Auf dem Papier liest sich das Vorhaben wie ein Glücksfall. Es geht um ein Stück Acker von vernachlässigbarem ökologischen Wert, Grund und Boden gehören der Stadt und die städtische Wohnbaugesellschaft (Wobak) möchte lieber heute als morgen mit der Bebauung loslegen.
140 Wohnungen mit zeitgemäßen ökologischem und energetischen Standards für rund 500 Menschen könnten auf der Jungerhalde/West entstehen, zugleich würde die soziale Infrastruktur mit einem Gerätehaus für die Feuerwehr des Ortsteils erweitert. Doch die Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad mit ihrem erst jüngst wiedergewählten Vorsitzenden Sven Martin hält dagegen – und der Mann lässt sich durch einen Bescheid des Petitionsausschusses des Landtags nicht vom Kurs abbringen.
„Bei der Petition ging es um die Überprüfung des Verwaltungshandelns“, erklärt Sven Martin, wobei die Antwort des Landtags für ihn einigen Interpretationsspielraum lässt. Dass die Petition nicht weiter bearbeitet werde, kommt für ihn keiner Niederlage gleich. So wie er den Entscheid liest, gibt es aktuell noch keinen Anlass für ein Petitionsverfahren, weil von der Stadtverwaltung noch eine ganze Reihe von Verfahrensschritten abzuarbeiten sind.
Dazu zählt er die Genehmigung für die Veränderung des Flächennutzungsplanes durch das Regierungspräsidium, die Prüfung etwaiger Beeinträchtigungen der naturschutzrechtlich geschützten Bereiche in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugebiets sowie die Abgleichung des Projekts mit den Vorgaben der städtischen Klimaschutzstrategie.
Erweiterte Bürgerbeteiligung
Das hört sich ganz so an, als stehe vor der Bebauung der Jungerhalde/West ein zäher Prozess mit der Option zahlreicher Einsprüche. Teil dieses Verfahrens ist für Sven Martin außerdem „eine erweiterte Bürgerbeteiligung gemäß der Richtlinien der Stadt Konstanz“. Mit rund 450 Mitgliedern verfügt die Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad dabei über ein Potenzial an engagierten Bürgern, die einiges an Ideen für Alternativen zur Jungerhalde-Bebauung sowie zu Art und Weise einer etwaigen Gestaltung in der Hinterhand haben dürften.
Im Gemeinderat wird diesbezüglich die Fahne der Gegner des Vorhabens vor allem von Peter Müller-Neff hochgehalten. Der langjährige Stadtrat gehört der Freien Grünen Liste (FGL) und damit der mit Abstand stärksten Fraktion an. Welche Position seine Parteifreunde im Fall der Jungerhalde/West einnehmen, lässt sich zurzeit allerdings nicht genau bestimmen.
Wird also nach dem Bescheid des Landtags zur Petition die Taktik des Hinauszögerns eingeschlagen? Sven Martin will sich nicht in die Karten schauen lassen, vermeidet ferner eine klare Stellungnahme, ob er nun grundsätzlich für oder gegen die Bebauung auf dem Acker ist. Für ihn steht außer Frage, dass in Konstanz ein Bedarf an bezahlbarem Wohnraum besteht. Er räumt zudem ein, dass mit der Wobak als Bauherrin beziehungsweise eines vorgesehenen 50-prozentigen Anteils bei den Sozialwohnungen ein vertretbares Projektkonzept vorliege.

Allerdings will er das Problem des knappen Wohnraums gesamthaft angehen. Im Fall der Jungerhalde/West hegt er den Verdacht, dass einfach nur der Weg des geringsten Widerstandes gegangen werden soll. Das aber sei nicht mit dem Grundsatz zu vereinbaren, „dass freier Landschaftsraum nicht mehr ohne Weiteres für die Bebauung genutzt werden sollte“. Für Sven Martin gibt es dazu auch keinen Grund. Er sieht in Konstanz viele Möglichkeiten zur Nachverdichtung und fordert von der Stadtverwaltung außerdem eine Überplanung von Wohngebieten. Nach seiner Wahrnehmung gibt es „in der Stadt zig Stellen, wo günstiger Wohnraum abgerissen und durch teure Neubauten ersetzt wird“.
Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Vorhabens auf der Jungerhalde/West entstehen bei Sven Martin zudem wegen der bis 2035 ausgelegten Wohnbaustrategie der Stadt. Demnach sollen 7900 zusätzliche Wohnungen entstehen, vor allem im Vorzeige-Projektgebiet Hafner. „Die Planungen dazu liegen vor“, argumentiert der Vorsitzende der Bürgervereinigung, „und für mich stellt sich deshalb schon die Frage, ob wir die Jungerhalde überhaupt noch brauchen.“