Eine erbitterte Auseinandersetzung wäre nicht verwunderlich, doch so ist es nicht. Trotz des Wohnraummangels und hoher Mieten herrscht weitgehend Harmonie zwischen den beiden Interessenvertretungen, die in Konstanz das Sprachrohr für die Haus- und Wohnungseigentümer beziehungsweise die Mieter sind. Der Grund für das bemerkenswerte Bündnis ist die Politik der Stadt. Beispiel dafür ist der Versuch der Stadtverwaltung, die Grundsteuer deutlich zu erhöhen.
Wie berichtet, hatten sich die Chefs der beiden Vereinigungen unmittelbar nach Bekanntwerden der Steuererhöhungsabsichten vehement dagegen ausgesprochen, wobei sie es nicht bei der Kritik an der Steuererhöhung beließen. Stattdessen nutzten sie die Gelegenheit zu einer Generalabrechnung mit der Finanzpolitik. Diese beschränke sich auf die Erhöhung von Einnahmen durch Abgaben ohne Überprüfung der Aufgaben und deren Finanzierbarkeit.
„Das gesellschaftliche Miteinander muss funktionieren“
An der Eintracht der ungleichen Koalitionäre wird sich durch den Wechsel an der Spitze von Haus & Grund nichts ändern. Seit 1998 hat Thomas Daiger die Aufgaben des hauptamtlichen Vorstands und der Geschäftsführung der GmbH wahrgenommen, nach dem Beginn seines Ruhestands hat vor kurzem Matthias Schaubel die Nachfolge angetreten. An der strategischen Ausrichtung von Haus & Grund ändert dies nichts. Das gilt sowohl für die etwa 3000 Mitglieder wie für das Verhältnis zum Mieterbund.
An einem Strang gezogen wird dabei nach Darstellung der beiden Juristen neben der Grundsteuer zum Beispiel bei der Strompreispolitik und generell der Bedeutung steigender Betriebskosten. Unterschiedliche Ansichten gebe es in Fällen von Mietpreiserhöhungen oder Kündigungen, die allerdings sehr selten vorkämen. Die Quote des einvernehmlichen Miteinanders zwischen Vermietern und Mietern veranschlagt Thomas Daiger vor dem Hintergrund seiner jahrzehntelangen Arbeit bei 95 bis 98 Prozent.
Das spiegelt sich in den grundsätzlich identischen Grundsätzen der beiden Interessensvertretungen. „Essen und Wohnen haben den Rang eines Grundrechts“, sagt Thomas Daiger, „danach kommen Dinge wie das Auto oder später vielleicht auch mal der Urlaub.“ Wie der Mieterbund sieht sich Haus & Grund ferner als Vertreter des Gesetzes, wobei auch hier eine Prozentzahl zur Einordnung genannt wird. „95 Prozent der Gesetze in unserem Bereich sind gut“, sagt Matthias Schaubel. Eben deshalb werde bei Streitigkeiten nicht gleich zum Paragrafen gegriffen, man suche den Konsens übers Gespräch. „Das gesellschaftliche Miteinander muss funktionieren“, ergänzt der neue Haus & Grund-Chef.
Deutlich wird die große Schnittmenge zwischen Haus & Grund und dem Mieterbund auch bei der Einordnung von hauptsächlich an der Rendite orientierten Wohngesellschaften deutlich – wie etwa die in Konstanz bekannte Vonovia. „Solche Konzerne wollen Geld, denen geht es nicht um die Menschen“, sagt Thomas Daiger, der dabei zugleich auf eine seiner Ansicht nach falsche Akzentuierung in der politischen Diskussion wie beispielsweise bei der Mietpreisbremse hinweist. Was in Berlin ein Problem sei, lasse sich nur sehr bedingt auf den Rest der Republik übertragen.
Unterschiede zwischen Konzernen und privaten Vermietern
„80 Prozent des Wohnraums wird von privaten Vermietern angeboten“, erläutert Thomas Daiger dazu, und diese hätten ein starkes Interesse an zufriedenen Mietern und seien sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Als Beleg nennt er unter anderem den aktuell hohen Beratungsbedarf von Mitgliedern, wenn es um die Unterbringungsmöglichkeiten und Hilfen für Flüchtlinge aus der Ukraine gehe. „Richtig wütend“ hingegen wird er vor diesem Hintergrund, wenn Konzerne über Betriebskosten oder Luxussanierungen ihre Gewinnmargen in die Höhe zu treiben versuchen.
In Inhalt und Tonlage könnten solche Einschätzungen ebenso gut vom Mieterbund zu hören sein. Die Einigkeit reicht dabei bis an die kommunalpolitische Basis und endet nicht bei der Ablehnung eines höheren Grundsteuersatzes, wodurch sich das Wohnen wegen der Umlage auf die Mieten für so gut wie die gesamte Stadtgesellschaft verteuern würde. Auch die Begründung dafür ergibt für die beiden Vertreter von Haus & Grund keinen Sinn. Die Einnahmenerhöhung soll vor allem für den Klimaschutz verwendet werden, doch der ließe sich nach Einschätzung von Matthias Schaubel und Thomas Daiger durchaus ohne die Einrichtung eines neuen Ressorts mit einem Klimaschutzbürgermeister an der Spitze bewerkstelligen.
Warnung vor Verlust des sozialen Friedens
Wenn‘s nach den beiden ginge, wäre der Klimaschutz gut im Dezernat des Baubürgermeisters unterzubringen. Durch das Nebeneinander von Bau- und Klimaschutzamt befürchten sie lediglich eine Verlangsamung von Entscheidungsprozessen beziehungsweise einen Zuwachs an Bürokratie. Ihre Positionierung verstehen sie gleichzeitig als Warnung vor dem drohenden Verlust des sozialen Friedens.
„Es kommt eine Lawine von höheren Betriebskosten auf die Menschen zu“, sagt Thomas Daiger, der mit dem Verweis auf die hohen Zuschüsse der Stadt für das Bodenseeforum eine weitere bemerkenswerte politische Allianz zu erkennen gibt. Das Argument wird im Gemeinderat mit schöner Regelmäßigkeit von den Vertretern der Linke Liste Konstanz vorgetragen.