, die differenzierte Nutzung von Straßen oder Plätzen für den Verkehr oder als Spiel- und Begegnungsflächen – das Pilotprojekt bietet für die beiden Koordinatoren jede Menge Ansätze für ein neues Miteinander im städtischen Miteinander.
Stadt hofft auf viele Ideen der Bürger
Irgendwie wird‘s so auch kommen, im Vergleich zu anderen Städten gehört Konstanz mit dem Erfolg beim bundesweiten Wettbewerb nun aber zu den Experimentierkästen Deutschlands. Was jetzt noch fehle, sei die Beteiligung der Bürger.
Die nächsten Monate sind nach dem Plan von Marion Klose und Charlotte Biskup vor allem für Anregungen und Ideen reserviert, wobei sie auf die Mitwirkung von einzelnen Bürgern über Interessensvertretern bis hin zu Vorschlägen aus der Wirtschaft setzen.