In ihrem Badezimmer steht ein Spruch, der als Lebensmotto von Bojana Stojanovic gelten könnte: „Perfect is boring“, perfekt ist langweilig. Denn von außen betrachtet hat die 34-Jährige es nicht leicht. Sie ist alleinerziehend, hat keine Familie in Konstanz und ihr vierjähriger Sohn ist Autist.

Doch Bojana Stojanovic sagt: „Ich habe kein schwieriges Leben. Ich bin zwar immer müde und habe ein Kind, das viel Zeit und Kraft in Anspruch nimmt, aber er gibt mir auch viel zurück. Als Alleinerziehende hat man keine andere Wahl, als stark zu sein.“

Ein Viertel der Konstanzer Haushalte ist betroffen

In Konstanz geht der Anteil der Alleinerziehenden seit rund zehn Jahren tendenziell zurück. Während im Jahr 2011 noch 27,6 Prozent aller Haushalte mit Kindern alleinerziehend waren, sank diese Quote auf 25,2 Prozent im Jahr 2017 und 24,8 Prozent im Jahr 2022. Dennoch bedeutet dies: Immer noch rund ein Viertel aller Haushalte mit Kindern werden von nur einem Elternteil betreut. Ganz überwiegend übernehmen dies die Frauen, denn laut Stadt Konstanz sind 89,5 Prozent der Alleinerziehenden die Mütter.

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So auch bei Bojana Stojanovic. Die 34-Jährige kommt aus Montenegro, ihr Sohn wurde in England geboren. Als der kleine Malachi ein Jahr alt war, trennten sich die Eltern. „Ich habe aus Interesse im Internet geschaut, was man als Croupier in Deutschland verdient“, erzählt die Mutter. So stieß sie auf eine freie Stelle im Konstanzer Casino, bewarb sich und erhielt vor drei Jahren die Zusage. „Ich wusste nicht mal, wo Konstanz liegt, habe mich aber sofort in die Stadt verliebt.“

Dann begann die Bürokratie. „Es war ein Schock, was ich alles beantragen musste“, sagt die 34-Jährige. Obwohl sie alleinerziehend ist, bekam sie zunächst keinen Kitaplatz und keine Tagesmutter. Inzwischen besucht Malachi den integrativen Kindergarten Arche. Da sie Vollzeit arbeitet, komme sie finanziell „irgendwie über die Runden“. Bojana Stojanovic arbeitet nachts und kümmert sich tagsüber um die Therapien ihres Sohnes.

Am meisten hat sie damit zu kämpfen, auf sich gestellt zu sein. „Mir fehlt eine zweite Person, um wichtige Entscheidungen für Malachi zu treffen“, sagt sie. „Außerdem habe ich in Konstanz keine Familie und richtig Angst davor, dass ich mal ernsthaft krank bin. Wer kümmert sich dann um meinen Sohn?“

Im Badezimmer studiert

Auch ihre Freundin Ekaterina Khmara hat mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Seit der Trennung lastet ein dicker Brocken auf ihr. Der Brocken der alleinigen Verantwortung. Die 30-Jährige aus Belarus lebte mit ihrem deutschen Partner in Australien, wurde dort schwanger und kam zur Geburt nach Deutschland. Als die Beziehung zerbrach, zog Khmara zunächst mit Maximilian nach Frankfurt. Doch als ihr Ex-Partner eine Stelle in Zürich antrat, zog sie ihrem Sohn zuliebe 2020 nach Konstanz. Maximilian sollte Kontakt zum Vater haben können.

Auch sie bekam zunächst keinen Kitaplatz, keine Tagesmutter und keine ausreichend große Wohnung. „Ich hatte in Deutschland niemanden und wusste nicht, wer mir womit helfen kann. Alle Informationen musste ich mir häppchenweise selbst zusammensuchen“, so die Mutter. „Zwei Jahre lang habe ich in einer Ein-Zimmer-Wohnung gelebt und nachts im Badezimmer studiert, wenn Maximilian schlief“, erzählt sie. Da auch er Autist ist und viele Therapien besucht, hat die 30-Jährige tagsüber keine Zeit dazu.

„Zwei Jahre lang habe ich nachts im Badezimmer studiert, wenn Maximilian schlief“, sagt Ekaterina Khmara.
„Zwei Jahre lang habe ich nachts im Badezimmer studiert, wenn Maximilian schlief“, sagt Ekaterina Khmara. | Bild: Kirsten Astor

Inzwischen geht Maximilian ebenfalls in die Arche und Ekaterina Khmara bereitet sich an der Universität Konstanz auf zwei Abschlüsse gleichzeitig vor. Außerdem arbeitet sie in Teilzeit in einer Vorbereitungsklasse an der Geschwister-Scholl-Schule. Sie lebt mit ihrem Sohn in einer 36-Quadratmeter-Wohnung, hätte aber gern mehr Platz. „Als alleinerziehende Studentin mit befristetem Arbeitsvertrag und aus dem Ausland kommend bin ich halt nicht die beste Kandidatin für Vermieter“, sagt sie und seufzt.

Finanziell hat sie es auch nicht leicht. „Konstanz ist sehr teuer, das Geld ist knapp“, sagt die 30-Jährige. Hat sie Angst vor der Zukunft? „Ja, aber ich denke, dann muss ich eben noch mehr arbeiten“, so Khmara. „Von Angst will ich mich nicht überfordern lassen.“

Auch alleinerziehende Männer haben es schwer

Einer der wenigen alleinerziehenden Väter in Konstanz ist Leonard Roch, 35 Jahre. Er meistert den Alltag mit seinen Kindern im Alter von acht, neun und zwölf Jahren seit fast drei Jahren so gut wie allein. Leonard Roch arbeitet Vollzeit als Techniker und hat gelegentlich Hilfe von seiner Schwiegermutter. Finanziell sei er noch nicht auf Unterstützung angewiesen. „Aber jetzt steigen überall die Kosten enorm, außerdem gibt es zwei zusätzliche Schließtage für unseren Hort und die Betreuung soll auch teurer werden. Da muss ich gucken, ob ich das noch alles hinbekomme“, sagt Roch.

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Was den 35-Jährigen mehr belastet als die Finanzen ist der stressige Alltag mit drei Kindern, ihren Hobbys, Haushalt, Hausaufgaben. „Ich verzichte komplett auf mein eigenes Leben, weil ich es ganz auf die Kinder ausrichte“, sagt er. „Ich schenke ihnen viel Liebe, unternehme ganz viel und zeige Verständnis für ihre Situation, denn durch die Trennung müssen sie einiges verarbeiten. Manchmal denke ich, dass es schon heftig ist, was ich alles schaffe, aber ich schlage mich durch.“ Schade findet er nur, dass sich manche Leute von ihm abgewandt haben, seitdem er alleinerziehend ist: „Anstatt dass sie mir Mut zusprechen, kritisieren sie mich.“