Alfred Kaufmann und Rüdiger Singer haben zum Pressegespräch über die Vergabe von Kitaplätzen keine guten Nachrichten für Konstanzer Familien mitgebracht: Nach aktuellem Stand erhalten knapp 700 Kinder für das neue Kitajahr ab September keinen Platz in einer Kindertagesstätte. „Das ist massiv“, sagt Rüdiger Singer, Leiter der Abteilung Jugendhilfeplanung im Sozial- und Jugendamt (SJA). Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag diese Zahl im Frühjahr bei rund 500.

Kommende Woche verschickt die Stadt die Zu- oder Absagen an die Familien. SJA-Leiter Alfred Kaufmann macht gleichzeitig Mut: „Es gibt im Lauf des Jahres noch drei oder vier weitere Vergaberunden, bis in den Sommer hinein. Dadurch erhalten viele Kinder doch noch einen Platz, weil Familien wegziehen oder ihren Platz aus anderen Gründen nicht annehmen.“

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Dennoch täuscht dies nicht über die Tatsache hinweg, dass sich die Lage in Konstanz verschlimmert hat – und das, obwohl die Stadt seit Jahren massiv am Bau neuer Kitas arbeitet. „Das Tragische ist, dass wir die neuen städtischen Kitas Grenzbach und Allmannsdorf voll belegt öffnen könnten, sie sind eingerichtet“, sagt Alfred Kaufmann. Doch in der Kita Grenzbach im ehemaligen Technologiezentrum kann statt der geplanten vier Gruppen nur eine einzige in Betrieb gehen. Die Kita Allmannsdorf (ehemals St. Georg) mit rund 60 Plätzen für über Dreijährige kann voraussichtlich wegen Personalmangels nicht zum nächsten Kindergartenjahr eröffnen. So werden 120 vorhandene Plätze nicht belegt. Und auch in anderen Einrichtungen aller Träger erhalten Kinder keinen Platz, obwohl diese eigentlich vorhanden wären.

Personal aus Spanien

Grund dafür ist eklatanter Personalmangel. „Derzeit sind in den 50 Konstanzer Kitas rechnerisch 80 Vollzeitstellen nicht besetzt“, erläutert Kaufmann. „Allein deshalb können wir 150 über Dreijährige und 20 unter Dreijährige weniger versorgen als wir gern würden.“ Dazu kommt, dass nun ein geburtenschwacher Jahrgang in die Grundschulen wechselt und somit weniger Kitaplätze frei werden. Die sukzessive Vorverlegung des Einschulungs-Stichtags spielt ebenfalls weiterhin eine Rolle. Auch deshalb bleiben mehr Kinder ein Jahr länger im Kindergarten.

Am meisten Sorgen bereiten den Verantwortlichen aber die fehlenden Fachkräfte. „Wir tun alles, um Personal zu halten und möglichst viele neue Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen“, sagt Alfred Kaufmann. Dabei geht die Stadt zum ersten Mal ungewöhnliche Wege: „Wir starten Mitte Mai gemeinsam mit der Agentur für Arbeit eine große Initiative zur Personalgewinnung in Spanien“, sagt der Amtsleiter. Hintergrund ist, dass es dort viele gut ausgebildete, aber arbeitslose Erzieher gibt.

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„Wir suchen aus moralischen Gründen bewusst nicht in Städten oder Ländern, die selbst unter Fachkräftemangel leiden“, sagt Kaufmann. Im Sommer starten Online-Bewerbungsgespräche, sodass die ersten spanischen Fachkräfte schon im November dieses Jahres nach Konstanz kommen könnten. Dann absolvieren sie zunächst einen Sprachkurs und werden anschließend ein Jahr lang in unterschiedlichen Kitas eingearbeitet. Parallel lernen sie weiter Deutsch. Nach einem Jahr erhalten sie die Anerkennung als vollwertige Fachkräfte. „Wir sind selbst gespannt, wie erfolgreich diese Idee sein wird“, sagt Rüdiger Singer.

Träger ziehen an einem Strang

Gleichzeitig arbeitet eine trägerübergreifende „Strategiegruppe Fachkräfte“ an weiteren Verbesserungen der Rahmenbedingungen, um Personal zu halten und neues zu gewinnen. „Alle Konstanzer Träger haben vereinbart, dass wir uns keine Konkurrenz machen wollen, weil das den Familien nichts nutzt“, so Singer. Beim Personalerhalt gehe es um Punkte wie die zufriedenstellende Ausgestaltung von Dienstplänen, um die Qualifikation von Kitaleitungen, um gute ausgestattete Räume und fachliche Begleitung. „Auch eine 60-jährige Erzieherin soll noch Spaß an ihrem Beruf haben“, sagt Rüdiger Singer.

Die Träger wollen auch gemeinsam auf Fachmessen und bei Aufrufen in den Sozialen Medien auftreten. „Auf politischer Ebene müsste zusätzlich erreicht werden, dass die Anerkennung ausländischer Fachkräfte nicht ein Jahr lang dauert“, sagt Singer.

Kita-Ausbau, Rechtsanspruch und Ukraine

Bislang stand Konstanz beim Thema Personal noch besser da als andere Kommunen. Das liegt laut Alfred Kaufmann auch daran, dass in hiesigen Einrichtungen günstige Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Unter anderem erhalten Kitaleitungen mehr Arbeitszeit für ihre Leitungstätigkeit angerechnet als im landesweiten Schnitt, sie sind also weniger „am Kind“. Die Stadt hilft Erziehern bei der Wohnungssuche und bildet viel Nachwuchs über das PIA-Programm (Praxisintegrierte Ausbildung) aus. „Wir sind auch mit Eltern im Gespräch, ob welche bereit sind, uns in den Einrichtungen zu helfen“, sagt Kaufmann. Aber das ist keine einfach Sache: Eltern gelten als ungelernt und dürfen daher nicht viele Aufgaben übernehmen, somit belasten sie zusätzlich die Fachkräfte.

In der Gesamtschau sagt Alfred Kaufmann: „Ich verstehe die Frustration der Eltern, die in der ersten Runde keine Zusage erhalten, sehr gut. Aber wir kümmern uns mit großem Engagement darum, die dunklen Wolken zu beseitigen.“ Sobald neues Personal gewonnen wird, gehen weitere Gruppen in den Kitas Grenzbach und Jungerhalde in Betrieb.

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Auch Oberbürgermeister Uli Burchardt sorgt sich: „Wir investieren sehr viel, um Plätze für alle Kinder zur Verfügung zu stellen. Wir müssen aber auch bezahlbaren Wohnraum für das Personal schaffen. Das tun wir zum Beispiel mit dem Projekt Jungerhalde-West.“ An die Adresse der Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad ergänzt Burchardt: „Es muss jedem klar sein: Wer solche Projekte verhindert, verhindert damit auch Kita-Plätze.“