„Wir sind in einer existenziellen Krise“. Ralf Rosbach, der ehrenamtliche Geschäftsführer des Bügelservice im Paradies blickt mit Bangen auf die Zukunft des Wäschebetriebs. Seit der Pandemie mit dem Coronavirus steckt dieser in Schwierigkeiten. „Der Markt hat sich geändert“. Die Schwankungen beim Eingang der Aufträge seien enorm. Unter dem Strich reiche es nicht, um aktuell aus der Kurzarbeit zu kommen. Jetzt hofft er, mit dem neuen Angebot der Reinigung der Krise den Rücken kehren zu können. Andere Zweige des gemeinnützigen Integrationsbetriebs blühen. Indigo gibt Behinderten Arbeit. Von den rund 30 Beschäftigten haben etwa 40 Prozent ein Handicap.

Mit klassischer Handarbeit Menschen mit Handicaps eine sinnvolle Aufgabe und einen geregelten Tagesablauf bieten, das war das Ziel des Bügelservice im Paradies, eines Tochterbetrieb der Paritätischen Sozialdienste und des Hilfsvereins für seelische Gesundheit. Nach einigen schwierigen Jahren erreichte das Unternehmen die angestrebte schwarze Null. Immer wieder hatten auch Leser des Südkurier mit Spenden dazu beigetragen, dass der Bügelservice investieren konnte.

Perfekt für den Integrationsbetrieb

Die Tätigkeit sei ideal für Menschen mit Einschränkungen, sagt Ralf Rosbach. Die Arbeit sei in kleinen Häppchen zu schulen und das Ergebnis sofort zu sehen. Also genau das Richtige für einen Integrationsbetrieb. Dieser schlägt eine Brücke zwischen den Arbeitsplätzen in Werkstätten für behinderte Menschen und denen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Er bekommt einen Ausgleich für die Mitarbeiter mit Handicaps, die besonders gefördert werden müssen, steht aber wie jeder andere Betrieb im Wettbewerb.

Der Bügelservice von Indigo schien sich am Markt zu behaupten, doch dann kam die Pandemie: Die Umsätze brachen ein, und erholten sich nicht wieder aufs alte Niveau. Sie stagnierten bei etwa 60 Prozent, sagt Ralf Rosbach. „Vom ersten Lockdown haben wir uns wieder erholt, aber nicht vom zweiten.“ Das hat Folgen für die Mitarbeiter. Für diese gilt wieder Kurzarbeit.

Zu allem Überfluss ist die Miete an die Inflation gebunden. Und weil diese gerade besonders hoch ist, steigen auch die Kosten für die Räume. Rosbach sagt: „Wir müssen jetzt 200 Euro mehr zahlen.“ Als Gründe für die aktuellen Schwierigkeiten führt er an: Es kommen weniger Kunden aus der Schweiz, weniger aus Übernachtungsbetrieben und weniger führende Beschäftigte. Denn die Arbeit von zu Hause aus sei gewachsen. Und dort brauche keiner ein gebügeltes Hemd und eine Hose mit Bügelfalte. Aus wirtschaftlichen Gründen griffen manche auch selbst zum Bügeleisen.

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Nun macht der ehrenamtliche Geschäftsführer das, was alle Lehrbücher raten: In der Krise investieren. Indigo hat eine eigene Maschine zur Reinigung geleast. Der Betrieb kann nun selbst Anzüge, Blusen, Decken aus Daunen und Wolle, Mäntel sowie Vorhänge sauber machen. Bisher kooperierte Indigo mit einem anderen Reinigungsbetrieb. Um diese Aufgabe stemmen zu können, haben Kerstin Hoffmann und Margit Eckstein eine Zusatzausbildung absolviert. „Mit 60 Jahren habe ich nochmals die Schulbank gedrückt“, stellt Eckstein fest.

Sie leitet die Wäscherei im Haus am Briel, einem Wohnheim der paritätischen Sozialdienste zur Wiedereingliederung von psychisch Kranken. Dort steht die neue Reinigungsmaschine. Die Wäscherei im Haus am Briel und der Bügelservice im Paradies kooperierten auch schon in der Vergangenheit. Eckstein sagt: In der Ausbildung habe sie nicht nur den Umgang mit verschiedenen verschmutzten Textilien gelernt, sondern auch wie die Mechanik der Reinigungsmaschine funktioniert. „Das hat nichts mit einer Waschmaschine zu tun.“ Bei der Reinigung kommen zum Beispiel bestimmte Lösungsmittel zum Einsatz, die dann wieder zurückgewonnen werden. Die Reinigungsmaschine sei auch richtig groß, ein „Monstrum“, das gerade noch ins Haus am Briel passte.

Für Kerstin Hoffmann ist es schon die zweite Weiterbildung: „Ich dachte, ich kann bügeln. Aber Pustekuchen.“ Das Profibügeln habe ganz andere Anforderungen, es gehe zum Beispiel darum, einen Glanz im Stoff zu vermeiden, auch Abnäher und den Kragen richtig auszubügeln. Wer beim Bügeln Fehler mache, könne den Stoff irreparabel schädigen. Ralf Rosbach würde sich mehr Wertschätzung der Dienstleistung wünschen – und dass die Kunden bereit sind für einen fairen Preis. „In einer Autowerkstatt zahlt man den, aber nicht bei haushaltsnahen Dienstleistungen.“ Ende des Jahres werde Kassensturz gemacht. Ralf Rosbach hofft, dass er dann den Bügelbetrieb nicht verkleinern muss.

Das Fahrrad im Aufschwung

Andere Zweige von Indigo sind dagegen auf Ausbaukurs. Im Reichenauer Industriegebiet Göldern entsteht eine neue Markthalle, und die Radgarage am Schnetztor ist neu aufgestellt. Im Reparaturbetrieb, der auch Fahrräder mit und ohne Elektroantrieb verleiht, hat der 39 Jahre alte Radmechaniker Albert Molea neu die Regie übernommen. Er sei in kleinen und großen Geschäften über viele Jahre beschäftigt gewesen. Doch dann habe ihn die zusätzliche soziale Aufgabe gelockt. „Das war ein Grund, mich hier zu bewerben.“

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Er habe gern mit Menschen zu tun und habe auch schon als ausgebildeter Team-Trainer gearbeitet und so den Zusammenhalt in einer Gruppe gefördert. Der Betrieb am Schnetztor hat neue Elektroräder, die er auch für Hotels zum Leihen anbietet. Er kann nun auch E-Räder reparieren, und bekommt einen neuen, mit Luftdruck funktionierenden Radständer, der mit Spenden der SÜDKURIER-Leser aus der Adventsaktion Wir helfen mit angeschafft wurde. Mit Hilfe von diesem ist es möglich, 20 bis 30 Kilogramm schwere Elektroräder ohne besonderen Kraftaufwand in die Höhe zu hieven. „Unsere Serviceleistungen sind jetzt umfangreicher und besser“, stellt Molea fest.