Ein Mann im Freien, ohne festen Wohnsitz. Er konnte nicht mehr aufstehen, wollte nur noch sterben. Das war einer der Fälle, bei denen es Sandra Simnacher gelang, zu helfen. Die Krankenschwester der medizinischen Ambulanz der Tagesstätte für Obdachlose am Lutherplatz suchte das Gespräch mit dem Mann und machte ihm Vorschläge.

Sandra Simnacher ist die Krankenschwester der medizinischen Ambulanz für Wohnungslose in der Tagesstätte am Lutherplatz. In der Pandemie ...
Sandra Simnacher ist die Krankenschwester der medizinischen Ambulanz für Wohnungslose in der Tagesstätte am Lutherplatz. In der Pandemie mit dem Coronavirus ist ihre Hilfe besonders gefragt. Bild: Claudia Rindt

Nach vielen Bemühungen gelang es ihr, dass der Mann medizinisch und psychisch versorgt wurde. Heute, so berichtet sie, gehe es dem Betroffenen gut, er nehme regelmäßig seine Medikamente und suche den Hausarzt auf.

Dank erst dann, wenn es den Patienten besser geht

Als es dem Mann schlecht ging, habe er keinen guten Kontakt zu ihr gehabt. Aber nachdem er sich erholt hatte, habe sich das geändert. So geht es der Krankenschwester Sandra Simnacher häufig. Dank bekommt sie meist erst dann, wenn es den Patienten wieder besser geht.

Solange diese in der Krise seien, lehnten sie Hilfe oft ab, sagt die Krankenschwester. Sie versuche dann „mit liebevollem Druck“ und einer guten Vertrauensbasis doch noch etwas zu bewegen.

In einem anderen Fall habe sie in der Tagesstätte am Lutherplatz einen Mann mit auffällig rotem Kopf gesehen. Sie habe ihn eingeladen, den Blutdruck messen zu lassen. Dieser sei, wie erwartet, sehr hoch gewesen. Auch diesem Mann habe medizinisch geholfen werden können.

Simnacher regelt es, wenn ein Patient nicht die nötige Versicherung vorweisen kann oder Ausstände bei der Krankenkasse hat oder bei dieser gar nicht angemeldet ist. Sie sorgt dafür, dass jeder die Hilfe bekommt, die er benötigt. Sie spricht mit Ärzten, Krankenkassen und Behörden, um eine Untersuchung oder einen Aufenthalt im Krankenhaus vorzubereiten.

Durch Corona wird es für Obdachlose schwerer

Jörg Fröhlich vom AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation, der auch Leiter der Tagesstätte ist, stellt fest: Viele Obdachlose stünden dem Gesundheitssystem allein und überfordert gegenüber. „Sie haben oft keinerlei Unterstützung.“

Die Tagesstätte und die medizinische Ambulanz versuchten dann zu vermitteln. Auch bürokratische Fragen klärt die Krankenschwester ab. Sie hat vielfach mit Menschen zu tun, die sehr krank sind. „Zunehmend kommen Schwerkranke“, sagt Sandra Simnacher.

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Mit der Pandemie hätten die Anforderungen an eine aufsuchende Hilfe zugenommen, berichtet die Krankenschwester. Obdachlosen sei zeitweise weggebrochen, was sie für ihr Leben auf der Straße benötigen, etwa das Aufwärmen in einem Café oder der heiße Schluck Kaffee.

Sie hätten keine Wohnung, in die sie sich zurückziehen und es sich bequem machen können. „Es ist umso wichtiger, dass wir da sind.“

„Wir entscheiden, wer den Aufenthalt im Haus am nötigsten hat“

Üblicherweise hielten sich im Schnitt 40 Personen in der Tagesstätte am Lutherplatz auf, sagt Jörg Fröhlich. Dies seien viel zu viele, um die Corona-Abstandsregeln zu gewährleisten. Inzwischen sei das Haus vermessen und genau geregelt, wie viele Personen sich mit Abstand in welchem Raum aufhalten dürfen.

„Wir entscheiden, wer den Aufenthalt im Haus am nötigsten hat“, sagt Jörg Fröhlich. In der Tagesstätte können Besucher beispielsweise duschen und die Kleider waschen. Wer Symptome einer Erkältung zeige oder Fieber habe, dürfe bis zur Abklärung der Ursachen nicht ins Haus.

Essen, Termine und Post – alles durchs Fenster

Wer draußen bleiben müsse, könne dennoch das besonders günstige Mittagessen beziehen. Wer es, wie immer schon, bestellt habe, bekomme es zum Mitnehmen aus dem Fenster gereicht. Durchs Fenster reichten Mitarbeiter auch die Post, vereinbarten Einzeltermine zur Beratung oder würden auf diesem Weg die schnellen Infos weitergeben.

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Wer im Café der Tagesstätte stark huste, werde angesprochen, sagt Sandra Simnacher. Bisher habe das Haus nur mit Verdachtsfällen zu tun gehabt. Wer keine eigene Maske habe, könne eine über die Tagesstätte beziehen.

Mehr als 200 Patienten in einem Jahr

Die Krankenschwester sagt, sie beobachte, ob einer seinen Mundschutz schon so lange trage, dass er unhygienisch wirkt. Sie nehme dann das Gespräch auf. Im Haus gibt es auch die Möglichkeit, Masken bei 60 Grad waschen zu lassen.

Die medizinische Ambulanz für den Landkreis hatte im vergangenen Jahr mehr als 200 Patienten. Sandra Simnacher half ihnen mit mehr als 1500 Maßnahmen. Etwa die Hälfte der Kosten müsse die AGJ aufbringen, um die Ambulanz für Obdachlose zu unterhalten, sagt Jörg Fröhlich. Er weiß: Ohne Spenden der Bürger würde es dieses Angebot nicht geben.