Milan spielt hingebungsvoll mit seinem Bagger am Matschplatz. Spielpartnerin ist seine Mutter Kathrin Themann. Zumindest an drei Tagen in der Woche. An den beiden anderen Tagen wird Milan im Wechsel von seinen beiden Omas betreut. Mit diesem Modell kann Kathrin Themann zumindest auf einer 40-Prozent-Stelle in Stockach arbeiten, aber sie würde gern verdoppeln. Ihre Pläne scheitern, wie bei vielen weiteren Konstanzer Familien, an einem Kindergartenplatz.

Hunderte gehen leer aus

Schon seit vielen Jahren gehen Hunderte Konstanzer Familien bei der Vergabe leer aus, doch besonders drastisch ist es in diesem Jahr. Im April meldete das Sozial- und Jugendamt die Rekordzahl von knapp 700 unversorgten Kindern für das Kitajahr, das gerade begonnen hat. Nun, ein paar Monate und mehrere Nachrückverfahren später, hat sich die Lage nur leicht verbessert. Auch in Karlsruhe spitzt die Erkältungswelle die Lage drastisch zu.

Obwohl die Stadt seit vielen Jahren massiv am Bau neuer Kitas arbeitet, bringt dies keine Entspannung. Schuld daran ist unter anderem der eklatante Mangel an Fachkräften, vor allem im Ü3-Bereich. So konnte die neue Kita Grenzbach nur mit einer statt der vier geplanten Gruppen in Betrieb gehen, obwohl alle Räume eingerichtet waren.

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Nun kann Rüdiger Singer, Leiter der Abteilung Jugendhilfeplanung, immerhin einen Lichtblick verkünden: „Die Kita am Grenzbach hat ab September fast alle Stellen besetzt und kann Stück für Stück eine Gruppe nach der anderen eröffnen.“ Dort werden weitere 60 Kinder im Laufe der kommenden Wochen eingewöhnt.

Auch in der Kita Allmannsdorf (ehemals St. Georg) läuft nicht alles nach Plan. Wegen Personalmangels konnte die neue Einrichtung mit rund 60 Plätzen für über Dreijährige nicht zu Beginn des aktuellen Kindergartenjahrs eröffnen. Doch auch hier tut sich etwas: Voraussichtlich zwei Gruppen (insgesamt 40 Kinder) können Anfang 2023 gebildet werden. Laut Rüdiger Singer finden der Umzug und die Eröffnung der Kita Allmannsdorf wohl Ende Oktober/Anfang November statt.

Es fehlen Fachkräfte

Aktuell können rund 120 vorhandene Kitaplätze nicht belegt werden, weil Fachkräfte fehlen. Aber nicht nur suchende Eltern, sondern auch Familien, die bereits einen Platz haben, bekommen den Personalmangel deutlich zu spüren. Teilweise werden in Konstanzer Kitas Gruppen nicht voll gefüllt, ganz geschlossen, oder Einrichtungen müssen ihre Betreuungszeiten einschränken.

Während im April rechnerisch 80 Vollzeitstellen in den Konstanzer Kitas nicht besetzt werden konnten, gibt es nach offensiven Maßnahmen zur Personalsuche derzeit noch 50 offene Erzieherstellen (15 bei städtischen Kitas, 35 bei freien Trägern).

Volles Haus. Garderobe in einer Konstanzer Kita.
Volles Haus. Garderobe in einer Konstanzer Kita. | Bild: Kirsten Astor

Da alle Kommunen in der Bundesrepublik vor demselben Problem stehen, schlug die Stadt Konstanz in diesem Jahr erstmals einen ungewöhnlichen Weg ein: Sie startete Mitte Mai mit der Agentur für Arbeit eine große Initiative zur Personalgewinnung in Spanien. Denn dort gibt es viele gut ausgebildete, aber arbeitslose Erzieher.

Rüdiger Singer, Abteilungsleiter Jugendhilfeplanung im Konstanzer Sozial- und Jugendamt, muss den Mangel verwalten.
Rüdiger Singer, Abteilungsleiter Jugendhilfeplanung im Konstanzer Sozial- und Jugendamt, muss den Mangel verwalten. | Bild: Kirsten Astor

Im Sommer fanden Online-Bewerbungsgespräche statt. „Tatsächlich kommen die ersten fünf spanischen Erzieherinnen im Oktober für eine Hospitationswoche nach Konstanz und beginnen im Januar 2023 ihren Dienst“, berichtet Rüdiger Singer. „Weitere fünf Erzieherinnen treten den Dienst im April an.“

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Die Spanierinnen absolvieren einen Sprachkurs und werden anschließend ein Jahr lang in unterschiedlichen Kitas eingearbeitet. Parallel lernen sie weiter Deutsch. Nach einem Jahr erhalten sie die Anerkennung als vollwertige Fachkräfte.

Kathrin Themann hofft, sehr bald doch eine Zusage für Milan zu erhalten. Die 32-Jährige ist verzweifelt: „Um im Punktesystem der Platzvergabe höher zu klettern, müsste ich längere Arbeitszeiten vorweisen können. Aber wie soll ich das machen, wenn Milan nicht betreut ist?“ Er steht seit Mai 2021 auf der Vormerkliste.

Halbtagsplatz für 500 Euro

Das einzige Angebot, das der Familie gemacht wurde, war laut Kathrin Themann ein Halbtagsplatz auf der Insel Mainau, begrenzt auf ein Jahr, für knapp 500 Euro im Monat. „Da hätte ich zwar arbeiten können, aber mein Einkommen wäre zu einem guten Teil für den Krippenplatz draufgegangen“, sagt sie.

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Auch die Tagespflege hat sie sich angeschaut, fand aber kein passendes Angebot. Die Mutter ist dankbar, dass sie das Oma-Netzwerk nutzen kann. „Sonst wüsste ich wirklich nicht weiter“, sagt sie frustriert und fragt: „Wie läuft es meistens am Ende? Die Mütter bleiben mit den Kindern zu Hause, sind raus aus dem Job und finden nach drei oder vier Jahren nur schwer den Anschluss im Berufsleben.“ Abgesehen davon denkt sie besonders an ihren Sohn: „Milan ist sowas von kindergartenreif, er braucht andere Kinder und den sozialen Anschluss.“